Kapitel Siebenundzwanzig
«
D
ie werden sich großartig in einem Kuchen machen. Glaubst du, dass die Köchin uns einen backt, wenn ich sie ganz lieb frage?», fragte Clarice. Sie nahm einige der saftigen Brombeeren heraus und steckte sie sich in den Mund. Als sie den Saft von ihren Lippen leckte, war David versucht, sie zurück in den Wald zu bringen und ihre Ausbildung fortzusetzen. Der Nachmittag mit Clarice in Temple Wood würde für immer in seiner Erinnerung bleiben.
Er blieb stehen und sah zu, wie sie einige Schritte weiterging. Schließlich bemerkte sie, dass er nicht mehr neben ihr war, und sie blieb stehen und drehte sich um.
«David?», fragte sie und kehrte zu ihm zurück.
Er sah sie an und zwang sich ein Lächeln auf die Lippen. Ihr glücklicher Nachmittag war nun zu Ende. Er sandte ein stilles Gebet in den Himmel, dass es nicht ihr letzter gemeinsamer Tag sein würde.
«Er ist hier», antwortete er. Die Ruhe in seiner Stimme stand im Widerspruch zu seinem rasenden Herz.
Von der Spitze des Hügels aus konnte er den Hof von Sharnbrook Grange sehen. Hinter der Scheune, mitten auf dem Hof, stand eine schwarze Kutsche.
Er brauchte das Wappen der Familie Langham nicht auf der Seite des Wagens zu sehen, um zu wissen, dass Earl Langham
angekommen war. Tief drinnen konnte er es fühlen.
Clarices Unterlippe zitterte, und Tränen bildeten sich in ihren Augen.
Er nahm sie in seine Arme und beobachtete über ihren Kopf hinweg, wie der Stallmeister das hübsche Gespann aus vier Pferden von der Vorderseite des Wagens abspannte.
«Hab keine Angst», sagte er. Er neigte seinen Kopf, um sie zu küssen, aber sie zog sich aus seinen Armen zurück und schwang den Korb in seine Richtung.
«Oh David, bitte lass uns jetzt sofort nach Schottland fliehen! Ich kann mich hier verstecken, bis du ein Pferd findest, das uns beide tragen kann», bat sie.
Er schüttelte den Kopf. Sharnbrook war sein Zuhause, und er würde nicht wie ein Feigling davonlaufen. Seine Tage im Schatten waren vorbei. Es war Zeit, sich Henry Langham zu stellen und Clarices Hand zu beanspruchen.
Die Panik in ihren Augen riss an seinem Herzen.
«Clarice», sagte er und streckte erneut die Hand nach ihr aus.
«Nein, nein, er wird nein sagen! Aber ich weiß, was ich zu tun habe. Wenn ich ihm all diese verdammten Lügen ins Gesicht werfe, die er und Mama mir immer erzählt haben, hat er keine Wahl mehr!»
Sie warf den Korb zu Boden, hob ihre Röcke auf und rannte den Hügel hinunter. David holte sie nach ein paar Schritten ein und packte sie am Arm. Als sie zu ihm zurückschwang, sah er die Tränen über ihr Gesicht fließen.
«Bitte, Clarice, du musst aufhören. Du kannst das nicht machen; es wird uns alle zerstören.»
Schnell betrachtete er die Umgebung, und sein Blick fiel auf ein hohes, schmales Steingebäude, das ein Stück vom Rest der Wirtschaftsgebäude entfernt stand. Er hatte die Existenz des Taubenschlags zuvor kaum bemerkt.
Er lockerte seinen Griff um ihren Arm, ohne ganz
loszulassen.
«Wir müssen reden», sagte er und führte sie zu dem schmalen Bau.
Während sie sich so voller Freude einander hingegeben hatten, hatte diese Zeit sie aber auch davon abgehalten, einen Plan für das Wiedersehen mit ihrem Vater zu schmieden. David war wütend auf sich. Er hatte seiner Lust erlaubt, seinen Verstand zu regieren. Er lag nachts satt mit ihr in seinen Armen und fühlte sich bereit, die Welt zu erobern.
Aber wenn Clarice ins Haus marschierte und ihren Vater mit der Wahrheit über ihre Geburt konfrontierte, wer wusste dann, was folgen würde?
Sie erreichten den Taubenschlag, und er stemmte die Tür mit seiner Schulter auf. Sie traten ein.
«David?», flüsterte Clarice. Er stand im Halbdunkel, und weil nur ein Streifen Licht durch die halb geöffnete Tür hereindrang, fiel es ihm schwer, ihr Gesicht zu lesen.
Er dachte einen Moment nach und wusste, dass er die richtigen Worte finden musste. Sie musste verstehen.
«Warum hast du mich im Tal von Langham Hall zur Geheimhaltung verpflichtet, wenn du vorhast, die Wahrheit deiner Geburt als unsere Hauptwaffe zu verwenden?», antwortete er schließlich.
Sie zuckte mit den Schultern. «Ich weiß es nicht; ich kann es einfach nicht ertragen, dich zu verlieren.»
Er runzelte die Stirn. «Das wirst du nicht, aber wir müssen planen, wie wir mit deinem Vater umgehen. Die Lage hat sich geändert. Nach den letzten Tagen und besonders seit heute Nachmittag sind wir beide jetzt eins.»
«Du wirst ihm sagen, dass du mich kompromittiert hast?», fragte sie.
Er seufzte. In dem Moment, als sie in die Kutsche gestiegen und mit ihm nach Sharnbrook Grange gefahren war, war sie in den Augen der Gesellschaft ohnehin so gut wie
kompromittiert. Ihr Vater würde es genauso sehen.
Wenn Clarice ihren Vater konfrontierte, könnte er sie sofort von sich weisen. Ein Mann, dessen Ehre auf dem Spiel stand, war ein gefährliches Tier.
«Wirf nicht das größte Geschenk weg, das dein Vater dir gegeben hat: seinen Namen. Der Earl hat dich als sein eigen Fleisch und Blut akzeptiert. Es liegt kein Makel auf deiner Geburt, Clarice. Und nach all der Verachtung und Kritik, mit der ich in meinem Leben zu kämpfen hatte, werde ich alles in meiner Macht Stehende tun, um sicherzustellen, dass du seine rechtmäßige Nachfolgerin bleibst.»
Er starrte sie an. Sein Herz puckerte unter der Furcht, dass sie seiner Argumentation nicht folgen würde. Schließlich nickte sie zustimmend. Er seufzte erleichtert auf und ging zur Tür.
Sobald Clarice ins Licht trat, zeigte sie mit einem Finger scharf in seine Richtung. «Aber es gibt keine Verhandlungen über diesen Punkt: Wenn mein Vater sich weigert, unsere Verbindung zu segnen, fahren wir noch heute Abend nach Schottland!»
«Ja», räumte er ein. Nachdem er Clarice jetzt in seinem Bett gehabt hatte, war es für ihn das Wichtigste, den Termin für eine Hochzeit festzulegen. Seine Kinder würden nicht den Makel der Illegitimität tragen.
Er holte den Korb, und sie gingen den Hügel hinunter zum Haus. Als sie im Haus waren, suchten sie umgehend Clarices Vater auf. David erreichte den Fuß der Treppe, blieb stehen und zog sie zu sich.
«Ich weiß, dass dies unsere
Zukunft ist, aber Clarice, du musst mir erlauben, das Wort zu führen. Ich muss mich zu meinen eigenen Bedingungen mit deinem Vater einigen.»
Sie nickte und nahm seine Hand. «Ja.»
Im Salon im Obergeschoss fanden sie Lady Alice in einem bequemen Stuhl am Feuer. Earl Langham stand mit dem Rücken zur Tür und blickte zum Fenster hinaus auf das
Anwesen. Er drehte sich um, als David und Clarice den Raum betraten. Sein Blick fiel auf ihre verschlungenen Hände, und er nickte kaum wahrnehmbar.
«Papa», sagte Clarice. David ließ ihre Hand los und verbeugte sich respektvoll.
«Seid Ihr verheiratet, Radley?», fragte Earl Langham.
Ein Hoffnungsschimmer entzündete sich in Davids Herzen. Der Earl hatte die Frage an ihn gerichtet.
«Nein, Mylord, aber wir haben vor zu heiraten. Clarice hat meinen Antrag angenommen. Wir bitten um Ihren Segen», antwortete er.
Ein Schnauben war die einzige Antwort.
Clarice trat zu ihrem Vater und stand mit gefalteten Händen vor ihm. «Es tut mir leid, dass ich dir nicht gehorcht habe, Papa, aber wir mussten Norfolk verlassen.»
Der Earl nickte. «Ja, ich muss gestehen, dass ich mehr als nur ein bisschen wütend war, als ich entdeckte, dass du Langham Hall mit Mr. Radley verlassen hast, aber ich verstehe jetzt die Umstände dieser Flucht. Mein Verwalter gab mir seine Version der Ereignisse, und sie stimmen denen überein, die Mr. Radley in seinem Brief schilderte. Deine Großmutter hat mich über alle anderen relevanten Details informiert.»
«Alle?», fragte Clarice Lady Alice.
«Ja», antwortete sie.
Lord Langham lachte leise. David runzelte die Stirn. Er hatte den Earl noch nie lachen sehen, und es beunruhigte ihn. Gegen rasenden, wütenden Zorn konnte man kämpfen, aber Humor? Nein.
«Ich würde mich niemals darüber lustig machen, was dir geschehen ist, mein liebes Mädchen», erklärte der Earl. Er öffnete die Arme, und Clarice begab sich in seine Umarmung. «Ich habe mir vorgestellt, wie deine Großmutter mit einer entsicherten Pistole in der Hand aussah. Dieser Erpresser Fox hat keine Ahnung, wie nahe dran er war, eine Kugel im Kopf zu
haben.»
Lady Alice stand auf und trat zu ihnen, gestützt auf ihren altvertrauten Spazierstock.
«Ich hatte nicht wirklich vor, den Mann zu töten. Ich wollte ihm nur Flügel verleihen.»
David runzelte die Stirn und lächelte gleichzeitig.
«Ich bin in den letzten Tagen von London nach Norfolk nach Bedford gereist, ohne anzuhalten. Mein Rücken ist steif, und ich muss meine Beine ausstrecken. Meine Damen, entschuldigen Sie uns bitte. Mr. Radley, ein Spaziergang um Ihr Anwesen, wenn Sie nichts dagegen haben», sagte der Earl.
Clarice warf David einen hoffnungsvollen Blick zu.
«Danach erwarte ich, dass Sie mich mit dem Besten bewirten, was Ihre Küche zu bieten hat, und dazu den besten Wein aus Ihrem Keller.»
David nickte. «Ja, natürlich.»
Der Earl strich Clarice einen Kuss auf die Stirn. «Geht es dir gut? Ich habe nicht geschlafen, weil ich mir Sorgen um dich gemacht habe.»
Sie ergriff die Hand ihres Vaters und küsste sie. «Ja, Papa, mir geht es gut. Die Tage auf Langham Hall, bevor Mr. Fox ankam und alles durcheinanderbrachte, haben mir sehr gutgetan. Ich habe einige Zeit mit Mama verbracht, und wir haben uns unterhalten.»
Ihr Vater sah sie fragend an, und David fragte sich, wie viel Clarice ihrem Vater sagen würde, wenn die Zeit gekommen war. Sie hatte Frieden mit ihrer Mutter geschlossen, aber vor allem mit sich selbst. Es zeigte sich sowohl in ihrem Gesicht als auch in ihrer Art. Lady Alice suchte nach einem Taschentuch. Nachdem die Gräfin-Witwe eines gefunden hatte, tupfte sie es gegen ihren Augenwinkel.
David stand der anrührenden Familienszene, die sich vor ihm abspielte, ein wenig ratlos gegenüber. Seine eigene Familie war eine Gruppe von lauten, ausdrucksstarken
Menschen. Solche Emotionen in einer anderen Familie zu sehen, war eine ungewöhnliche Erfahrung.
«Wir sehen uns beim Abendessen. Nun, Radley, wenn Ihr Butler so gut sein würde, mir mein Zimmer zu zeigen, könnte ich meine Reisekleidung ausziehen. Ich werde mich Ihnen in Kürze unten anschließen. Ich bin ziemlich daran interessiert, ein Auge auf diese Herde von Southdowns zu werfen, die ich auf Ihrem unteren Feld gesehen habe», verkündete der Earl.
Er verneigte sich vor den Frauen, bevor er David mit Lady Alice und Clarice allein ließ. David und Clarice tauschten Blicke aus und wussten auch nicht, was sie sagen sollten.
«Also jetzt reicht es aber mit euch beiden. Geben Sie meiner Enkelin einen Kuss, junger Mann, und kämpfen Sie um sie», sagte Lady Alice. Sie marschierte ohne Hilfe aus dem Raum.
Als sich die Tür hinter ihr schloss, kam Clarice schnell zu David und warf ihre Arme um seine Taille, ihr erhobenes Gesicht lud seine Lippen ein. Er neigte den Kopf und gab ihr einen zärtlichen, aber keuschen Kuss. Sie schnaubte, ergriff das Revers seiner Jacke und zog ihn an sich.
«Ein bisschen mehr könnten Sie sich schon bemühen, wenn ich bitten darf, Mr. Radley», flüsterte sie und ahmte den Ton ihres Vaters nach.
Sie öffnete die Lippen, und David eroberte mit seiner Zunge ihren Mund. Als er den Kuss vertiefte, spürte er, wie ihre Hand auf seinen Hintern glitt und ihn ohne Scheu ein wenig drückte. Ihre Brüste, fest an ihn gepresst, ließen seine Gedanken langsam an einen anderen Ort wandern. Als sie in seinen Armen stöhnte, fühlte er, wie er anfing, hart zu werden.
Er zog ihre Hände von sich weg und trat zurück.
«Ich glaube du vergisst, dass ich mich gleich deinem Vater stellen muss. Ich glaube nicht, dass es unsere Sache fördern wird, wenn ich ihm in erregtem Zustand gegenübertrete», sagte er.
Sie lächelte. «Ich dachte nur, du möchtest vielleicht eine kleine Erinnerung an das, was auf dem Spiel steht.»
Er warf ihr einen missbilligenden Blick zu und gab ihr einen Kuss auf die Stirn.
«Hoffen wir, dass diese Audienz erfolgreicher ist als die, die du mit ihm in London hattest.»
David hob die Augenbrauen. Schlimmer jedenfalls konnte sie nicht werden.
«Dort hat er kurzen Prozess mit mir gemacht», antwortete er und zog seine Manschetten glatt.
«Nun, dann hast du ja heute schon mehr erreicht. Er hat dich eingeladen, mit ihm spazieren zu gehen. Nur wenigen Männern wird eine solche Ehre zuteil», sagte Clarice. Der Ausdruck auf ihrem Gesicht zeigte, dass sie nicht scherzte.
Er nickte entschlossen. Unabhängig vom Ergebnis seines Treffens mit Lord Langham würde heute der Tag sein, an dem er Clarice endgültig für sich beanspruchte.
«Nur für den Fall, dass etwas schief geht, solltest du sicherstellen, dass dein Reisekoffer gepackt ist und geeignete Reisekleidung für dich bereit liegt. Wir müssen möglicherweise in Eile nach Schottland fahren, wenn die Antwort deines Vaters Nein lautet. Strathmore Castle ist eine gute Tagesfahrt von Edinburgh entfernt, und wir müssen uns möglicherweise ein paar Wochen dort aufhalten, bis er akzeptiert, dass wir verheiratet sind. Ich möchte, dass du alle deine Sachen bei dir hast, wenn wir zur Grenze fliehen müssen.»
«Viel Glück», sagte Clarice, als David den Salon verließ und nach unten ging, um ihren Vater zu treffen.
«Glück, denke ich, werde ich schon haben. Ich kann nur hoffen, das es kein verdammtes Wunder erfordert», murmelte David, als er die Treppe hinuntereilte.
Die Männer kehrten nicht vor dem Abendessen zurück.
«Drei Stunden. Wie kann man drei Stunden lang Schafe anschauen?», rief Clarice aus. Sie war im Salon und trank zusammen mit Lady Alice einen Sherry vor dem Abendessen, aber weder von ihrem Vater noch von David war etwas zu sehen.
Lady Alice lächelte. «Na immerhin reden
sie miteinander. Wenn dein Vater gewollt hätte, dass du nach Hause zurückkehrst, wäre er schon vor langer Zeit hier aufgetaucht und hätte verlangt, dass wir packen. Denk daran, dass dein Vater, selbst, nachdem er Davids Brief erhalten hatte, zuerst nach Norfolk gereist ist, um sich bei seinem Verwalter zu erkundigen, anstatt direkt nach Sharnbrook zu kommen. Ich denke, dass du Mr. Radley unterschätzt, meine Liebe. Dein Vater dachte offensichtlich, dass du dich in guten Händen befindest.»
Clarice sah ihre Großmutter an. Lady Alice hatte einen wichtigen Punkt angesprochen. Earl Langham benahm sich nicht wie ein Mann, der glaubte, seine Tochter würde einen Pakt mit dem Teufel eingehen. Könnte es wirklich Hoffnung auf eine Zukunft mit David geben?
Sie spielte mit dem schwarzen Onyx-Anhänger, der an der goldenen Kette um ihren Hals hing, und wickelte die Kette um ihre Finger. Sie versuchte nicht mehr, ihre Gefühle für David zu verbergen.
«Du wirst das Ding kaputtmachen, wenn du noch lange damit herumspielst», sagte Lady Alice.
Als sich die Tür des Salons öffnete, sprang Clarice auf die Füße. Ihr Vater betrat den Raum, gefolgt von David, beide elegant gekleidet in voller Abendgarderobe. Sie waren in ein Gespräch über den Wert der Herde und darüber, wie die Rendite von Davids Investition am besten maximiert werden könnte, vertieft.
Lord Langham durchquerte den Raum und begrüßte seine
Mutter mit einem Kuss auf die Hand. Dabei warf Clarice einen erwartungsvollen Blick in Davids Richtung. Er hob eine Hand und lächelte sie leicht an.
Zumindest ist es kein Nein.
«Wie war dein Nachmittag, Papa?», erkundigte sie sich.
Der Earl lächelte. Clarices Eifer zu wissen, wie es mit David weitergehe würde, stand ihr ins Gesicht geschrieben, aber ihr Vater gab nichts preis.
«Gut. Ziemlich anständige Zuchtherde, die Mr. Radley da zusammenstellt, obwohl er, wie ich ihm und
seinem Verwalter mitgeteilt habe, einen zweiten Widder braucht, um sein Zuchtprogramm richtig in Gang zu bringen. Der, für den er leider viel Geld ausgegeben hat, sieht aus wie ein Zwerg. Und um nicht um den heißen Brei herumzureden, man sollte sich keinen Widder anschaffen, der der Aufgabe nicht gewachsen ist.»
Lady Alice brüllte vor Lachen und klatschte in die Hände. «Vollkommen richtig!»
Clarice sah noch einmal zu David, aber seine höfliche Miene war praktisch ins Gesicht geschnitzt. Sein schwarzer Abendanzug war ein Beispiel für Perfektion. Das weiße Leinenhemd glatt gebügelt, die Krawatte makellos gebunden und mit einer goldenen Nadel versehen. Er könnte genauso gut gerade darauf warten, den Ballsaal eines gesellschaftlichen Ereignisses in London betreten zu dürfen, anstatt einem kleinen Dinner in einem Provinzheim beizuwohnen.
Ein überwältigender Stolz auf den Mann, den sie liebte, wuchs in ihrem Herzen. David überließ nichts dem Zufall.
«Sollen wir?», fragte der Graf, als er Lady Alice seinen Arm anbot.
Hinter ihnen lächelte Clarice und nahm Davids Arm.
Das Abendessen war eine angenehme, aber stille Angelegenheit. Lady Alice verwickelte Clarice in ein Gespräch über die Verfügbarkeit guter französischer Spitze, während
die beiden Herren ihre laufende Diskussion über die Viehhaltung fortsetzten.
Irgendwann warf Clarice ihrer Großmutter einen fragenden Blick zu. In London wäre es für Herren nicht akzeptabel gewesen, die Damen auf diese Weise von ihrem Gespräch auszuschließen. Lady Alice antwortete mit einem leichten Kopfschütteln und nahm einen Schluck von ihrem Wein.
Schließlich endete das Essen, und die Herren verabschiedeten sich, um sich zu Zigarren und Portwein zurückzuziehen. Clarice und ihre Großmutter gingen in den Salon.
«Das war ein ausgezeichnetes Essen, aber meine Füße bringen mich um», bemerkte Lady Alice. Sie ließ sich auf einen Stuhl am Kamin fallen und zog die einengenden Pantoffeln aus.
Lady Alice winkte mit der Hand und bedeutete Clarice, sich auf den Stuhl gegenüber zu setzen.
«Mach dir keine Sorgen, meine Liebe, sie werden nicht allzu schnell hierher zurückkehren. Tatsächlich würde ich nicht erwarten, einen von ihnen vor morgen früh zu sehen. Dein Vater erwähnte, als wir zum Abendessen gingen, dass er und David heute Abend irgendwann eine formelle Diskussion führen würden.»
Clarice blinzelte plötzliche Tränen zurück. «Wirklich?»
«Natürlich. Dein Vater hat nicht umsonst den ganzen Nachmittag damit verbracht, sich auf dem Anwesen umzusehen, Clarice. Er hat methodisch untersucht, ob dieser Besitz ein gutes Einkommen zu erzielen in der Lage ist. Ich wäre nicht im geringsten überrascht, wenn er David bitten würde, die Geschäftsbücher vorzulegen.»
Clarice hörte nicht viel von dem, was Lady Alice sagte, nachdem sie das Wort Natürlich
ausgesprochen hatte. Die Tatsache, dass ihr Vater ernsthaft darüber nachdachte, seiner Tochter zu erlauben, David Radley zu heiraten, war alles, was zählte. Sie knetete ihre Hände im Schoß. Dies würde der
längste Abend ihres Lebens sein.
«Clarice?»
«Hmm?»
«Was hast du gemeint, als du gesagt hast, du hättest mit deiner Mutter gesprochen? Bist du zu Elizabeths Grab zurückgekehrt, nachdem wir miteinander gesprochen haben?»
Sie nickte, als Lady Alice ihre Hand ergriff und sie sanft tätschelte.
«Du denkst nicht, dass es dumm ist, mit einem Grabstein zu reden?», fragte sie.
«Nicht, wenn es dir hilft, die Antworten zu finden, die du brauchst. Dein Großvater und ich haben viele lange Gespräche an seinem Grab geführt. Ich wusste, dass sich etwas in dir geändert hatte, noch bevor David ankam. Wie ruhig du in dieser Nacht mit Mr. Fox umgehen konntest, selbst nachdem er dich angegriffen hatte, war etwas, von dem ich nicht glaube, dass du es hättest tun können, bevor du das Tal aufgesucht hast. Hast du deiner Mutter vergeben?»
«Es war eher umgekehrt. Sie musste mir vergeben», antwortete Clarice.
Lady Alice runzelte die Stirn. «Der Tod deiner Mutter war ein Unfall.»
«Ich weiß, aber all die Zeit habe ich mich selbst beschuldigt. Ich war überzeugt, dass ich, weil ich meine Mutter getötet hatte, weder Freunde noch Liebe wert war.»
Lady Alice schloss die Augen. «Wenn wir dir nur hätten helfen können.»
«Nein. Ich musste das selbst tun. Ich musste meine Ängste überwinden.»
Sie kehrte zum Kamin zurück, und Lady Alice umarmte sie. «Ich frage mich, ob dieser junge Mann erkennt, wieviel Glück er hat, dein Herz gewonnen zu haben», sagte Lady Alice.
Clarice lächelte. «Ich weiß es nicht, aber ich wünschte, er würde sich beeilen und Papas Segen erhalten.»