R obin Bukowsky lehnte lässig an der Fensterbank vor meiner Bürotür, wie bei unserer ersten Begegnung.
»Was scheint zur Gewohnheit zu werden?«, fragte ich etwas verwirrt.
»Dass Sie zu spät zu unseren Verabredungen kommen.« Die Journalistin grinste frech und fügte hinzu: »Ich habe Sie schon in Ihrem Büro gesucht.«
»Und? War ich nicht da?«
Sie lachte herzhaft. »Jedenfalls habe ich Sie nicht gesehen.«
»Kaffee?«, fragte ich, nachdem wir mein Büro betreten hatten, und deutete auf meinen neuen Vollkaffeeautomaten, der den Platz seines Vorgängers auf dem alten Aktenbock in der Wandnische eingenommen hatte. Die Journalistin nickte freundlich und setzte sich an den Besprechungstisch. Dann holte sie Aufnahmegerät, Block und Stift aus dem kleinen Lederrucksack und wartete, während ich den Kaffee zubereitete.
Frau Bukowsky hatte mich um ein Insiderinterview gebeten und hoffte auf einige Zitate, die sie in ihrem Buch verwenden konnte.
Sie nippte an ihrer Kaffeetasse und schaltete das Aufnahmegerät ein. »Also dann. Kann es losgehen? Bitte sagen Sie immer ganz spontan, was Sie denken.«
Ganz spontan dachte ich, dass dies keine gute Idee war, und nahm mir vor, meine spontanen Gedanken spontan zu entschärfen. »Schießen Sie los!«
»Immer mehr Frauen treten in den Richterdienst ein. Befürchten Sie eine Verweiblichung der Justiz?«
Was heißt befürchten. Es gibt zu viele männliche Richter ohne Eier, da schaden ein paar Frauen mit Eiern bestimmt nicht.
»Meine Kolleginnen machen ihren Richterjob mindestens ebenso gut wie meine Kollegen, daher halte ich diese Befürchtung für unbegründet.«
Die Journalistin machte eine Notiz.
»Was braucht man als Richter, um in der Justiz Karriere als Direktor oder Präsident zu machen?«
Einen Jahresvorrat an Vaseline und eine Vorliebe für rektale Körperöffnungen.
»Vor allem ein umfassendes Verständnis für das hierarchische Gefüge innerhalb der Gerichtsverwaltung.«
Wieder fanden ein paar Stichworte Einzug in den Collegeblock.
»Gegenwärtig bestehen Bestrebungen, mehr Political Correctness bei der Formulierung von Gesetzen einzubringen. Was halten Sie davon?«
Wie soll ich dann zukünftig Menschen nennen, die Marihuana rauchen? Nicht mehr Kiffer, sondern People of Cannabis? »Political Correctness birgt die Gefahr, dass unsere Sprache, das wichtigste Mittel der Verständigung vor Gericht, unverständlich wird. Viele Gesetze sind bereits jetzt kaum verständlich formuliert. Das sollte nicht zusätzlich verschlimmert werden.«
»Warum sind Sie Richter geworden, Herr Buckmann?«
Das fragte ich mich in den letzten Jahren auch immer öfter. Jugendlicher Leichtsinn? Geistige Umnachtung?
»Aus Idealismus. Ein Idealismus, der trotz der langjährigen Ernüchterung durch die vielen Probleme in der Justiz immer noch irgendwo vorhanden ist.«
»Haben Sie schon mal eine Straftat begangen?«
Witzig, dass Sie das fragen! Ja, einen Mord in mittelbarer Täterschaft an einem örtlichen Drogenchef. Das ist erst ein paar Wochen her.
»Als kleiner Junge habe ich einmal einen Apfel aus dem Garten eines Nachbarn gestohlen.«
Frau Bukowsky schaltete das Aufnahmegerät mit zufriedenem Gesicht aus und steckte es zurück in den Rucksack.
»Das war es schon?«, fragte ich.
Die Journalistin nickte. »Fast. Eine letzte Frage: Haben Sie heute Abend schon was vor?«
Hä?
»Bitte?«
»Ich möchte Sie als Dankeschön zum Abendessen einladen. Sieben Uhr?« Mit einem frechen Grinsen fügte sie hinzu: »Aber dieses Mal bitte pünktlich!«