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W as soll das heißen, die Idee ist gestrichen?« Robin brüllte fast in ihr Smartphone hinein. Ihre Finger schlossen sich so fest um das Handy in ihrer Handfläche, dass die Knöchel weiß wurden und die Adern auf dem Handrücken hervortraten.

»Die Geschichte ist schon sehr reißerisch. Wir sind kein Trash-TV und auch kein Boulevardmagazin«, erwiderte Jessica. Ich stand nahe genug an Robin, um jedes Wort ihrer Studienfreundin zu verstehen.

»Stimmt. Die verdienen ihr Geld selbst und sind nicht auf die GEZ angewiesen«, entgegnete Robin.

»Robin, bitte! Wir haben uns entschieden, in der Sendung nur das Positive und Unterstützende zu betonen. Gerade im Wahlkampf. So ein Bericht könnte dem einen oder anderen Kandidaten sehr schaden«, verteidigte sich Jessica Eisenberg.

»Sag mal, hast du getrunken? Natürlich könnte das einem Kandidaten schaden. Nämlich demjenigen, der zufälligerweise der Vater von Jeremias Laak ist, dem Ministerpräsidenten!«

»Wem auch immer. Wir würden bei allen anderen Kandidaten genauso handeln.«

»Nur haben die Söhne der anderen Kandidaten nun einmal keine Verbindung zu einer Betrügergesellschaft, bedrohen keine Journalisten und lassen sie nicht überfallen!« Robin schäumte vor Wut.

»Das sind doch alles nur Vermutungen. Davon ist nichts bewiesen«, entgegnete Jessica.

»Und es wird auch niemals bewiesen werden, weil die Staatsanwaltschaft kaltgestellt worden ist! Das habe ich dir doch erzählt.«

Jessica antwortete nicht.

»Wer steckt dahinter, Jessica?« Robins Stimme klang plötzlich ganz ruhig, was sie umso bedrohlicher wirken ließ.

»Wie? … Ich weiß nicht … ich meine …«, stotterte Jessica.

»Jessica, ich kenne dich schon ziemlich lange. Also hör auf, mir etwas vorzumachen. Wer steckt dahinter?«

Für etwa zwanzig Sekunden war es still.

»Sagt dir der Name Mahler etwas?«, begann Jessica zögerlich.

»Nein.«

»Das ist der Schwager des Ministerpräsidenten.«

»Und?«

»Er ist einer unserer Direktoren. Aber das hast du nicht von mir.«

Jessica Eisenberg legte auf, ohne ein weiteres Wort zu sagen. Zum ersten Mal, seitdem ich sie kennengelernt hatte, ließ die toughe Frau die Schultern hängen. Dann setzte sie sich an den Küchentisch und stützte den Kopf auf die Hände.

Ich wusste genau, wie sie sich jetzt fühlte, aber nicht, was ich sagen sollte. Also schwieg ich, legte Robin behutsam die Fingerspitzen auf die Schultern und streichelte sie sanft.

Eine Zeit lang saß Robin so da, starrte mit einer Mischung aus Wut und Hilflosigkeit auf den Tisch und sagte nichts. Ich gab ihr die Zeit und blieb hinter ihr stehen, die Hände auf ihre Schultern gelegt. Irgendwann hob sie den Kopf und straffte die Schultern. Dann griff sie nach ihrem Weinglas, stellte fest, dass es leer war, und fragte: »Hast du was Stärkeres da?«

»Nur den Scotch.«

»Bitte!«

Ich ging ins Wohnzimmer, holte Flasche und zwei Gläser, füllte beide großzügig und schob Robin ein Glas rüber.

Robin hob es wie zu einem Trinkspruch hoch, prostete mir zu und stürzte es mit den Worten »Auf das Versagen der Presse« hinunter.

»Das war es, Siggi!«, sagte sie verbittert und tippte mit dem Zeigefinger auf den Rand ihres Glases. Ich füllte nach, etwas sparsamer dieses Mal.

»Weißt du«, setzte sie an. »Ich bin noch damit klargekommen, dass deine Leute korrupt sind …«

»Das sind nicht meine Leute, Robin!«, unterbrach ich sie.

»Ich meine ja nur, dass die Justiz korrupt ist, hat mich wütend gemacht, aber ich bin damit klargekommen. Aber die Presse …«

Robin machte eine Pause und hob ihr Whiskeyglas. Dieses Mal nippte sie nur daran.

»Ich bin Journalistin geworden, weil mich Reporter immer beeindruckt haben. Ihre Unbestechlichkeit. Ihre Courage. Ihr Einfluss auf die Gesellschaft.« Robin trank erneut einen Schluck. »Und mittlerweile sind sie genauso korrupt wie alle anderen.«

»Nicht alle, Robin. Nicht alle«, erwiderte ich.

Die Journalistin schnaubte.

»Es kann doch nicht sein, dass Jeremias Laak so einfach davonkommt. Nur weil er der Sohn des Ministerpräsidenten ist!«

Mit einem Ruck stand Robin auf. Ihre Augen funkelten. Grün und blau.

»Ich muss irgendetwas tun.«

»Was willst du tun?«, fragte ich. Mein nächster Satz rutschte einfach so hervor. Ich bereute ihn in dem Moment, in dem ich ihn ausgesprochen hatte. »Du kannst ihn ja schlecht ermorden.«