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W arum nicht?«

Ich hatte das furchtbarste Déjà-vu meines Lebens. ›Warum was nicht?‹, hatte mein Freund Hauptkommissar Hiller damals entgegnet, als ich ihm dieselbe Frage gestellt hatte. ›Warum kann ich ihn nicht ermorden?‹, hatte ich erwidert. Ich würde dieses Gespräch nie wieder vergessen. Es war der unheilvolle Ursprung, der mich zum Mörder von Ercan Ayaz gemacht hatte.

»Warum kann ich ihn nicht ermorden?«, wiederholte Robin die Frage und sah mich an. Sie sah mich nicht nur an – ihr Blick durchbohrte mich. Sie sah in mich hinein. Ich ließ mir mit der Antwort Zeit. Mein Freund Nick Hiller hatte damals mehr im Spaß erwidert: »Richter morden grundsätzlich nicht. Es ist nicht leicht, einen Menschen zu ermorden. Du würdest ins Gefängnis kommen. Du hättest einen Menschen auf dem Gewissen.« Doch es war mir gelungen, all diese Probleme zu lösen. Alle bis auf eins. Ich hatte einen Menschen auf dem Gewissen. Ich war ein Mörder. Und das würde ich auch bleiben. Bis zum Ende meines Lebens.

»Du wärst ein Mörder«, antwortete ich schließlich.

Robin blickte mich an, erst überrascht, dann amüsiert. Die Antwort schien zu banal, zu simpel, geradezu lächerlich einfach.

Robin grinste: »Ja, schon klar.«

»Ach ja, ist dir das klar?« Ich hatte diesen Satz so laut gesprochen, regelrecht gebrüllt, dass Robin zusammenschreckte und mich mit aufgerissenen Augen anstarrte.

»Ist dir klar, was es heißt, ein Mörder zu sein? Jeden Morgen mit dem Wissen aufzuwachen, einen Menschen getötet zu haben? Jeden Abend mit der Angst ins Bett zu gehen, doch noch gefasst und verurteilt zu werden? Jede Sekunde zu wissen, dass dich diese Schuld bis zu deinem Tod verfolgen wird?«

Robin sah mich lange an. Und ich hielt ihrem Blick stand. Schließlich nickte sie wortlos. Und dann stand sie einfach auf und wandte sich wieder der Paprika zu.

»Ich weiß ja nicht, wie es dir geht, aber ich habe Hunger.«

Den restlichen Abend sprachen wir über uns. Robin erzählte Anekdoten aus ihrer Zeit in Südamerika, fragte nach meinen Töchtern und hörte sich meine alten Geschichten aus dem Gerichtssaal an. Wir vergaßen für ein paar Stunden Jeremias Laak, Staatsanwalt Bemser, Richter Ehrmann und Jessica Eisenberg. Wir vergaßen, dass Robin bedroht worden war. Und wir vergaßen, dass sie weiterhin in Gefahr schwebte.

Etwa gegen Mitternacht beschlossen wir, schlafen zu gehen. Robin verschwand im Bad, und ich richtete die Couch her. Dann wartete ich an der Tür zum Wohnzimmer. Ich musste nicht sehr lange warten. Robin öffnete die Badezimmertür und erschien in ihrem Pyjamaoberteil. Ihrem recht kurzen Pyjamaoberteil. Ich genoss den Anblick, lächelte und machte eine ausladende Geste mit der Hand in Richtung Wohnzimmercouch, so wie ein Pförtner. »Voilà, Madame!« Doch anstatt ins Wohnzimmer zu gehen, verschwand Robin in meinem Schlafzimmer. Etwas irritiert folgte ich ihr. Als ich den Raum betrat, schlug Robin wie selbstverständlich die Decke zurück und klopfte eines der beiden Kopfkissen aus.

»Darf ich erfahren, was du da machst?«, fragte ich aus reiner Neugier.

»Ich gehe ins Bett.«

›Danke‹, dachte ich, ›das erspart mir das Einholen einer zweiten Meinung.‹

»Das sehe ich.«

»Warum fragst du dann?«

»Weil das mein Bett ist. Du schläfst auf der Couch.«

»Siggi. Möchtest du wirklich, dass ich wieder auf der Couch warte, bis du eingeschlafen bist, mich dann zu dir ins Bett schleiche und morgen früh eine Ausrede erfinde, warum ich das getan habe?«

Das war ehrlich. Aber es ging mir alles zu schnell. Einerseits sah Robin zum Anbeißen aus in ihrem viel zu kurzen Pyjama. Anderseits ging mir die Ich-bin-verheiratet-und-sie-könnte-meine-Tochter-sein-Nummer immer noch nicht aus dem Kopf. Also traf ich eine Entscheidung, die Robin vielleicht nicht gefallen würde. Ich sah sie mit festem Blick an und sagte mit energischer Stimme: »Aber das Fenster bleibt offen!«