2 6 538. Das war die Anzahl der Aufrufe des Videos »Jeremias Laak – Handlanger der WIP «. Und das nur dreißig Minuten, nachdem Robin das Video hochgeladen hatte. Jeremias blickte entsetzt auf sein Smartphone, bevor er in seinen Porsche stieg, der jetzt das einzige Auto auf dem Waldparkplatz war. Jeremias ließ den Motor an. Dann trommelte er wütend mit den Fäusten auf das schwarze Leder des Sportlenkrads. »Scheiße«, schrie er so laut, dass einige Vögel aus den nahe gelegenen Bäumen aufstiegen. Jeremias schlug den ersten Gang mit solcher Wucht rein, dass das Getriebe knirschte, und trat aufs Gas. Die Reifen drehten durch, ein paar Kieselsteine schossen von dem Heck des Fahrzeugs weg. Dann fanden die Räder Halt, und Laak raste los.
Auf dem Weg zu seiner Villa klingelte sein Smartphone. Erst einmal. Dann wieder und wieder. Das Display zeigte die unterschiedlichsten Anrufer an. Das Privathandy seines Vaters, die Dienstnummer seines Vaters. Die Nummer des persönlichen Assistenten seines Vaters. Jeremias ignorierte die Versuche seines Erzeugers, ihn zu erreichen. Was er jetzt am wenigsten brauchte, waren Vorwürfe und Beschimpfungen.
Er würde mit Dimitris sprechen. Der Russe würde für ihn die Presseschlampe beseitigen. Und ihren Freund. Und der Russe würde es langsam tun und qualvoll. Jeremias grinste wie ein Irrer bei der Vorstellung, was Dimitris’ Männer mit der Journalistin anstellen würden.
Es war gegen Viertel nach acht, als Laak vor dem Tor seiner Einfahrt hielt. Zum Glück war die Presse noch nicht hier. Für den Rest des Tages würde er sich in seiner Villa verschanzen. Jeremias betätigte die Fernbedienung für das große Eingangstor. Langsam wurde es zurückgefahren. Jeremias sah erneut auf sein vibrierendes Smartphone, das neben ihm in der Mittelkonsole lag, und drückte den siebten Anruf seines Vaters weg. Als er wieder hoch und auf die Einfahrt blickte, stand vor seinem Wagen ein großer, breitschultriger Mann auf dem Kiesweg, der zu seiner Villa führte. Er trug eine dunkle Hose, schwarze Sicherheitsschuhe und eine schwarze Lederjacke. Ein Vollbart zierte das grobschlächtige Gesicht. Der Mann sah ihn an und grinste, wodurch zwei Goldzähne in seinem Oberkiefer sichtbar wurden.
Jeremias war so auf den Riesen fixiert, dass er erschrak, als die Beifahrertür aufgerissen wurde und ein nicht weniger unfreundlich aussehender Mann, der offenbar denselben Schneider bevorzugte wie der Hüne vor seinem Sportwagen, auf dem Sitz neben ihm Platz nahm.
»Hallo, kleiner Mann«, sagte der Fremde. »Dimitris schickt uns. Er hat dein Debüt als Schauspieler verfolgt. Aber deine Rolle gefällt ihm nicht.«
Jeremias spürte, wie sich seine Kehle zuschnürte. Der Schweiß brach ihm aus, und er stand kurz davor, sich in die Hose zu machen.
»Schuld hat diese Presseschlampe. Und der Typ, der bei ihr war! Sag Dimitris …«, begann er mit zitternder Stimme.
»Dimitris will gar nicht mit dir sprechen. Er sagte, du bist lästig geworden«, unterbrach ihn der Fremde kalt.
»Will Dimitris denn gar nicht wissen, wer der Typ war, mit dem ich gesprochen habe?«
Der Fremde zögerte kurz.
»Wir können uns ja ein wenig auf dem Weg unterhalten«, erwiderte er schließlich.
»Auf dem Weg wohin?«, fragte Jeremias mit trockenem Mund.
»Fahr los. Richtung Industrieviertel.«
Hilflos setzte Jeremias den Wagen zurück auf die Straße und fuhr los. Gleichzeitig wurde am gegenüberliegenden Straßenrand ein großer, schwarzer SUV gestartet. Der Hüne ging über die Straße und stieg auf den Beifahrersitz des Geländefahrzeugs.
»Los«, sagte er, und der Fahrer folgte Jeremias Sportwagen. Der Hüne drehte sich um. Auf der Rückbank des SUV lag alles, was sie brauchten. Ein Wagenheber. Ein Klebstofffläschchen. Und ein nagelneues Hanfseil.