Im Jahr 1866 hatte die erste industrielle Revolution die westlichen Staaten der Welt grundlegend verändert. Technik und Wissenschaft florierten, doch weder fuhren Automobile auf den Straßen, noch wusste man, was ein Telefon war, und als der österreichische Forscher und Augustinermönch Gregor Mendel seine neue Erklärung der Vererbungslehre in Versuche über Pflanzen-Hybriden veröffentlichte, blieb der Text weitgehend unbeachtet.
Nicht einmal hundert Jahre später raste 1952 Troy Ruttman mit einem Sechstel der Schallgeschwindigkeit über die Ziellinie des Indianapolis 500-Rennens, war Telefonieren eine Normalität und extrahierte eine US-amerikanische Forschergruppe DNA aus den Hautzellen einer afrikanischen Krallenfroschkaulquappe.
Es war das erste Mal, dass Erbgut auf eine Art vervielfältigt wurde, die bis dahin der Natur allein vorbehalten war. Ein Geschöpf, so klein und schlicht, dass es dem wissenschaftlichen Meilenstein kaum angemessen schien, war der erste künstlich erzeugte Klon in der Geschichte der Erde.
Eine beeindruckende Leistung, aber letztlich doch nur der Anfang einer rasanten Entwicklung der Gentechnik, die vierzig Jahre später zur Geburt des ersten geklonten Säugetiers, dem Schaf Dolly , führen würde.
Bevor Dolly nach sieben Jahren verstarb, hatten Forscherteams weltweit Rhesusaffen, Kühe, Mäuse, Ziegen und Schweine geklont. Die Verfahren waren mittlerweile ausgereift, die Erfolgsquoten gestiegen und der Prozess auch für kleinere Labors beherrschbar.
Ihren Kinderschuhen entwachsen produzieren Gentechnik-Firmen heute Nutztiere mit perfekten Eigenschaften für die Industrie. Am Fließband entstehen Labortiere für medizinische Versuche, aber auch Haustiere für jeden, der sich die 100.000 US-Dollar für eine Kopie seines verstorbenen Lieblings leisten kann.
Schöpfung ist heute eine Frage des Geldbeutels und nicht nur das. Komplette Genome hunderter Spezies sind entschlüsselt und mit Biotechnologien wie der Gen-Schere CRISPR ist es möglich, den genetischen Code einer Art fast beliebig zu verändern.
Es war nicht verwunderlich, dass Genetiker sich immer noch ambitionierteren Zielen zuwandten. So wurde 2003 erstmals ein ausgestorbenes Tier, der Pyrenäensteinbock, zumindest kurzzeitig wiedererweckt und so wie einst am Humangenomprojekt arbeiten in diesem Moment Wissenschaftler an der Entschlüsselung des Genoms des Neandertalers und vieler weiterer Arten. Arten, die vor tausenden Jahren vom Antlitz dieses Planeten verschwanden.
Verschwunden, aber nicht verloren.
Ihre DNA wurde bestens konserviert in den methanhaltigen Permafrostböden Nordamerikas und Sibiriens, wie Funde erhaltener Tierkadaver bezeugen. Manche hunderttausende Jahre alt, so wie der Fuß eines Pferdes aus dem Mittelpleistozän, den Forscher am Yukon in Kanada fanden oder der Unterkiefer eines Eisbären auf Spitzbergen und wer weiß, was noch …
Auf zehn Millionen Quadratkilometer schätzt man dabei allein den permanent gefrorenen Teil dieses geheimnisvollsten Kühlschranks unserer Erde. Eine riesige Fläche und doch hat die Erderwärmung sie in den letzten hundert Jahren bereits um die Größe ganz Mexikos schrumpfen lassen.
Wie viel des genetischen Erbes der Tierwelt so bereits verlorenging, ist nicht zu beziffern und mag auch trivial erscheinen angesichts des aktuellen Massenaussterbens, das der Mensch seit 8.000 Jahren verursacht. Einem Prozess, in dem er so über- wie ohnmächtig erscheint und doch gab es stets Bestrebungen, diesen Vorgang nicht nur aufzuhalten, sondern sogar umzukehren.
Zu den frühesten und von verschiedenen Seiten durchgeführten Versuchen gehört dabei die Rückzüchtung des 1627 ausgestorbenen Auerochsen, dem als Urvater aller Rinder stets eine besondere kulturgeschichtliche Bedeutung für die Menschheit eingeräumt wurde.
Die Mittel der Zeit waren dabei Kreuzung und Selektion zu sogenannten Abbildern, die in besonders geeigneten Gebieten ausgewildert wurden. Unter anderem im nordostpolnischen Białowieża-Urwald oder wie im Fall des Wisents, einem Verwandten des Auerochsen, im Kaukasus-Naturreservat.
Letzteres eine Ansammlung menschenleerer, dicht bewaldeter Bergtäler von der Größe ganz Tokios im Osten des Großen Kaukasus-Gebirges. Einem Gebiet, so urwüchsig und entlegen, dass es kaum jemandem auffiel, als irgendwann ein Teil davon einfach abgesperrt wurde und aus den Karten verschwand.
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