Mit der genauen Skizze der Gartenanlage vor ihrem inneren Auge stiegen sie die restlichen Stufen der Treppe an der Kaimauer hoch und schlichen über einen der gewundenen Gartenwege, der ihnen mit seinen blühenden Sträuchern und kunstvoll zugeschnittenen Hecken am meisten Deckung gewährte, auf den Palast zu. Da der Emir sein herrschaftliches Inseldomizil verlassen hatte, brannten im Garten selbst keine Lampen. Und die von Säulen getragenen Rundbögen der Terrassenfront lagen nur im schwachen Schein von zwei weit voneinander getrennt hängenden Leuchten. Nirgendwo war ein Wachposten zu sehen. Und wenn doch einer Dienst hatte, so musste er es sich wohl irgendwo gemütlich gemacht haben.
Kurz vor den abgerundeten Stufen, die zur Terrassenanlage mit ihrer lang gestreckten Vorhalle hochführten, legte Tarik die beiden Schwerter für Gerolt und Maurice zwischen zwei Jasminsträuchern ab. Dann wagte er sich mit McIvor aus der Deckung.
Mit angehaltenem Atem und wild schlagendem Herzen huschten sie die Stufen hoch. Ihre größte Sorge war, dass man sie jetzt schon bemerkte und es zum Kampf kam, bevor sie eine Chance hatten, auch nur in die Nähe der Kerker im Kellergewölbe zu gelangen. Dann würde ihr Befreiungsversuch vermutlich kläglich scheitern.
Aber kein Zuruf und kein alarmierender Schrei einer misstrauisch gewordenen Wache, die ihren forschenden Blicken verborgen geblieben war, ließ sie zusammenfahren und schreckte Dienerschaft und Leibgardisten auf. Ungehindert erreichten sie eine der Seitentüren, durch die man direkt in jenen Gang gelangte, an dessen Ende ein Vorraum lag, von dem zwei weitere prunkvolle Gänge abzweigten. Von dort aus führte eine Treppe hinunter in das Kerkergewölbe. Auch im spärlich beleuchteten Gang des Seitentraktes begegnete ihnen kein Posten.
Wortlos und nur mit einer knappen Kopfbewegung bedeutete McIvor seinem Gefährten, auf der Kellertreppe voranzugehen. Wenn sie unten auf Wachen stoßen sollten, würde Tarik im ersten Moment noch eher als ein Leibgardist des Emirs durchgehen als ein so rotgesichtiger Klotz wie er, der auch ohne seine Augenklappe nie und nimmer den Anschein arabischer Herkunft erwecken konnte.
Tarik nickte und stieg auf Zehenspitzen die Treppe hinunter. Der gelbliche Schein einer Ölleuchte fiel am Ende des steilen Kellergangs auf die unteren Steinstufen. Und im nächsten Moment hörten sie Geräusche, als rollten Kieselsteine über den Boden, sogleich gefolgt von einem schadenfrohen Auflachen und dem Ausruf »Das nenne ich Pech, mein Freund! Diese Runde geht an mich!«.
Wachen! Mindestens zwei!, schoss es Tarik durch den Kopf. Damit war ein Kampf unvermeidlich. Er hoffte, dass es McIvor und ihm gelang, die Männer zu überraschen und sie ohne viel Kampflärm zu überwältigen.
Die beiden Leibgardisten, die sich im Vorraum die Zeit mit einem Würfelspiel vertrieben, hockten auf dem Boden und kehrten ihren Rücken der Treppe zu. Doch noch bevor Tarik und McIvor die letzten Stufen hinuntergeschlichen waren, hob einer beim Aufnehmen der Würfel den Kopf, bemerkte sie und stand auf.
Sofort blieb McIvor hinter Tarik stehen, damit das Licht der Öllampe nicht auf sein Gesicht fiel. Gleichzeitig hob er die Armbrust und legte den Finger schussbereit um den Abzugsbügel.
»Was wollt ihr?«, rief der Leibgardist verdutzt.
»Wir sind die Ablösung«, antwortete Tarik mürrisch.
Der Mamelucke schöpfte augenblicklich Verdacht, dass etwas faul sein musste. »Das kann nicht sein! Wir sind doch noch keine Stunde hier! Und wer bist du überhaupt? Dein Gesicht habe ich noch nie gesehen.« Seine Hand fuhr instinktiv zum Scimitar.
McIvor zielte mit der Armbrust über die Schulter von Tarik hinweg und drückte ab. Der Pfeil traf den Wächter in die linke Brust und schleuderte ihn mit einem erstickten Aufschrei zu Boden.
Der zweite Leibgardist kam mit einem Satz auf die Beine und riss seinen Krummsäbel aus der Scheide. Doch Tarik hatte noch schneller blankgezogen und stürzte vor, noch bevor der Mann seine Waffe ganz heraus hatte. Er stieß ihm die Klinge in die Kehle und mit einem gurgelnden Geräusch sackte der Wächter in sich zusammen und fiel über die Beine seines niedergestreckten Kameraden. Klirrend schlug der ihm entglittene Krummsäbel auf den Steinplatten auf.
»Das war ein gelungener, schneller Streich, Tarik!«, sagte McIvor mit grimmiger Genugtuung, spannte die Armbrust rasch wieder und legte einen neuen Pfeil in die Abschussrinne.
»Tarik? . . . McIvor? Heilige Muttergottes, seid ihr es wirklich?«, kam da die ungläubige Stimme von Maurice aus einer der hinteren Kerkerzellen.
»Ja, wir hatten leider keine Turkopolen, die wir hätten schicken können, um euch hier herauszuholen«, antwortete Tarik. »Deshalb sind wir nun persönlich gekommen. Ich sehe, ihr habt inzwischen die Gastfreundschaft des Emirs genossen.«
»Gott segne euch für euren Mut! Ich wusste, dass du Himmel und Hölle in Bewegung setzen würdest, um uns zu befreien, Tarik!«, meldete sich nun auch Gerolt. »Rasch! Bringt die Schlüssel! Der Bund hängt am Haken neben der Wassertonne!«
»Hast du das gehört, Heloise? Wir sind gerettet! Die beiden anderen Tempelherren sind gekommen, uns aus unserem Elend zu befreien!«, stieß Beatrice mit zitternder Stimme aus dem hintersten Kerker hervor. »Endlich hat unsere Qual . . .«
»Still! Kein lautes Wort mehr!«, zischte McIvor, während Tarik sein Schwert in die Scheide fahren ließ und nach dem schweren Schlüsselbund griff. Dass sie nicht erst lange die Dietriche ausprobieren mussten, sparte kostbare Zeit. »Wollt Ihr, dass man Euch oben hört und die Wachen Alarm schlagen? Noch ist keiner von uns gerettet!«
Tarik riss das Zwischengitter zum Mittelgang des Kerkertraktes auf, lief zur vorletzten Zelle auf der linken Gangseite, wo Gerolt und Maurice schon am Gitter standen, sperrte die Tür auf und suchte hastig nach dem passenden Schlüssel, um sie von den Fußeisen zu befreien.
Gerolt zeigte ihm, welcher passte. Doch als er sich bückte, entfuhr ihm unwillkürlich ein Laut des Schmerzes, als eine der frisch verschorften Wunden auf dem Rücken aufplatzte.
Nun bemerkte Tarik die langen Blutflecken auf dem Rücken der Gewänder seiner Freunde. »Seid ihr verletzt?«, fragte er besorgt.
»Es geht schon«, wehrte Gerolt schnell ab und öffnete dabei die Fußklammern von Maurice. »Unser Bruder hier hatte eine fabelhafte Idee, wie wir uns aus eigener Kraft befreien könnten. Doch anstelle der Freiheit hat uns das unser Gold und alle Edelsteine gekostet und uns als hübsche Draufgabe noch zwanzig Peitschenhiebe eingebracht.«
»Ja, tisch es ihnen nur brühwarm auf!«, knurrte Maurice und stieß die Eisen von seinen Füßen.
»Das könnt ihr alles später erzählen, wenn wir in Sicherheit sind!«, drängte McIvor und nahm ihnen die Schlüssel ab. »Nehmt schon mal die Krummsäbel der beiden toten Wachen an euch. Richtige Schwerter haben wir im Garten am Fuß der Treppe für euch bereitliegen. Ich hole indessen schon mal die Granvilles aus ihrer Zelle.«
»Der Allmächtige segne Euch!«, flüsterte Beatrice, als der Schotte ihr und ihrer kleinen Schwester Heloise das Zellengitter aufschloss. »Sehr viel länger hätten wir es an diesem grauenvollen Ort auch nicht mehr ausgehalten!«
»Tod und Teufel, wie seht Ihr denn aus?«, stieß McIvor hervor, als er ihren kurzen, hässlich verstümmelten Haarschopf bemerkte. »Wer hat Euch so übel zugerichtet?«
»Der Henker des Emirs!«
»Nichts wie raus hier!«, rief nun Maurice im Vorraum und winkte mit einem der Krummsäbel in der Rechten. »Nun kommt schon!«
»Wartet! Den da müssen wir auch noch befreien«, sagte Gerolt und wies auf den Beduinen, der sich halb aufgerichtet, aber nicht ein Wort von sich gegeben hatte.
Erst jetzt nahmen McIvor und Tarik diesen Gefangenen wahr. »Wer ist das?«, wollte Tarik wissen.
»Ein Beduine namens Dshamal Salehi«, sagte Gerolt. »Der Emir will wohl, dass er in der Zelle elendig zugrunde geht, so wie er ihn durch die Wärter hat behandeln lassen. Wir können ihn nicht zurücklassen, denn das wäre sein sicherer Tod!«
»Wie stellst du dir das vor? Der Mann kann sich bestimmt kaum auf den Beinen halten!«, wandte Maurice ein. »Sollen wir ihn vielleicht aus dem Palast tragen? Wenn es zum Kampf kommt . . .«
Gerolt ließ ihn nicht ausreden. »Der Beduine kommt mit, ob es dir nun gefällt oder nicht!«, beharrte er und nahm McIvor auch schon den Schlüsselbund ab, um die Zelle aufzusperren. »Ein Templer lässt keinen Gefangenen seines Feindes im Kerker zurück, wenn er die Möglichkeit hat, ihn zu befreien! Beatrice und Heloise können ihn stützen, wenn er zu schwach ist, um auf eigenen Beinen zu stehen!«
McIvor hob überrascht die Augenbrauen. Zwischen Gerolt und Maurice schien es mehr als nur diese eine Unstimmigkeit zu geben. Aber um jetzt danach zu fragen, fehlte ihnen die Zeit. »Gerolt hat recht! Wir können ihn unmöglich zurücklassen!«
Der zerlumpte, dreckstarrende Beduine blickte Gerolt mit einem stummen Blick voller Dankbarkeit ins Gesicht, als dieser sich vor ihn kniete, um ihn von seinen Ketten und Fußeisen zu erlösen.
Er versuchte, aus eigener Kraft aufzustehen, doch die Beine versagten ihm den Dienst, wie Maurice vermutet hatte, und er sackte gegen die Kerkerwand.
»Versucht es nicht mit Gewalt! Wir bringen Euch schon heraus! Habt Vertrauen!«, redete Gerolt ihm zu, legte sich seinen rechten Arm um die Schulter und trug den Beduinen, der fast nur noch aus Haut und Knochen bestand, aus der Zelle. Dort übergab er ihn an Beatrice und Heloise. »Sagt, wenn Ihr ihn nicht alleine die Treppe hochtragen könnt. Aber Ihr müsstet es eigentlich schaffen, so abgemagert, wie er ist!«
»Es wird schon gehen«, versicherte die kleine Heloise, noch bevor ihre große Schwester etwas sagen konnte, und packte sofort beherzt zu, wie es ihre Art war. Sie hatte sich auch in der Zeit ihrer Einkerkerung als überaus tapfer und klaglos erwiesen. Dagegen sah man es Beatrice an, dass sie sich überwinden musste, auf so enge Tuchfühlung mit der zerlumpten, stinkenden Gestalt zu gehen. Doch sie tat es und stützte den Beduinen auf der anderen Seite.
Maurice wartete schon mit verkniffener Miene am Fuß der Treppe und reichte Gerolt nun einen der Krummsäbel, die er den toten Wachen abgenommen hatte. »Hoffentlich ist deine Idee mit dem Beduinen nicht noch verhängnisvoller für uns als das, was ich mir ausgedacht hatte!«, raunte er ihm bissig zu. »Diesmal dürfte es ganz sicher unseren Tod bedeuten!«
Gerolt ersparte es sich, ihm darauf zu antworten. Denn Tarik und McIvor schlichen schon die Treppe hoch, und sie mussten sich beeilen, um den Anschluss nicht zu verlieren. Hinter ihnen mühten sich Beatrice und Heloise mit Dshamal Salehi ab, aber sie machten ihre Sache gut. Die Angst, die ihnen im Nacken saß, trieb sie die steile Treppe hoch.
Oben angelangt, wollten Tarik und McIvor schon nach rechts in den Gang laufen, als Gerolt hinter ihnen leise rief: »Nicht da entlang! Wir müssen erst noch unsere geweihten Schwerter holen! Wir wissen, wo sie hängen! Das müssen wir einfach riskieren!«
»Ja, die lassen wir dem verfluchten Emir nicht als Beute!«, stimmte Maurice ihm zu.
Augenblicklich kehrten die beiden Männer zu ihnen zurück. Wieder in den Besitz ihrer Gralsschwerter zu gelangen, erschien auch ihnen ein vertretbares, zusätzliches Risiko wert zu sein.
Maurice und Gerolt führten sie in einen der beiden anderen Gänge, der sie zu dem großen Vorraum brachte, von dem aus man in das Prunkzimmer des Emirs gelangte. Erst hier stießen sie wieder auf zwei Wachen, die sich über etwas stritten und die nahende Gefahr viel zu spät bemerkten. Und wieder war es McIvor, der mit einem Pfeil seiner Armbrust einen davon niederstreckte, noch bevor der Mann zu seiner Waffe greifen konnte.
Der zweite Wachposten schaffte es zwar noch, sich ihnen mit blanker Klinge entgegenzustellen. Doch blieb ihm der Schrei in der Kehle stecken, mit dem er seine Kameraden in anderen Teilen der Palastanlage noch hätte alarmieren können.
Tarik schlug die aufblitzende Klinge des Krummsäbels zur Seite, begleitet von einem lauten Klirren der aufeinandertreffenden Waffen, und Maurice sprang sofort vor, um ihn auch schon mit einem Hieb zu fällen.
»Wie sehr habe ich darauf gewartet, für all das Vergeltung zu üben, was sie mit uns gemacht haben!«, stieß Maurice grimmig hervor, ließ den Scimitar fallen und stürzte auch schon in den großen Raum, in dem der Emir seine besonderen Beutestücke aufbewahrte. Seine Ordensbrüder folgten ihm auf den Fersen und griffen nach den geweihten Gralsschwertern und den dazugehörigen Schwertgehängen. Jeder wusste, welches ihm gehörte, wich doch bei jeder Waffe, die kunstvolle Wickelung des Griffstücks ein wenig von den anderen ab.
Gerolt drückte einen Kuss auf die Damaszenerklinge seiner Waffe und seine Gefährten taten es ihm gleich. Das kostbare Schwert wieder in den Händen zu halten, das Abbé Villard ihnen im unterirdischen Heiligtum bei ihrer Aufnahme in die geheime Bruderschaft der Gralshüter anvertraut hatte, stärkte in ihm die Kraft und die Zuversicht, gemeinsam mit seinen Ordensbrüdern jeder Gefahr ins Auge sehen zu können. Und er wusste, dass seine Gefährten in diesem bewegenden Moment nicht anders empfanden.
»Jetzt wird es aber allerhöchste Zeit, dass wir aus dem Palast kommen!«, trieb Tarik seine Freunde zur Eile an. »Allmählich wird mir das Glück, das wir haben, unheimlich! Wir sollten es wirklich nicht länger auf die Probe stellen! Jemand könnte das Klirren der aufeinandertreffenden Klingen gehört haben!«
Niemand widersprach und in großer Hast kehrten sie auf dem Weg zurück, den sie gekommen waren. Diesmal nahmen sie die beiden Granville-Schwestern, die den entkräfteten Beduinen mehr trugen als stützten, in ihre Mitte. Tarik und McIvor eilten vorweg, während Gerolt mit Maurice die Nachhut bildete.
Gerade hatten sie die Seitentür der Terrasse erreicht, als hinter ihnen im Haus Türen schlugen und Rufe laut wurden.
»Jetzt gebt Fersengeld und lauft, was ihr könnt! Gleich wird hier die Hölle los sein!«, stieß Tarik hervor. Und während sie nun so schnell durch den Garten zur uferseitigen Palastmauer rannten, wie Beatrice und Heloise mit dem Beduinen zu folgen vermochten, rief er Gerolt und Maurice zu, dass sie auf der anderen Seite auf vier hoffentlich betrunkene Wachen stoßen würden und dass dort auch ein Nilsegler für ihre Flucht vertäut lag.
»Was? Ihr haltet einen richtigen Segler bereit?«, rief Maurice staunend.
»Wir wissen doch, was wir einem Edelmann wie dir schuldig sind! Und Mietsänften waren auf die Schnelle leider nicht zu bekommen!«, rief Tarik spöttisch zurück.
Die Rufe im Palast wurden zu gellenden Alarmschreien, als sie das schmale Bohlentor erreichten. Während McIvor die Tür aufstieß und wie ein schwertschwingender Derwisch über die völlig überrumpelten und berauschten Wachen auf dem Kai herfiel, durchtrennte Tarik die dicken Taue über den Trommeln der beiden Seilwinden, mit denen das Wassertor aufgezogen und geschlossen wurde.
Das Gefecht auf dem Kai war kurz und blutig. Und es wurde von dem entsetzten Geschrei der drei Tänzerinnen begleitet, die nun auch um ihr Leben fürchteten. Tarik warf einer von ihnen einen Geldbeutel mit ihrem restlichen Lohn zu und dankte ihnen mit knappen Worten. Als Maslama sich mit seinen beiden Kumpanen auf die Fachit retten wollte, trat er ihnen mit seinem Schwert entgegen.
»Auf dieser Fahrt seid ihr leider nicht willkommen! Denn hier trennen sich unsere Wege!«, teilte er ihnen mit, während McIvor schon die mit Naphta gefüllten Krüge vom Segler auf den Kai schleppte und Gerolt ihm die Strohbündel zuwarf, damit er sie vor der Tür aufschichtete und mit der gefährlichen Flüssigkeit übergießen konnte. Zur selben Zeit trugen Beatrice und Heloise den Beduinen auf das Deck des Seglers. »Ihr könnt zusammen mit den Tänzerinnen das Ruderboot nehmen! Es dürfte zwar etwas eng für euch alle werden, aber wenn ihr Ruhe bewahrt, wird es euch sicher bis zum Hafen bringen!«
Der Albino stimmte ein rechtes Geheul an und schleuderte ihm Verwünschungen entgegen. Doch Maslama war klug genug, sich zu fügen und keine Zeit zu verlieren. Sie mussten so schnell wie möglich von hier weg, wenn es sie nicht den Kopf kosten sollte. Und deshalb beeilte er sich, dass er die Leine zu fassen bekam und sie mit seinem Messer vom Heck der Fachit trennte.
Inzwischen kehrte McIvor mit einem der Tonbehälter, in dem noch ein wenig Naphta schwappte, zu Tarik zurück, der schon den Bogen und den Köcher mit den vier Pfeilen bereithielt. Neben sich hatte er ein Öllicht stehen. Schnell, aber doch umsichtig tunkte Tarik die stoffumwickelten Pfeilspitzen in das Naphta, setzte sie an der offenen Flamme in Brand und schoss sie in rascher Folge im hohen Bogen über die Mauer auf den Palast. Viel Schaden würden die Brandpfeile kaum anrichten, aber die Bediensteten des Emirs doch einige Zeit mit Löscharbeiten in Atem halten und so ihre Verfolgung hinauszögern.
Als der letzte brennende Pfeil von der Sehne geschnellt war, ließ Tarik den Bogen fallen und lief ans Ruder, während McIvor die Öllampe ergriff und sie auf die mit Naphta getränkten Strohballen vor dem Tor schleuderte. Eine gewaltige Stichflamme schoss empor und leckte nach den Bohlen des Tors und dem umliegenden Mauerwerk.
Gerolt und Maurice hatten in der Zwischenzeit schon Heck- und Bugleine von den Pfählen gelöst. Auf Tariks Zuruf hin warfen sie die Leinen an Deck, stießen den Bug der Fachit von der Kaimauer ab und retteten sich mit einem schnellen Sprung auf die Djerma, die von der Strömung sofort erfasst und flussabwärts gezogen wurde.
McIvor hielt derweil schon das Seil des Lateinersegels in seinen Pranken und zog es mit kräftigen Zügen am Mast hoch. Es füllte sich sogleich mit Wind und unter dem Druck legte sich die Fachit leicht nach Backbord auf die Seite, während Tarik sie hinaus auf die Strommitte steuerte. Das lodernde Feuer vor der Mauer und auf dem Dach des Palastes fiel hinter ihnen zurück und verkümmerte rasch zu einem fernen, unruhigen Flackern in der Nacht.
Tarik schickte ein kurzes Dankgebet zu den Sternen, die über ihnen funkelten. Gerolt, Maurice, Beatrice, Heloise und dieser Beduine waren befreit und der erste Teil ihrer Flucht gelungen. Aber noch war nicht die Zeit für großen Jubel gekommen, umschloss sie doch noch immer das mächtige Reich der Mamelucken in allen Himmelsrichtungen. Ihre endgültige Freiheit und das Wissen, dass dem Heiligen Gral keine Gefahr mehr drohte, lagen noch viele Tagesreisen entfernt!