Alex
Mir dreht sich der Kopf, als ich endlich in Pittsburgh ankomme. Mein Zehn-Minuten-Nickerchen im Greyhound-Bus war ein Tropfen auf dem heißen Stein und hat null dazu beigetragen, meinen Körper wieder auf Vordermann zu bringen. Aber tja, wer braucht schon Schlaf, wenn man sieben volle Stunden lang aus dem Fenster starren und jede Entscheidung bereuen kann, die man je in seinem Leben getroffen hat?
Sosehr ich mir auch das Hirn nach einer Lösung zermartert habe … Fehlanzeige.
Sie kennt mich einfach. Alles, was ich vor ihr zu verbergen glaubte. Alles, was ich vor mir selbst verborgen habe. Und sie liebt mich tatsächlich.
Das ist mir vorher noch nie passiert.
Und genau deshalb will ich auch mit ihr zusammen sein. So richtig. Statt immer nur wegzulaufen und sie einfach sitzen zu lassen, wie mein Vater es gemacht hat. Statt sie auf Abstand zu halten, bis sich die Sache im Sand verläuft, wie bei meinen übrigen Beziehungen.
Bei Pretty Games , dem Cereal-Killers-Song, der ihnen vor ein paar Monaten den Vertrag bei einem Indie-Label verschafft hat, drücke ich auf Pause und schaue zum x-ten Mal auf mein Handy, auf dem immer noch keine Antwort auf meine Nachricht vor Abfahrt des Busses eingegangen ist: Können wir reden? Kein Anruf. Nicht mal meine Insta-Storys hat sie angeschaut.
Diesmal hab ich’s echt versaut. So lange hat sie mich noch nie ignoriert.
Das ist viel schlimmer als unsere anderen kleinen Kräche wegen meiner Flirterei oder meinem »Dichtmachen« oder was eben morgens so an Nachrichten auf meinem Handy war.
Also … was sie da gestern Abend gesagt hat. Was ich gesagt habe. Als hätten mir gleich zehn Mädchen während meiner Schicht im Tilted Rabbit ihre Nummer aufgedrängt.
Frustriert werfe ich einen weiteren Blick auf Google Maps. Noch zwei Haltestellen und dann kann ich aus diesem schwankenden Reisebus steigen, in dem mir ein seltsam gemusterter Sitzbezug die Schenkel aufreibt. Ich rutsche vor, um aus dem Fenster zu spähen, und sehe in der Ferne ein gewaltiges Gebäude, dessen grauer Stein in der hellen Nachmittagssonne beinahe schon strahlt.
Die »Kathedrale des Lernens«, das vierundvierzig Stockwerke hohe Herzstück des Unigeländes der Pitt.
Ich bin tatsächlich hier. Studentin, ganz offiziell. Eine Sekunde lang scheint Natalie nicht so wichtig.
Mir ist, als ob ich zum ersten Mal in meinem Leben richtig Luft bekäme.
Ich kann es nicht fassen, dass ich es geschafft habe. Ich kann es nicht fassen, dass ich es tatsächlich geschafft habe. Ich bin entkommen.
Genau das wollte ich. Herausfinden, ob es für mich noch etwas anderes gibt, als mich ständig nur abzustrampeln. Mich endlich mal nur um mich selbst sorgen.
Also … meistens jedenfalls.
Instinktiv blicke ich auf mein Handy, wo meine Mutter immer noch nicht auf die Nachrichten reagiert hat, die ich ihr während der Fahrt geschickt habe. An sich nichts Besonderes. Aber mir wird flau im Magen, weil ich jetzt nicht schnell nach Hause rennen und schauen kann, ob sie noch atmet.
Der Bus bremst ruckartig ab und ich stecke mein Handy ein, schnappe mir meinen Kram und stolpere den Gang hinunter. Mit einem Dank an den Fahrer steige ich an der Atwood Street aus, von wo aus es angeblich nur noch vier Querstraßen bis zu meiner neuen Wohnung sind, die ich über die Kleinanzeigen gefunden habe, und sehe mich in der grellen Sonne um.
Hier ist alles so anders als in Philadelphia. So winzig. Mir ist schon klar, dass das nicht die Innenstadt von Pittsburgh ist, aber … das wird schon etwas Gewöhnung brauchen. Von den Gebäuden über die Anzahl der Fußgänger auf den Gehsteigen bis zu den Läden entlang der Straße wirkt alles, als hätte sich wer mein Zuhause geschnappt und die Hälfte davon gekappt. Und dann noch zehnmal halbiert.
Ich folge Google Maps bis zur nächsten Kreuzung, vorbei an einem Starbucks, einem Drogeriemarkt und einem mexikanischen Lebensmittelladen, und schrecke beim Anblick meines Spiegelbilds in einer Fensterscheibe zusammen. Ich sehe aus, als wäre ich nicht mit dem Bus gefahren, sondern unter ihn geraten.
Mein blondes Haar ist in einen Knoten geknautscht, aus dem sich lauter feine Strähnen gelöst haben. Mein T-Shirt ist so zerknittert, als hätte ich es ein ganzes Jahr im Trockner gelassen. Mein sonst so gleichmäßiger Eyeliner ist seltsamerweise vom rechten Auge völlig verschwunden, aber am linken noch intakt. Wie kann das bitte sein? Rasch ziehe ich das Haargummi ab, kämme mich mit den Fingern und reibe mir die Eyelinerreste vom Auge, bis die Ampel vor mir auf Grün springt.
Mein Handy surrt und in der Hoffnung auf eine Antwort von Natalie rupfe ich es so schnell heraus, dass es mir beinahe auf die Straße fällt.
Aber es ist meine Mutter. Sie hat sich doch tatsächlich auf eine meiner Nachrichten gemeldet.
Angekommen?
Sofort verschwindet die leichte Übelkeit, werden Haare und Eyeliner unwichtig. Eine Nacht ist überstanden. An der überquellenden Mülltonne an der Ecke halte ich an, weil ich eine knallrote Tür entdecke, an der in rostigem Silber die Nummer 530 hängt. Dasselbe Gebäude, das auch in der STUDENTIN AN DER PITT SUCHT MITBEWOHNERIN -Anzeige vor einem Monat hochgeladen war.
Das Bild war, wie’s scheint, sehr auf die Schokoladenseite konzentriert.
Meine neue Mitbewohnerin, Heather Larkin, hat offensichtlich eine Variante eines Snapchatfilters verwendet, um die Poren und Augenringe des Gebäudes zu kaschieren, die sich jetzt ungeschönt offenbaren, in Form von blätternder Farbe und bröckelndem Gemäuer.
Aber zu Hause bei mir sah es auch nicht viel besser aus, also was soll’s.
Ich schreibe zurück: Jupp. Eben gerade , trete näher an das uralte Klingelschild und drücke den Knopf, der hoffentlich zu Apartment 3 A gehört, ohne dabei die offenen Elektrodrähte zu berühren. Ein langes Schrillen und ein statisches Rauschen, dann eine gedämpfte, aber fröhliche Stimme aus dem Lautsprecher: »Komm gleich runter!«
Ich fahre mir ein paarmal durch die Haare und versuche noch etwas Eyeliner abzuwischen und mir ein Lächeln ins Gesicht zu kleben, bevor die Tür aufgeht. Erleichtert sehe ich die lockige Heather Larkin vor mir stehen, der ich präventiv auf den sozialen Medien nachgespürt habe, und keinen Axtmörder.
»Hi«, sagt sie und streckt mir die Hand entgegen. »Du bist sicher Alex.«
»Ja! Heather, oder? Freut mich!« Ich schüttle ihr die Hand und nicke in Richtung ihrer sorgfältig manikürten Hände. »Ich mag deine Fingernägel!«
Sie lächelt mir dankbar zu und ich folge ihr hinein. Für zwei Leute ist es ganz schön eng in der Diele. Der gepunktete Teppich ist abgewetzt, die Briefkästen quellen über, aber … es riecht weder nach Katzenpisse noch nach Müll. Das ist doch schon mal was.
Außerdem habe ich ohnehin nichts anderes gefunden, das möbliert war und weniger als 500 Dollar Monatsmiete kostete – wesentlich billiger als ein Studentenwohnheim und die einzige Möglichkeit, mir die Uni und die ganzen überteuerten naturwissenschaftlichen Lehrbücher in »Spezialausgaben« leisten zu können.
Wir steigen hinauf in den zweiten Stock und Heather redet in einem fort, während ich meinerseits auf der zweiten Treppe versuche nicht mit meinem riesigen Koffer zu kollabieren.
»Erstes Semester für dich, oder? Schon aufgeregt?«
»Ja, glaub schon«, keuche ich und winde mich hinter ihr das Treppenhaus hinauf.
»Warum hast du dich für diese Uni entschieden?«
»Gut fürs medizinische Vorstudium. Und ich bekomm Unterstützung, weil’s noch der gleiche Bundesstaat ist.« Habe ich denn lauter Wackersteine eingepackt? Herrgott. »Aber immer noch ausreichend weit weg, dass es sich anfühlt wie ein anderes Bundesland«, ergänze ich und wuchte mir den Koffer auf die Schulter. Damit habe ich Natalies Rat befolgt und mich einen Hauch offener gezeigt, als ich es normalerweise tue.
»Mädel, das verstehe ich nur zu gut.« Heather dreht sich zu mir und verdreht die Augen, bevor sie vor einer verschrammten weißen Tür stehen bleibt. »Ich wollte eigentlich nach Colorado, aber …« Sie spricht nicht weiter, reibt nur ihren Daumen gegen Mittel- und Zeigefinger.
Geld. Alles klar.
Sie schließt auf und geht hinein. »Aber die Pitt ist gut. Wird dir gefallen. Mein Freund, Jackson, hat hierher gewechselt und ihm gefällt’s hier tausendmal besser als an der Penn State. Das will was heißen.«
Sie lächelt mir beim Eintreten zu und ich lächle erleichtert zurück.
Die Wohnung ist überraschend schön. Die Dielen sind etwas abgetreten und verkratzt, und oben an den weißen Deckenfliesen ist ein bedrohlich wirkender brauner Fleck, aus dem es bis Semesterende vermutlich heraustropfen wird, doch Heather und ihre gerade mit dem Rucksack durch Europa tourende Mitbewohnerin haben es sich hier wirklich heimelig gemacht.
Da steht ein gemütlich aussehendes graues Sofa, ein Ikea-Couchtisch und es gibt hübsche Lichterketten, die von der Zimmerdecke und den großen Fenstern baumeln. An den Wänden hängen Bilder, einige der üblichen Zitate in Kalligrafie, Fotos mit Stadtansichten und der Kathedrale des Lernens und Heather inmitten einer großen Freundesgruppe.
Vielleicht, ganz vielleicht wird das was.
»Dein Zimmer ist gleich hinterm Bad«, sagt Heather und weist auf eine Tür am Ende eines schmalen Flurs.
Kaum bin ich an der Küchenzeile vorbei in den Flur getreten, als die Badezimmertür auffliegt und ich voll in einen immer noch nassen, äußerst unbekleideten, äußerst behaarten Typen renne, der nichts trägt als ein kleines weißes Handtuch.
Ein deutlich zu kleines weißes Handtuch.
Das kann ich mit Bestimmtheit sagen, denn als wir beide zu Boden gehen, bedeckt es noch nicht mal einen Bruchteil seines Sacks. Ich kann sein komplettes Geschlechtsteil auf meinem Bein spüren, wie damals bei meinem ersten Schulball, wo Matt Paloma sich an mir gerieben hat, als gäbe es kein Morgen.
»Oh Gott«, stöhne ich entsetzt, als unsere Blicke sich treffen. Ich sehe, wie er mir ins Gesicht starrt, genau wie ich es im Laufe der Jahre Hunderte Male erlebt habe. Dieser Blick, den ich abkriege, seit ich in der Siebten in die Pubertät gekommen bin.
Ich schneide eine Grimasse, weiche zurück, als wir uns beide aufrappeln, und da … als sei die ganze Situation nicht schon schlimm genug, sehe ich es.
Er hat einen Ständer.
Er versucht ihn hinter seinem Winzhandtuch zu verstecken, aber es bringt nichts.
»Willst du mich verarschen, Jackson? Dein Ernst?«, sagt Heather und schiebt sich an mir vorbei, um ihn am Arm zu packen. Jackson. Ihr Freund.
Ich drücke mich mit dem Rücken an die Wand, um ihnen Platz zu machen. Sie schleift ihn durch die Wohnung und kurz bevor sie die Tür zu ihrem Zimmer zuknallt, funkelt sie mich an. Mich! Als wäre sein Ständer irgendwie meine Verantwortung.
Na toll.
Ich lehne den Kopf gegen die Wand und atme tief aus. Das war’s dann wohl mit der Freundschaft. Grandioser Einstieg ins Unileben.
Ich schiebe mich durch die Tür am Ende des Flurs und sehe mich im Zimmer um. Ein kleiner Schreibtisch. Ein winziger Schrank. Eine blaue Doppelmatratze neben einem Fenster ohne Vorhänge.
Ich lasse meinen Kram fallen und breche darauf zusammen, reibe mir das Gesicht.
Ich glaub es einfach nicht. Jahrelang hab ich davon geträumt, endlich wegzukommen, aber jetzt … wünsche ich mir nur, wieder in Philly zu sein. Ich wünsche mir, ich wäre wieder bei Natalie, in ihrer Wohnung, wo ich zum x-ten Mal New Girl anschaue, während sie Gitarre spielt und wie immer für ihren nächsten Auftritt probt, während man jenseits der Tür ihre Mitbewohner hört.
Natalie.
Ich ziehe mein Handy aus der Tasche und setze mich auf, tippe auf ihren Kontakt. Unentschlossen schwebt mein Finger über dem Anrufzeichen, gelähmt vor Angst, meine Entschuldigung könnte abgelehnt werden.
»Komm schon, Alex«, flüstere ich. »Genau deshalb ist es überhaupt so weit gekommen.« Ich zwinge mich ihre Nummer zu drücken und halte den Atem an, während es läutet und läutet.
Gerade will ich aufgeben, da hebt sie ab.
»Hi.«
»Hey!«, schreie ich schon beinahe, so erleichtert bin ich, dass sie dran ist und nicht nur ihre Voicemail. »Wie geht’s dir?«
»Gut.«
Knapp. Pampig. Aber … sie antwortet. Das heißt, wir haben die Ignorierphase ihrer Wut auf mich vielleicht schon hinter uns.
Das heißt, ich habe eine Chance.
»Was machst du heute Abend?«, schinde ich etwas Zeit und denke an all das, was wir sonst an Samstagabenden unternommen haben, wenn ich nicht arbeiten musste und sie nicht auftrat. Im Plattenladen stöbern. Auf einer Decke im Park lesen. Bei ihr daheim einen Film schauen.
»Ich geh was essen bei Steggy’s.«
»Oh.« Sehnsucht packt mich. Was gäbe ich drum, mit ihr in dieser schmuddeligen Butze zu sitzen und mich durch einen Riesenberg Nachos zu kämpfen, die es dort für sieben Ocken gibt.
Schwer sich vorzustellen, wie sie dort ohne mich sitzt, und ich … kann nur staunen, wie viel es mir ausmacht. Sofort hab ich die Guacamole vor Augen, die am Ende auf ihrem Teller übrig bleiben wird. Die Guacamole, die ich immer gegen meine Jalapeños getauscht habe. Unsere Unterhaltungen über ihre Band und wie es mit ihrem nächsten Album läuft. Wie sie immer unter dem Tisch meine Hand gehalten hat, während wir aufs Essen gewartet haben. Und dass es ihr nichts ausgemacht hat, wenn ich früher losmusste, um nach meiner Mom zu schauen.
»Wolltest du noch was Bestimmtes, Alex, oder …«
»Nat, ich …« Ich kämpfe um Worte. Komm schon, Alex. »Ich … du fehlst mir.«
Sie schnaubt, und ich kann praktisch sehen, wie sie den Kopf schüttelt. »Ich dachte, ich weiß einen Scheißdreck über dich.«
Autsch. Nicht mein glorreichster Moment.
»So hab ich das nicht gemeint. Ich hab nur …«
»Alex, wir wissen beide, dass du nicht anrufst, weil ich dir fehle. Du rufst an, weil du sonst niemanden hast.«
»Das stimmt nicht. Ich meine … es stimmt schon, dass ich sonst niemanden habe – da hast du recht –, aber ich will auch niemand anderen. Seit ich aus deiner Wohnung gerannt bin, hab ich ununterbrochen an dich gedacht. An uns«, sage ich im Versuch, all die Gedanken, die ich mir während der Busreise gemacht habe, miteinander zu verknüpfen, mit ihr über meine Gefühle zu sprechen, so schwer es mir auch fällt. »Hör mal, ich … ich entschuldige mich dafür, was passiert ist. Es tut mir leid, dass ich dich weggeschubst und mich aus dem Staub gemacht habe, sobald du mir nahe sein wolltest, wie damals, als ich dich einfach geghostet habe. Es tut mir leid, dass ich, als du ›Ich liebe dich‹ gesagt hast und wolltest, dass ich ehrlich zu dir bin, einfach nur das Thema gewechselt und innerlich dichtgemacht habe.« Ich hole tief Luft. »Aber ich will mich nicht aus dem Staub machen, Natalie, diesmal nicht. Nicht mit dir.«
Am anderen Ende herrscht Schweigen. Ich nehme das Handy vom Ohr weg. Hat sie einfach aufgelegt?
»Es ist mir ernst«, sagt sie schließlich. »Es ist mir wirklich ernst, Alex. Ich liebe dich, aber … ich trau dir nicht. Ich kann dir nicht trauen. Erst recht nicht, wenn du mich dauernd auf Abstand hältst.« Sie schnaubt. »Ganz zu schweigen davon, dass Megan mir erzählt hat, du hättest sie gestern angerufen, nachdem du mich verlassen hattest. Ich hab sie heute Morgen im Diner getroffen.«
Verdammte Megan.
»So war das doch nicht! Ich hab sie angerufen, weil ich nirgendwo schlafen konnte.« Ich springe auf und tigere durch das Zimmer, hin und her. »Natalie! Komm schon. Lass mich dir beweisen, dass ich mich ändern kann. Lass mich dir beweisen, dass du mir trauen kannst. Ich will, dass das mit uns auch als Fernbeziehung klappt. Wirklich.«
Das, was ich ihr gestern Abend nicht mehr sagen konnte.
»Ich weiß nicht. Du bist ja nicht hier. Wie soll ich denn wissen, was du überhaupt so treibst? Wenn du noch nicht mal ein ›Ich liebe dich‹ über die Lippen bringst, was hält dich dann vom Fremdgehen ab? Genau deshalb wollte ich doch auch, dass du mit mir auf Tour gehst.« Sie atmet tief durch und sagt mit fragendem Unterton: »Wir fahren erst morgen los.«
Ich drücke die Augen zu und fahre mir durchs Haar. Blicke mich in dem fremden Zimmer um, da ist mein Koffer neben der Tür, meine neue Mitbewohnerin, die mich jetzt schon hasst. Meine Mutter in Philly, die ich wahrscheinlich nie sich selbst hätte überlassen dürfen.
Aber … ich schaffe es nicht. Ich will nicht gehen. Das ist meine Chance, mein Leben zu ändern, und die darf ich mir nicht entgehen lassen.
»Natalie, ich tue alles«, sage ich. »Alles, nur das nicht.«
Einen Moment schweigt sie, dann atmet sie entnervt aus. »Hör mal. Ich wollte dich eigentlich überraschen, bevor das alles hier passiert ist, aber … am dreißigsten September treten wir in Pittsburgh auf.« Mein Herz macht einen Satz. »Also, da wirst du wahrscheinlich schon vier Freundinnen verschlissen haben, aber falls nicht, dann können wir vielleicht noch mal reden.« Sie hält inne. »Wirklich reden. Darüber, wie es dir geht. Was du wirklich willst und wie wir das auf die Entfernung gebacken kriegen können.«
Ja. Damit kann ich arbeiten. Das kriege ich hin.
»Natalie. Ich will keine andere. Ich werde nicht mit jemand anderem zusammen sein«, versichere ich ihr. »Ich will nur dich. Wirklich. Okay?«
»Tja, man wird’s sehen, was?« Sie macht eine Kunstpause. »Ich hoffe, du beweist mir, dass ich falschliege.«
»Werde ich«, sage ich und lächele erleichtert in mich hinein.
Herausforderungen haben mich schon immer gereizt.