Von Milandis Beziehung zu Lucy Davis und deren Aufnahme in den exklusiven Zirkel von Nissos gingen sie zur Mordnacht über. Milandi nahm die Gästeliste, die sie den beiden Polizisten bereits ausgehändigt hatte, fügte ihr zwei Namen hinzu und machte ein Sternchen neben einen davon. Diese Glyphe hinter acht der fünfzehn Namen bedeutete, dass die fragliche Person noch auf der Party gewesen war, als die Leiche entdeckt wurde.

Als Markou den Zettel zu sich heranzog, sah er, dass auf der ganzen Liste nur vier griechische Namen standen.

Nissos’ Schickeria akzeptiert nicht allzu viele Einheimische in ihren Kreisen, dachte er.

Neben seinem Namen und dem seines Cousins Mike standen dort noch die Namen Timos Karas – kein Sternchen dahinter – und Gerasimos Tsokas – mit Sternchen. Letzterer war der Organisator eines Filmfestivals, mit dem Lucy Davis laut Milandi in der Mordnacht zum ersten Mal gesprochen hatte.

»Karas und Lucy waren befreundet«, fügte Milandi hinzu. Hinter die Namen der Personen, die das Mordopfer gut gekannt hatten, setzte Markou ein Häkchen.

Bei elf der insgesamt fünfzehn Gäste ging die Bekanntschaft über ein kurzes »Hallo« hinaus. Davon waren sechs gegangen, bevor Sophie die Leiche entdeckt hatte, womit auf der Party noch fünf Personen waren, die Lucy Davis gut gekannt hatten. Seinen Cousin Mike schloss Markou aus dem

Mit seiner Standardfrage an Mariama Milandi, ob ihr irgendetwas aufgefallen sei, kamen sie wieder auf die Party zu sprechen. »Gab es irgendwelche Spannungen zwischen Davis und einem der Gäste? Irgendeine auffällige Reaktion oder sonst etwas Ungewöhnliches?«

Sie überlegte kurz, bevor sie verneinte.

»Allerdings müssen Sie bedenken, dass ich als Gastgeberin gleichzeitig überall und nirgends war«, fügte sie hinzu. »Ich habe mich mit jedem Gast ein bisschen unterhalten, war aber auch ständig zwischen Küche und Terrasse unterwegs, wenn irgendetwas gebraucht wurde, und …«

Sie verstummte mitten im Satz, deutete mit dem Finger auf die Liste und fügte hinzu: »Ich habe Mrs Vayia vergessen einzutragen. Sie war in der Küche.«

»Vayia …« Markou sah Milandi an und wartete auf einen Familiennamen. Ihr Stocken verriet, dass sie ihn entweder nicht wusste oder Mühe hatte, ihn auszusprechen. Maroulas kam ihr zu Hilfe.

»Vayia. Das ist die Kurzform von Evangelia – Miliaronikolakaki.«

»Ja, genau, so heißt sie!«, bestätigte Milandi.

Die fünfundsechzigjährige Haushaltshilfe erhielt ihren Platz auf der Liste – ohne Sternchen, weil sie kurz nach Mitternacht gegangen war.

»Ich bin oft in die Küche gegangen, um ihr zu sagen, was zu tun ist«, fuhr Milandi fort. »Außerdem habe ich darauf geachtet, dass jeder ein Glas in der Hand, etwas zu essen und auch sonst alles hat, um sich gut zu amüsieren.

Mit Lucy habe ich gestern Abend nur kurz gesprochen, als die meisten Gäste schon eingetroffen waren und ich auf der Terrasse nach dem Rechten gesehen habe. Sie ist allein

»Inwiefern ernst?«

»Na ja, irgendwas Philosophisches. Die Bedeutung der Wahrheit, irgendetwas in der Richtung. Kein sonderlich sommerliches Thema«, fügte sie mit einer wegwerfenden Handbewegung hinzu.

Markou notierte sich die Namen, die sie erwähnt hatte, auf seinem Block und fuhr mit der Vernehmung fort.

»Sind Sie auch mal nach unten gegangen?«

»Ja.«

»Wann? Und warum? Ist Ihnen in der Abstellkammer irgendetwas Ungewöhnliches aufgefallen?«

»Ich war zweimal unten, schon früh am Abend, aber an die genaue Uhrzeit erinnere ich mich nicht mehr.«

Ihre Stimme nahm plötzlich einen nachdrücklicheren Ton an. »Aber beide Male vor Mitternacht. Da es kühler wurde, bin ich nach unten gegangen, um mir aus meinem Schlafzimmer ein Tuch zu holen. Und nein, in der Abstellkammer ist mir nichts Ungewöhnliches aufgefallen.«

Und dann fügte sie weniger forsch hinzu: »Außerdem war die Tür zu und das Licht aus. Wie hätte ich also …«

Und mit frischer Entschlossenheit fuhr sie fort: »Jedenfalls bin ich sicher, dass Lucy noch auf der Terrasse war, als ich wieder nach oben gekommen bin.«

»Und der Gartenschlauch?«, fragte Markou, der wissen wollte, ob das laufende Wasser womöglich zum Plan des Täters gehört hatte. »Liegt der immer in der Kammer?«

»Und Sie sind sicher, dass Lucy Davis noch am Leben war, als sie wieder nach oben gingen?«

»Ja, ganz sicher«, antwortete Milandi deutlich lauter. »Ich glaube, sie hat mir zum Abschied zugewinkt, bevor sie gegangen ist. Aber wegen der vielen Leute und weil ich ständig mit irgendetwas beschäftigt war – die Gastgeberin hat bekanntlich nie etwas von ihrer Party –, kann ich das nicht mit Sicherheit sagen.«

»Sind viele Leute mit der Verteilung der Zimmer in ihrem Haus vertraut? Dass zum Beispiel diese Tür in die Abstellkammer führt? Wusste Lucy Davis das?«

Milandi dachte eine Weile schweigend nach. »Keine Ahnung. Es kommen uns zwar viele Leute besuchen, aber normalerweise empfangen wir sie immer auf der Terrasse oder oben im Wohnzimmer. Die meisten dürften zwar wissen, dass die Schlafzimmer im Erdgeschoss sind, aber nur wenige waren mal dort unten. Und wie viele und welche Personen genau wissen, dass die Tür neben den Schlafzimmern in die Abstellkammer führt … das kann ich Ihnen leider wirklich nicht beantworten.« Sie presste die Lippen aufeinander.

»Mehmet weiß es auf jeden Fall …«, sagte Sophie, ohne von ihrem Handy aufzublicken. Und während ihre Finger geschickt über das Display huschten, fügte sie hinzu: »Ich habe ihn nämlich rauskommen sehen.«