Der junge Polizeianwärter ging auf Deck um die Kajüte herum und sah, dass sämtliche Vorhänge zugezogen waren. Er kehrte zur Glastür zurück und klopfte erneut. Auch den Türgriff drückte er noch einmal, diesmal fester. Vergeblich. Die im Hafen von Vrythos liegende Schnee wirkte verlassen.
Schnee. Was für ein komischer Name für ein Boot, dachte Maroulas und klopfte noch mal.
Dann holte er das Handy aus seiner Tasche, scrollte durch die letzten Anrufe und wählte noch einmal die türkische Nummer. Er legte das Ohr an die Glastür und glaubte, dahinter etwas leise summen zu hören.
»Was soll das?«, hörte er in diesem Moment hinter sich eine wütende Stimme.
Er zog den Kopf von der Tür zurück und drehte sich um. Hinter ihm stand Mehmet Ersen auf der Gangway. Er hatte einen Pappbecher in der Hand. Seine Augen waren hinter einer dunklen Sonnenbrille mit goldenem Gestell verborgen, doch die hochgezogenen schwarzen Brauen unterstrichen seinen aggressiven Tonfall.
»Wer sind Sie? Was wollen Sie hier?«, fragte er schroff. Er sprach Englisch mit einem starken türkischen Akzent.
»Ich bin Polizist«, antwortete Maroulas, obwohl das eigentlich an seiner Uniform zu erkennen war.
»Von der Polizei sind Sie?« Ersen verschluckte sich fast an dem Wort. Maroulas entging nicht, dass alle Farbe aus seinem Gesicht wich. So stand es in noch stärkerem Kontrast zu seinem bunt geblümten T-Shirt und den Bermudashorts.
Doch Ersen fing sich rasch und setzte sich nicht weit vom Poller lächelnd auf das Süll. Seine weißen Zähne blitzten im hellen Sonnenlicht zwischen seinen dunklen Bartstoppeln hervor.
»Was kann ich für Sie tun, Wachtmeister?«, fragte Ersen, plötzlich merklich freundlicher.
»Wir haben schon den ganzen Vormittag versucht, Sie telefonisch zu erreichen.« Maroulas hob zur Verdeutlichung sein Handy hoch. »Wir möchten Sie bitten, auf die Wache zu kommen.«
»Wieso?« Obwohl Ersen versuchte, Ruhe zu bewahren, entging Maroulas nicht, dass er das Gesicht ein wenig verzog. Um sein Mienenspiel zu verbergen, hob der Türke den Kaffeebecher an die Lippen.
»Wegen der Mordermittlungen.«
Der Becher verharrte abrupt. »Welcher Mord?«
»Lucy Davis.«
Ersen riss den Kopf zurück, und ein breites Grinsen legte sich über seine Züge.
»Wollen Sie mich etwa verarschen? Geben Sie’s doch zu, Sie filmen mich hier gerade, um es dann ins Internet zu stellen und einen Narren aus mir zu machen!« Er drehte den Kopf in alle Richtungen und hielt nach jemandem mit einem Handy in der Hand Ausschau.
Als er niemanden entdeckte, wandte er sich wieder dem jungen Polizisten zu. Dessen Miene ließ keinen Zweifel daran, dass er keine Scherze machte.