Das Haus lag auf einer Anhöhe über dem Pirate’s Beach. Es war im inseltypischen Baustil errichtet – der, obwohl Nissos im Dodekanes lag, eher kykladisch aussah. Doch der weiße Quader mit den blauen Türen und Fenstern war eindeutig ein Neubau. Mit seinen schnurgeraden Linien und glatten Oberflächen hatte er nichts vom pittoresken Charme der jahrhundertealten Häuser von Chora.

Aber die Lage war phantastisch. Auf der einen Seite blickte man auf Chora und das Kloster. Auf der anderen Seite erstreckte sich hinter dem schmalen Strand unendliches Blau. Da im Umkreis von mehreren hundert Metern kein einziges anderes Haus stand und selbst die Zikaden ihr Zirpen eingestellt hatten, herrschte abgesehen vom Pfeifen des Windes totale Stille. Der ideale Ort, um ein Buch zu schreiben – oder einen verheirateten Geliebten zu empfangen, ohne dass es jemand mitbekam.

Markou stellte den Roller auf der betonierten Fläche vor dem Haus ab. Sie waren zuerst der Hauptstraße für einen Kilometer gefolgt und dann noch einmal etwa genauso weit einer kurvenreichen unbefestigten Straße. Maroulas wies ihn darauf hin, dass sie kaum länger gebraucht hätten, wenn sie die Gasse neben der Bäckerei in Chora genommen hätten und zu Fuß durch die schattigen, von Aspalathus-Büschen und schroffen Felsen durchsetzten Olivenhaine gegangen wären.

Sie gingen an einer Reihe mit Blumen und Kräutern bepflanzter Keramiktöpfe aller Größen und Farben vorbei zur Eingangstür. Sie war verschlossen. Auch die Fensterläden waren zu, und das Außenlicht brannte noch. Also schließt man in Nissos, dem Paradies auf Erden, wo alle ihre Türen und Fenster offen lassen, doch ab und lässt das Licht über der Tür an, wenn man so abgeschieden wohnt, dachte Markou.

Als er noch einmal die Türklinke niederdrückte und an den Schlüssel dachte, der nicht in Davis’ Handtasche gewesen war, hörte er Maroulas’ Stimme hinter sich. »Ich habe de Saintsimon gebeten, herzukommen und uns aufzuschließen. Er wird gleich hier sein. Sein Haus ist am Ortsrand, neben dem Friedhof, nur fünf Minuten von hier.«

Und keine zwei Minuten später, Markou hatte gerade seinen Rundgang um das Haus beendet und sich überzeugt, dass alle Fenster geschlossen waren, tauchte in der Ferne der belgische Hausbesitzer auf. Er blieb kurz neben einem Olivenbaum stehen und winkte ihnen mit einem Schlüsselbund zu, bevor er rascher weiterging.

Wenig später standen sie alle im Haus. Das Licht, das durch die offene Tür und die Ritzen in den Fensterläden fiel, vertrieb die Dunkelheit. De Saintsimon wollte schon einen der Fensterläden öffnen, doch der Kommissar hielt ihn zurück und sagte: »Sie warten hier.«

De Saintsimon machte zwei Schritte zurück, blieb im Eingang stehen und lugte von dort ins Haus.

Auch Markou sah sich um. Sein Blick wanderte von einem zweisitzigen Holzsofa und einer alten, als

Links von der Schlafzimmertür stand unter einem Fenster ein kleiner Schreibtisch. Markou vermutete, dass man von dort direkt aufs Meer sah.

Ideal zum Schreiben, dachte er.

Das Ladegerät eines Laptops, ein paar Blätter Papier und zwei Stifte, die dort neben einem in weißes Papier eingeschlagenen Päckchen mit der Aufschrift Galerie Anemos lagen, bestätigten seinen Eindruck.

Ein Laptop war jedoch nirgendwo zu sehen – auch nicht das Handy oder das schwarze Notizbuch, das Archondia erwähnt hatte.

Zusammen mit Maroulas schaute sich Markou weiter im Wohnzimmer um. Ihre Blicke sprangen von Ecke zu Ecke, vom spärlichen Mobiliar zu den auf dem Boden liegenden Sandalen, vom weiß gefliesten Fußboden zu einem Wandregal mit buntem Keramikgeschirr.

Mit einem Nicken forderte der Kommissar Maroulas auf, sich im Bad umzusehen, während er selbst auf die Schlafzimmertür zusteuerte. Ihm ging alles Mögliche durch den Kopf: die abgeschlossene Haustür, die Dinge, die in der Handtasche der Toten gefehlt hatten, der Klatsch, den ihre Freunde ihr erzählt hatten, und das Buch, das sie schreiben wollte. Seine Befürchtung, dass der Computer und das Notizbuch der Toten verschwunden waren, wurde mit jeder verstreichenden Sekunde und jedem vergeblich abgesuchten Quadratmeter größer.

Er drückte gegen die halb offene Tür des Schlafzimmers.

Im gleichen Moment sah Markou auf dem Nachttisch einen Laptop liegen, und ein Lächeln legte sich über sein Gesicht.