Um fünf Uhr früh ging Maroulas nach Hause, um sich eine Weile hinzulegen. Nachdem sich auch Markou auf dem Sofa im Wartezimmer ein paar Stunden Schlaf gegönnt hatte, unternahm er einen neuen Versuch, dem Computer seine Geheimnisse zu entlocken.

Kurz nach halb zehn gab er den Laptop enttäuscht an Maroulas weiter, der mit vier Frappés in einem Pappträger in die Wache kam. Markou zog die verschwitzten Gummihandschuhe aus und nahm genussvoll einen Schluck Eiskaffee. Dann trug er Maroulas auf: »Rufen Sie Cadena an. Sagen Sie ihm, wir haben den Laptop gefunden, und fragen Sie ihn, ob er etwas weiß, was wir nicht wissen.«

Maroulas nickte. »Mit wem wollen Sie als Erstes sprechen?«, fragte er, bevor er mit dem Laptop in der Hand die Bürotür öffnete.

»Wer ist denn schon da?«

»Die Italiener, Tsokas, der Festivalleiter, und Karas, der Galeriebesitzer.«

»Rufen Sie den Festivaltypen rein«, sagte Markou und suchte seinen Namen auf der Liste. Ein Sternchen und kein Häkchen, er war also noch auf der Party gewesen, kannte das Opfer aber nur flüchtig.

Der Mann, der vor ihm Platz nahm – Gerasimos Tsokas, 36 Jahre alt, wohnhaft in Athen, Geschäftsmann –, trug dasselbe blaue T-Shirt, in dem er auf der Party fotografiert

»Ich bin Lucy Davis ein paarmal begegnet«, antwortete er dem Kommissar. »Sie hat sich ein paar Filme angesehen, und wir wurden einander vorgestellt, aber wir haben uns nicht groß miteinander unterhalten. Während des Festivals habe ich kaum Zeit. Ich muss mich um alles kümmern, um den Kleinkram und ums große Ganze. Und danach verlasse ich Chora ziemlich schnell. Dieses Jahr wollte ich nur noch meine Ruhe und eine Weile ausspannen. Deshalb habe ich mit Eva, meiner Freundin, in einer kleinen Bucht neben dem Strand von Chrysi Ammos gezeltet. Wir waren eine Woche dort und sind erst vor drei Tagen nach Chora zurückgekommen. Eva ist vorgestern Morgen abgereist. Ich bin noch geblieben, um verschiedene finanzielle Fragen zu klären, und wollte eigentlich gestern nach Athen zurück. Aber wegen des Sturms bin ich nicht von der Insel gekommen.«

»Aber Sie waren auf der Party.«

»Ja. Mariama hat mich eingeladen und ihren Freunden vorgestellt. Sie hat sich letztes Jahr als eine der Ersten bereit erklärt, das Festival zu unterstützen, und sie weiß, dass wir auf Sponsoren angewiesen sind, um es am Laufen zu halten. Außerdem hatte ich nach sieben Tagen Einsamkeit nichts dagegen, wieder ein bisschen unter Leute zu kommen. An diesem Abend … dem Abend dieser schrecklichen Geschichte … habe ich mich zum ersten Mal richtig mit Lucy Davis unterhalten. Aber über nichts Besonderes.«

»Worüber haben Sie gesprochen?«

Er legte den Kopf eine Weile in den Nacken.

Markou nickte.

»Sie meinte daraufhin, dass alle Geheimnisse irgendwann an den Tag kommen, und zwar egal wie streng sie gehütet werden.«

Die Neugier in den Augen des Kommissars war unübersehbar, als er die Ellbogen auf den Schreibtisch stützte und sich vorbeugte. Auch Tsokas bemerkte sie und fuhr fort: »An diese Bemerkung kann ich mich vor allem deshalb so gut erinnern, weil ich hoffe, dass sie nicht stimmt. Ich würde ungern nächstes Jahr nach Nissos zurückkommen und zehn weitere Zelte in meiner Lieblingsbucht stehen sehen.«

»Wer war bei dem Gespräch noch dabei?«

»Lassen Sie mich überlegen … Eine groß gewachsene Frau, wie sie hieß, weiß ich nicht mehr, aber sie war Brasilianerin, glaube ich … dann der Galeriebesitzer, der draußen im Wartezimmer sitzt, Karas, und eine ganz in Gold gekleidete ältere Frau mit dickem, ägyptisch anmutendem Make-up.«

Betty Levalois, Timos Karas, Henrietta Banks, schrieb Markou in sein Notizbuch.

»Erinnern Sie sich, ob jemand auf Lucy Davis’ Bonmot reagiert hat?«, hakte der Kommissar nach. »Oder ob es an jemand Speziellen gerichtet war? Hat sie bei ihrer Bemerkung irgendjemanden angesehen?«

Tsokas zog die Augenbrauen hoch und strich über seinen Bart.

»Sie stand direkt vor mir, und ich sehe die Person, mit der ich rede, normalerweise an. Aber sie hat in dem Moment