Als Markou die Tür öffnete, um Tsokas hinauszubegleiten, kam Maroulas auf ihn zugestürzt.

»Mariama Milandi hat gerade angerufen. Sie bringt einen Speicherstick mit den Fotos von der Party vorbei. Vielleicht bringt uns das weiter.«

»Gut«, sagte Markou. »Auch Cadena wollte herkommen – um sich den Laptop mit uns anzusehen. Er meint, er könnte uns dabei vielleicht helfen.«

Markou fragte sich, ob sie den alten Mann umsonst bemühten. Wenn der Mörder von Lucy Davis das Notizbuch und die Schlüssel aus ihrer Handtasche genommen und Zugang zu ihrem Haus hatte, würde er wohl kaum belastendes Material auf ihrem Laptop zurücklassen. Außer er oder sie hatte es ebenfalls nicht finden können.

Aber wenn dem so ist, dachte Markou, warum hat der oder die Betreffende den Laptop dann nicht versteckt oder zerstört? Als er zu den im Vorzimmer Wartenden aufschaute, waren vier Augenpaare erwartungsvoll auf ihn gerichtet.

Zu Karas und dem italienischen Paar, das in einigem Abstand voneinander dasaß, hatten sich zwei Neuankömmlinge gesellt: Henrietta Banks, die nicht herbestellt worden war, und der türkische Modedesigner, der als Einziger Markou nicht anstarrte. Mit seinem auf die Brust gesunkenen Kopf und den hinter einer protzigen dunklen Sonnenbrille verborgenen Augen sah er aus, als schliefe er.

Auf dem von Maroulas aufgenommenen Foto wirkten ihre Mienen argwöhnisch und verwirrt. Das grelle Blitzlicht verlieh ihrer gebräunten Haut einen dunklen Orangeton. Fausto Ardolini hielt seine mandelförmigen braunen Augen gesenkt, sein Mund stand leicht offen, und sein dunkelgrünes Hemd hatte Schweißflecken unter den Achselhöhlen. Seine Frau hatte ihr hellbraunes Haar zu einem Knoten gebunden, ihre Augen waren halb geschlossen. Sie trug ein Männerjackett aus beigem Leinen über ihrem geblümten Kleid und hielt eine große Tasche vor ihren üppigen Busen, als wollte sie sich vor dem Fotografen schützen.

Als sie das Büro betrat, wirkte ihr Gesicht gefasst. Sie hatte kaum Ähnlichkeit mit der Frau auf dem Foto oder mit der, die Markou am vergangenen Nachmittag mit ihrem Mann hatte streiten sehen. Ihre Stimme war ruhig; ihre Antworten, die sie mit einem melodischen italienischen Akzent gab, kamen ohne Stocken, fast so, als hätte sie sie einstudiert.

»Ich kannte Lucy gut. Ich kenne viele Leute auf der Insel. Wir kommen schon seit sieben Jahren her. Wir waren mit ihr befreundet – genau wie mit allen anderen hier. Ich bin schockiert über ihren Tod, aber leider habe ich keine Ahnung, wer sie umgebracht haben könnte.«

Natürlich war Alessandra Ardolini auf der Party nichts Ungewöhnliches aufgefallen. Sie hatte sich auf der Terrasse aufgehalten, hatte mit allen möglichen Leuten geredet und war irgendwann gegen halb zwölf nach unten gegangen, um ungestört telefonieren zu können.

»Haben Sie dort jemanden gesehen?«

»Als ich aus dem Hof in die Gasse hinausgegangen bin, habe ich jemanden um die Ecke huschen sehen. Wer es war, konnte ich nicht erkennen, aber es müsste ein Mann gewesen sein – er trug dunkle Kleidung. Zu diesem Zeitpunkt gingen

Ihre Fassade der Ruhe bekam feine Risse, als Markou sie fragte, ob ihr Gerüchte zu Ohren gekommen seien, dass Lucy Davis eine Affäre mit einem verheirateten Mann gehabt hatte. Sie verschränkte die Arme über der Brust und antwortete in unverändertem Ton und mit einer Bestimmtheit, die sich weitere Fragen verbat: »Das ist mir neu.«

Der Kommissar setzte nach: »Hatte der gestrige Streit mit Ihrem Mann etwas mit dem Mord …?«

»Certo che no!«, fiel sie ihm ins Wort.

Doch sie beruhigte sich rasch wieder und fügte hinzu: »Nein, bei unserem Streit ging es um unsere Rückkehr nach Mailand. Ob wir noch ein paar Tage auf der Insel bleiben sollten oder nicht.«

Markou war von dieser Antwort nicht überzeugt, und er versuchte die Frau ihm gegenüber einzuschätzen. War vorstellbar, dass sie von Eifersucht getrieben zum Äußersten ging, wenn eine andere Frau ihr den Mann wegzunehmen versuchte?

Ihm kamen die von der Callas gesungenen Worte der Santuzza aus Cavalleria rusticana in den Sinn, gerichtet an ihren Liebhaber Turridu. »Oh! Maledetta! Quella cattiva femmina ti tolse a me!« »Oh! Verflucht! Dieses böse Weib hat dich mir geraubt!«