Als Levalois Markou gegenüber Platz nahm, musste er unwillkürlich an die Beschreibung des Türken denken: »ein Pferd«.

Ihr langes braunes Haar sah aus wie eine Mähne, und angesichts ihrer markanten Gesichtszüge konnte sich der Kommissar gut vorstellen, dass sie fotogen war. Von allen Gästen, deren Antlitz in der Mordnacht auf der Speicherkarte festgehalten worden waren, sah nur sie schön aus, und das trotz der Umstände und der grellen Beleuchtung.

Dünne, aber definierte Arme und große Hände trugen zu ihrer eindrucksvollen Erscheinung bei. Instinktiv stellte Markou sich vor, wie sie damit auf Ersen einschlug. Bei dieser Vorstellung kam ihm eine elegantere und zutreffendere Beschreibung von Betty Levalois in den Sinn: eine rassige Schönheit.

Ihre Vernehmung dauerte nicht lang. Da es ihr erster Sommer auf Nissos war, hatte sie das Opfer nur flüchtig gekannt. Sie war inzwischen zehn Tage auf der Insel und wollte noch etwa eine Woche bleiben. Sie wohnte in einem Haus in der Nähe der Platia, das sie von de Saintsimon gemietet hatte. Nach dem Tod ihres Mannes brauchte sie Abstand von Paris.

»Wir waren vier Jahre verheiratet. Leider ist er vor Kurzem an einem Herzinfarkt gestorben, so jung, mit siebenundachtzig Jahren. Aber jetzt machen seine Söhne aus einer früheren Ehe wegen des Erbes Probleme. Da musste ich einfach mal

Mit ihrer tiefen, samtenen Stimme beschrieb sie dem Kommissar ihr Haus, von dem man auf der einen Seite das Kloster sah, auf der anderen das Meer, und wie herzlich sie alle vom ersten Augenblick an aufgenommen hatten – ohne sie mit aufgesetzten Beileidsbekundungen zu überhäufen und ohne ihr peinliche Fragen zu stellen oder über sie zu urteilen.

Ein Erbe in Höhe von einigen hundert Millionen erleichtert einem vermutlich die Aufnahme in den exklusiven Zirkel von Nissos, dachte der Kommissar.

»Ich bin Lucy Davis fast jeden Abend über den Weg gelaufen. Es ist ja wie auf dem Dorf hier. Ich fand sie sympathisch. Sie war nett, zugewandt und intelligent, und sie machte den Eindruck, als interessierte sie sich für alles und jeden. Sie wollte alles über mein Herkunftsland wissen: was die Brasilianer ausmacht, wie die aktuelle politische Situation im Land ist und wie es um die Armut, die sexuelle Befreiung und die Rechte der Minderheiten steht, lauter solche Dinge.«

Sie legte den Kopf schief, sah den Kommissar an, schlang ihre großen Hände um die Oberarme und sagte: »Ich würde Ihnen gern helfen, aber …«