Mehmet Ersen saß auf einem Felsen und schaute auf den kleinen, von Wellen überspülten Strand hinab. Bei ruhigem Wetter war die winzige Bucht, die wegen einer Eselin, die dort vor vielen Jahren angebunden worden war, Gaidoura Beach hieß, der ideale Ort für Liebespaare, Nudisten und Badende, die die Einsamkeit suchten. Dann galt für die wenigen kieselbedeckten, von messerscharfen Felsen umgebenen Quadratmeter das Prinzip: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Weil sie so klein war, aber hauptsächlich wegen ihres Rufs als Einsiedlerparadies, gab es ein ungeschriebenes Gesetz, dass die Bucht ausschließlich dem gehörte, der dort als Erster eintraf.

Von der Stelle, wo Ersen wartete, konnte man sehen, ob man zu spät kam. War die Bucht bereits besetzt, nahm man den schmalen Trampelpfad zwischen Ginstersträuchern und kleinen Felsen hindurch zurück zu dem unbefestigten Weg, der zur Hauptstraße führte. Von seinem Beobachtungsposten aus, der mit dem Auto nicht zu erreichen war, hatte man einen unverstellten Blick auf die kleine Bucht und den Pfad, der zu ihr hinabführte.

Ersen kam oft hierher – aber nicht, um nackt zu schwimmen oder allein zu sein. Wenn seine Ware nicht in seine Hosentasche oder die Clutch passte, wickelte er seine Geschäfte hier ab. Er versteckte den Roller hinter einer von hohen Kakteen gesäumten Steinmauer und legte das letzte

Deshalb kannte er die Stelle wie seine Westentasche: jedes Versteck, jede Schlammpfütze und jeden Stein oder Felsbrocken. Er fand den Weg mit geschlossenen Augen und nachts ohne Taschenlampe. Das war auch eine Frage des nackten Überlebens; schon ein Stolpern konnte fatale Folgen haben, da die sechs Meter hohe Felswand fast senkrecht zur Bucht abfiel.

Weil er so gut mit diesem Ort vertraut war, wusste er auch, dass der Strand bei stürmischem Wetter vollständig überspült wurde, sodass niemand auf die Idee kam, ihn aufzusuchen.

Er fuhr mit der Hand über seine Stirn, um ein paar kleine Kiesel wegzuwischen, die der Wind dorthin geweht hatte, und schaute auf die Uhr. Dann richtete er den Blick wieder auf den verlassenen Pfad. Zwei Stunden waren inzwischen vergangen. Zehn, fünfzehn Minuten würde er noch ausharren, doch bevor es dunkel wurde, wollte er gehen. Je länger er wartete, desto größer wurden seine Zweifel. Hatte er sich getäuscht?

Doch das leichte Stirnrunzeln, die Kopfdrehung, die Besorgnis, als ihre Blicke sich trafen, hatten ihm eigentlich zu verstehen gegeben, dass die Botschaft angekommen war. Selbst wenn die Person, auf die er wartete, nicht erschien, hieß das nicht, dass seine Einschätzung falsch war. Vielleicht passten der Ort oder der Zeitpunkt nicht …

Ersen wandte sich dem stürmischen Meer zu. Er musste nachdenken. Aber er konnte sich nicht konzentrieren. Hätte er dem Kommissar von seinem Verdacht erzählen sollen, um dadurch unliebsamen Überraschungen – wie einem Durchsuchungsbeschluss für sein Boot – vorzubeugen?