Markous Notizbuch war auf der Seite aufgeschlagen, auf der er sich die Personen notiert hatte, die er im ersten Kapitel des Manuskripts wiedererkannt hatte. Jetzt blätterte er um und schrieb auf die leere nächste Seite: Kapitel 2.

Als auch Maroulas, der deutlich langsamer las, endlich am Ende angelangt war, richtete der Kadett den Blick schweigend auf Markous Notizbuch.

Italiener Maurizio und Simonetta = Fausto und Alessandra Ardolini. Affäre mit beiden? Gestörtes Gleichgewicht?, schrieb der Kommissar und unterstrich die zwei letzten Wörter.

Er rief die Fotos aus der Tatnacht auf und betrachtete das der beiden Italiener. Wenn die Geschichte mit dem Dreier stimmte, war das, was er in ihren Augen bemerkt und für Verwirrung, vielleicht sogar Ärger gehalten hatte, vielleicht nichts anderes als die Trauer über den Verlust eines Menschen, der ihnen sehr nahegestanden hatte.

Etwas hat sich verändert, hatte Lucy Davis geschrieben.

»Was passiert, wenn ein Dreieck aus dem Gleichgewicht gerät? Wie reagiert der oder die Ausgeschlossene? Und selbst wenn die Balance zwischen drei Personen bestehen bleibt – was passiert, wenn eine solche Beziehung bekannt wird?«

Bisher hatte vermutlich niemand Verdacht geschöpft. Nicht einmal de Saintsimon schien etwas von dieser Ménage-à-trois zu ahnen; sonst hätte er sie bestimmt in irgendeiner

Markou studierte Alessandras gequälte Miene. Inzwischen kannte er den Grund ihrer Besorgnis: ein tragischer Vorfall, der polizeiliche Ermittlungen nach sich ziehen und ihr Geheimnis an den Tag bringen konnte.

Als könnte er Markous Gedanken lesen, fragte Maroulas: »Soll ich sie noch einmal einbestellen?«

Der Kommissar schüttelte den Kopf. »Noch nicht.«

Er sah sich das Foto noch mal genauer an. Irgendetwas daran kam ihm eigenartig vor. Etwas an der Art, wie Alessandra in die Kamera blickte.

Doch er konnte es nicht recht greifen, also schloss er das Foto, setzte seinen Stift wieder auf die Seite und notierte: Alex, Galerie, Schmuggel von Ikonen.

Als er darauf in dem Papierstapel nach der Aussage des Galeristen suchte, sagte Maroulas: »Timos Karas ist der einzige Galerist auf der Insel, und er handelt mit Ikonen. Aber dass er schmuggelt, kann ich mir eigentlich nicht vorstellen. Er restauriert Kunstgegenstände aus dem Kloster, bekäme er da keine Probleme mit den Mönchen, wenn er in irgendwelche illegalen Machenschaften verwickelt wäre? Sie würden ihm doch keine …«

Er verstummte abrupt, und Markou sah ihn fragend an.

»In der Vergangenheit gab es im Kloster hin und wieder Ärger – Missmanagement, Unterschlagungen, Geldwäsche und noch einiges mehr. Deshalb wurden auch kurz hintereinander zwei Äbte entlassen.« Dann sagte er flüsternd: »Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass Karas da die Hände im Spiel hat.«

Der Kommissar schwieg und schrieb nur Karas neben Alex’ Namen und dann: Ikonen – Restaurierung – Kloster.

Bevor er sich dem dritten Kapitel zuwandte, notierte er sich außerdem den letzten Namen: Erica.

Und das erinnerte ihn an den Moment, als der Wind ihr rotes Kleid gelüpft und ihre nackten Dörrpflaumenpobacken enthüllt hatte.