Ab und zu musste sich Sophie, die neben ihrer Mutter saß, das Haar aus dem Gesicht streichen. Obwohl die Platia durch die Häuser um sie herum größtenteils windgeschützt war, fand gelegentlich doch eine Böe den Weg durch eine Öffnung oder Gasse und machte sich kraftvoll bemerkbar. Nachts war die Platia mit ihren Cafés immer brechend voll. Doch heute war irgendetwas anders. Über den sonst vor Leben strotzenden Platz hatte sich ein Mantel des Schweigens gelegt. Sogar die Musik war so leise, dass über den geflüsterten Unterhaltungen und dem Small Talk das Heulen des Winds deutlich zu hören war.

Neben Sophies Mutter saßen auch Pierre und sein Mann Jacques am Tisch. Ihre Unterhaltung verlief stockend, in abgehackten Brocken, zwischen denen sich erdrückende Stille ausbreitete. Das italienische Paar am anderen Ende des Cafés wechselte nur ab und zu ein paar Worte miteinander. Ihre Blicke waren auf diametral gegenüberliegende Punkte gerichtet, und beide schienen ganz in ihre Gedanken versunken.

Jedes Mal, wenn Bekannte vorbeikamen, lächelten sie Sophie freundlich zu und wechselten ein paar leise Worte mit Mariama und den zwei Männern, bevor sie zu einem anderen Tisch gingen.

Alle hatten sich hier versammelt, um eine Trauer zu teilen, zu der sie nicht wirklich berechtigt waren, eine Trauer,

Sophie spielte mit dem Strohhalm ihrer Limonade und suchte nach etwas gegen ihre Langeweile. Wirklich schade, dachte sie, dass Mehmet, der immer ein paar gute Witze auf Lager hat, und Mrs Henrietta mit den lustigen Geschichten aus ihrem Leben nicht hier sind.

Sie ließ den Strohhalm auf den Tisch fallen und kniff ihre Mutter in den Arm, worauf diese sich zu ihr beugte. »Darf ich zu den Kindern gehen, die drüben in der Taverne sitzen und Karten spielen?«, flüsterte Sophie.

Mariama schaute in die angegebene Richtung und nickte. »Aber pass auf, dass du immer in Sichtweite bleibst.«

Sophie sprang auf und rannte zu ihren Freundinnen. Auf halbem Weg drehte sie sich um und winkte, aber ihre Mutter schaute schon nicht mehr zu ihr. Sie hatte den Blick wieder auf ihr Handy gerichtet. Seit der Party ist sie irgendwie anders als sonst, dachte das Mädchen. Lucys Tod muss ihr sehr nahegegangen sein, obwohl sie sich gar nicht so gut kannten, wie sie dem Kommissar erzählt hat. Und zum ersten Mal hat sie es eilig, von der Insel wegzukommen.

Am Nachmittag, als Sophie von ihrem Mittagsschläfchen aufgewacht war, hatte ihr Vayia erzählt, dass ihre Mutter zum Hafen gegangen war, um ihre Tickets umzutauschen. Und als sie kurz vor Einbruch der Dunkelheit zurückkam, sagte sie ihr, sie solle ihre Sachen packen. Sobald der Wind nachließ, würden sie abreisen.

Als sich Sophie, kurz bevor sie den Tisch der anderen Kinder erreichte, zwischen ein paar Stühlen hindurchschlängelte, stieß sie fast mit Henrietta Banks zusammen, die gerade ihren großen Auftritt auf dem Platz hatte. Ihre laute Stimme klatschte wie Eiswasser in die Gesichter der Anwesenden, als sie dem Mädchen ein Kompliment zu seinem Kleid machte

Hoffentlich bleibt mir davon kein roter Fleck, dachte Sophie und rieb sich die Backe, bevor sie mit ihrem strahlendsten Lächeln weiterging.