Jacques Moreno kam als Erster herein. Markou hatte sich dafür entschieden, das Paar einzeln zu vernehmen, da die beiden vielleicht unterschiedliche Motive hatten. Außerdem wollte er nicht, dass de Saintsimon für seinen Partner Fragen beantwortete.
Obwohl Moreno darum bat, die Vernehmung auf Griechisch zu führen, begann der Kommissar auf Englisch. Zum Ablauf der Mordnacht gab Moreno die gleiche Antwort wie zuvor: Sie waren gegen eins gegangen. Auf das Buch angesprochen, bestätigte er, von Lucy Davis’ Vorhaben gewusst zu haben.
»Deshalb hat sie das Haus gemietet. Um allein zu sein und sich besser auf die Arbeit konzentrieren zu können.«
Danach fragte ihn der Kommissar, ob sein Partner – Ehemann, korrigierte ihn Moreno – ein gutes Verhältnis zu den Mietern seiner Häuser hatte.
Achselzuckend erklärte Moreno: »Im Großen und Ganzen schon. Ab und zu gibt es natürlich Probleme, aber nichts Dramatisches.«
Auch die nächste Frage schien ihn nicht aus der Ruhe zu bringen. »Ja, er hat Schlüssel für alle Häuser. Zweitschlüssel, meine ich. Und ja, es kommt vor, dass wir vermietete Häuser betreten. Auch ich mache das. Viele der Häuser sind alt, und hin und wieder müssen Reparaturarbeiten vorgenommen werden. Wenn irgendwo ein Problem auftritt, kann einer von uns den Handwerkern aufschließen, wenn die Mieter am Strand oder beim Mittagessen sind.«
Beide hatten also in Davis’ Haus gekonnt, wenn sie weg war, dachte der Kommissar. Und dort lesen, was sie geschrieben hatte …
»Wissen Sie, dass es auf der Insel Leute gibt, die Ihren Mann fies und gemein finden.«
Moreno nickte. »Ja, sie nennen ihn i kakí«, verriet er dem Kommissar flüsternd. Als er darauf den Kopf senkte, glaubte Markou, ein Lächeln um seine Lippen spielen zu sehen.
»Ich habe ihm immer wieder gesagt, er soll nicht ständig hässliche Gerüchte über andere verbreiten. Sonst fallen sie eines Tages auf ihn zurück und er bekommt mal gewaltig Ärger.«
Sein Lächeln war jetzt nicht mehr zu übersehen.
»Er meinte nur, ich würde immer gleich den Teufel an die Wand malen. Aber vor ein paar Tagen hat er zugegeben, dass ich recht habe, und mir versprochen, dass von jetzt an kein böses Wort mehr über seine Lippen kommt. Das hat er allerdings nur fünfzehn Minuten durchgehalten, bevor …«
»Wann hat er Ihnen dieses Versprechen gegeben? Erinnern Sie sich noch an den genauen Tag? Und haben Sie vielleicht eine Idee, was der Grund für seinen Sinneswandel war?« Der Kommissar hatte den Verdacht, dass er vielleicht Davis’ Text gelesen hatte.
»Vor drei, vier Tagen, glaube ich. Aber was den Grund angeht, habe ich keine Ahnung. Und wie gesagt, lange hat er sich ja auch nicht daran gehalten.«
Das notierte sich Markou, bevor er zum zigsten Mal nach dem Ausdruck von Davis’ Manuskript griff. Er deutete auf die letzten Absätze des ersten Kapitels.
»Was ist das?«, fragte Moreno, dessen Blick auf Markous Finger geheftet war.
»Lucy Davis’ Manuskript.«
Morenos Augen leuchteten kurz auf, wie der Blinker eines Autos im Dunkeln. Das Licht in ihnen erlosch jedoch sofort wieder, als er die Passage zu lesen begann, auf die der Kommissar zeigte.
Bei der Frage am Ende des Kapitels angekommen, runzelte er die Stirn. Doch sein Lächeln kehrte rasch zurück. Im Gegensatz zu Levalois’ hysterischem Gelächter und Hazera-Fasteaus Wutausbruch blieb Jacques Moreno ganz gelassen.
»Wissen Sie, Herr Kommissar, ich wollte immer Kinder haben. Und vor drei Jahren konnte ich Pierre sogar umstimmen. Allerdings weiß ich nicht, ob er einwilligte, um mich glücklich zu machen, oder ob er bloß wollte, dass ich endlich Ruhe gebe. Wir fingen an, uns nach einer Leihmutter umzusehen. Wir wollten mein genetisches Material verwenden. Ein blondes Mädchen wie das, das Lucy hier beschreibt, eine kleine Jacqueline, so habe ich sie mir vorgestellt.«
Sein Lächeln verflog.
»Wir fanden eine Freundin, die sich ebenfalls ein Kind wünschte, und unterzogen uns den erforderlichen Untersuchungen, um uns zu vergewissern, dass alles passte. Und so habe ich dann herausgefunden, dass meine kleine Jacqueline nie geboren würde. Ich kann leider keine Kinder zeugen.«