De Saintsimon schloss die Tür hinter sich. Er hatte sei- ner früheren Aussage nichts Neues hinzuzufügen. Was sich jedoch geändert hatte, war sein Verhalten. Er war wesentlich bescheidener und unterwürfiger als beim letzten Mal, zumindest, bis er das Kapitel las, in dem er vorkam.

Doch selbst dann, trotz seiner Überraschung und seines Ärgers – ob echt oder gespielt –, sagte er nur: »Wie konnte sie so etwas über mich schreiben? Wir waren eng befreundet. So eine Gemeinheit!«

Und dann fügte er in nüchternerem Ton hinzu: »Möge sie trotzdem in Frieden ruhen.«

»Sie erkennen sich in diesem Text also wieder?«, fragte Markou.

»Man muss kein Genie sein, um zu merken, dass ich gemeint bin – trotz der Ungenauigkeiten und Übertreibungen. Außerdem habe ich einmal mitbekommen, dass mich jemand – keine Ahnung, warum – kakó genannt hat und …«

»Kakí«, korrigierte Markou, was de Saintsimon mit einem Stirnrunzeln zur Kenntnis nahm.

»Wo soll da schon der Unterschied sein? Solche homophoben Beleidigungen spielen offensichtlich auf meine sexuelle Orientierung an. Die Polizei wird sich dazu hoffentlich nicht herablassen, denn das wäre Hasskriminalität.«

Der Kommissar war sicher, dass der heimliche Spitzname

»Ich spreche bloß aus, was alle denken«, fuhr de Saintsimon fort. »Manche mögen das brutal und politisch unkorrekt finden. Ich halte es für Ehrlichkeit.«

»Schon, aber wenn sich die Gerüchte, die Sie verbreiten, festsetzen …«

»Ich habe nie behauptet, dass alles, was ich herumerzähle, immer nur Fakten sind«, fiel de Saintsimon dem Kommissar ins Wort. »Wie bereits gesagt, ich fasse nur in Worte, was alle denken. Manches davon mag nicht stimmen. Es mag auf Hörensagen basieren oder frei erfunden sein, aber sich hinter seinem Finger zu verstecken, wie man in Griechenland sagt, führt nicht … Aber egal, ich lasse es wenigstens raus.«

»Wie die Sache mit der Vaterschaft von Hazera-Fasteaus Kind oder Banks’ Verbrechen«, bemerkte der Kommissar.

Damit hatte de Saintsimon offensichtlich gerechnet, denn er zeigte kaum eine Reaktion. »Die Vaterschaft des Jungen habe ich nie direkt angezweifelt. Ich habe mich nur über sein Aussehen geäußert. Haben Sie den Kleinen mal gesehen? Sein Haar ist so blond wie der Sand am Chrysi Ammos, dem Golden Beach. Und das habe ich auch nur zu zwei Leuten gesagt, denen ich vertraue, nämlich Jacques und Lucy. Bei Letzterer war das wohl ein Fehler.«

Er holte tief Luft. »Was Henrietta angeht, dürfen Sie die Schuld nicht bei mir suchen. Die Gerüchte, dass sie ihren Mann umgebracht hat, um ihn zu beerben, habe nicht ich in die Welt gesetzt! Ich war noch ein Kind, als er gestorben ist. Es sind die Einheimischen, die das schon seit Jahren behaupten.«

»Aber ist Ihnen denn nicht klar, dass Dinge, die Sie nur vom Hörensagen wissen und unbedacht ausplaudern, schwerwiegende Folgen haben können? Nicht nur für die Personen, die diese Gerüchte betreffen, sondern auch für Sie?«

»Indem Sie zum Beispiel Mieter für Ihre Häuser verlieren.«

»Ach, so meinen Sie das. Deswegen habe ich mir tatsächlich erst kürzlich Gedanken gemacht. Eine Italienerin hat vor einiger Zeit kurzfristig ihre Buchung storniert, weil ihr jemand erzählt hat, dass ich einmal eine nicht besonders nette Bemerkung über ihre Freundin gemacht habe, die vor ihr dort gewohnt hat. Dabei war es reine Tatsache. Und keine Angst, ich werde Ihnen nicht schildern, was sich der Putzfrau offenbart hat, nachdem diese Frau abgereist ist. Ich kann nur sagen, dass ich sogar die Türgriffe desinfizieren musste …«

Mit einer angewiderten Grimasse fuhr er fort: »Nissos liegt voll im Trend, Herr Kommissar. Deshalb ist es sehr einfach, meine Häuser für gutes Geld zu vermieten – selbst die kleinen. Also nein, ich mache mir keine Sorgen, dass sich mein Ruf, jemand zu sein, der das Kind beim Namen nennt, nachteilig auf meine Geschäfte auswirkt.«

Markou nickte. »Haben Sie das Haus, das Davis von Ihnen gemietet hat, einmal in ihrer Abwesenheit betreten?«

Die Frage schien de Saintsimon zu verunsichern.

»Soll heißen?«

»Jacques hat mir erzählt, dass in den Häusern hin und wieder Reparaturarbeiten vorgenommen werden müssen.«

»Ach so, natürlich. Und nein, ich habe das Haus in Lucys Abwesenheit nie betreten. Wie Sie sich vielleicht erinnern, war das Haus eine Weile nicht vermietet, weil es renoviert wird. Deshalb ist alles neu und funktioniert perfekt. Nur die Wände müssen noch ein zweites Mal gestrichen werden. Aber das hat Zeit.«

Das war das Ende seiner Aussage, und er war entlassen.

Markou schaute auf die Uhr und fragte Maroulas: »Wie viel Zeit haben wir, bis die nächsten kommen?«

»Etwa fünfundvierzig Minuten«, antwortete der Kadett und schaute auf sein Handy.

»Ich fahre noch mal zu seinem Boot. Soll ich Ihnen was zu essen bestellen?«

Markou lehnte dankend ab. »Ich gehe kurz um die Ecke eine Kleinigkeit essen, während Sie nach Ersen suchen. Und mit Ihrem Chef muss ich auch reden.«

Schon bei der Erwähnung seines Vorgesetzten schien der junge Polizeianwärter Habachtstellung einzunehmen. Markou schmunzelte.