Die Zusammenfassung des achten Kapitels ließ keinen Zweifel, welcher Mord gemeint war. Und wenn auch Klatsch und private Geheimnisse jemanden zur Waffe greifen lassen konnten, war das Vertuschen eines Mords ein viel stärkeres Motiv. Die unbekannte Frau in Doulgerakis’ Brunnen und ihr unaufgeklärter Tod hatten Eingang in Lucy Davis’ Romanfragment gefunden – und waren dann irgendwie aus dem Text verschwunden, den sie auf ihrem Laptop entdeckt hatten.

Die letzte Veränderung an dem Manuskript war wenige Stunden vor Davis’ Tod, am Nachmittag vor dem Partyabend, vorgenommen worden. Hatte die Autorin da die Zeilen gelöscht? Oder schon früher?

Neben der Frage nach dem Wann stellte sich auch die nach dem Warum. Weshalb hatte sie diese Zeilen gelöscht?

Wahrscheinlich stammte die Idee zu dem Kapitel von Katzikis’ Hinweis auf den ungelösten Mordfall, den er Davis acht Tage vor ihrem Tod bei ihrem Besuch auf der Wache gegeben hatte.

Aber warum hatte sie den Vermerk kurz darauf wieder gelöscht? Die wenigen Informationen, die sie von Katzikis erhalten hatte, mochten vielleicht nicht für ein ganzes Kapitel ausgereicht haben, aber was sollte sie daran gehindert haben, es mit fiktiven Einfällen auszuschmücken. Immerhin war es ein Roman. Und sie hatte auch schon andere fiktive Details

Jedenfalls enthielten diese zwei Zeilen einen Hinweis auf den Mörder der unbekannten Frau, aus dem hervorging, dass Davis wusste oder einen Verdacht hatte, um wen es sich handelte. Der Mörder kehrt an den Tatort zurück. Negativ. Hatte sie Kapitel acht infolge einer Warnung gelöscht? Hatte der Mörder etwas geahnt – die Insel war klein, und Gerüchte verbreiteten sich in Windeseile – und ihr gedroht? Falls das der Fall war und sie eingelenkt hatte, hatte das ihre Ermordung zumindest nicht verhindert. Und wenn sie gewusst hatte, wer der Mörder war, gab es irgendwelche Hinweise auf ihn oder sie, versteckt in anderen Kapiteln oder in einem anderen Ordner auf ihrem Laptop?

Markou trug Maroulas auf, noch einmal jeden Absatz, jeden Satz, jede Zeile des Texts durchzusehen.

Sein Blick heftete sich auf die zwei Zeilen.

Wort für Wort folgte er dem imaginären Faden von den sechziger/siebziger Jahren in die Gegenwart und zu dem Mörder, der an den Tatort zurückkehrt. Oder auch nicht, wie das Negativ am Ende der Zeile andeutete. Ein ungelöster Mord, der sich vor fünfzig oder mehr Jahren ereignet hatte, und der Mörder, der nicht an den Tatort zurückkehrt.

Und wer hat dann Davis und Ersen umgebracht?, fragte sich Markou.

Er machte die Schreibtischlampe an und schlug den vergilbten Ordner mit dem Skelett im Brunnen auf.

Und mit ihm tauchte er noch einmal in die dunklen Wasser der Vergangenheit auf einer vom Tourismus noch unentdeckten Insel.