Der Wind legte sich in der Morgendämmerung, als hätte Aiolos beschlossen, seinen Sack mit einem Schlag zuzumachen.
Der junge Kadett, der im Vorzimmer eingeschlafen war, wurde von seinem Handy geweckt, das synchron mit dem Wetterumschwung zu klingeln begann. Es war Katzikis, der ihm mitteilte, dass er und ein Rechtsmediziner in den nächsten dreißig Minuten mit einem Hubschrauber auf der Insel eintreffen würden. Anschließend würde der Puma die zwei Toten ins Leichenschauhaus von Rhodos bringen.
Tatsächlich landete der Polizeichef kurz nach sieben auf dem Helipad neben der Krankenstation. Er wurde von der Ärztin, Maroulas und Mitsenas, dem Metzger, empfangen, der es inzwischen, da im Laufe des Tages die Fähre anlegen würde, kaum erwarten konnte, seinen Kühltransporter zurückzubekommen. Markou war in der Polizeiwache geblieben und versuchte, das Rätsel zu lösen, vor das ihn die Akte über die unbekannte Frau, seine Notizen, die Zeugenaussagen und Davis’ Manuskript stellten.
Gegen neun Uhr ging die Tür auf, und Katzikis kam mit seinem Neffen herein.
Mit einem Lächeln auf dem gebräunten Gesicht schüttelte er Markou herzlich die Hand. Dann klopfte er ihm auf den Rücken und ließ seine Dienstmütze auf die über den Schreibtisch verstreuten Unterlagen fallen.
Markou bot den Stuhl, in dem er bereits Wurzen zu schlagen begonnen hatte, seinem rechtmäßigen Besitzer an. Katzikis schlug das Angebot aus.
»Bleiben Sie ruhig sitzen, bis wir diese dumme Geschichte aufgeklärt haben«, sagte er und nahm auf dem Zeugenstuhl gegenüber Platz. »Sie leiten die Ermittlungen, jetzt bloß keine Formalitäten. Ich bin kein Politiker, der sich krampfhaft an seinen Stuhl klammert«, bemerkte er schmunzelnd und sichtlich angetan von seinem eigenen Witz. Dann fuhr er mit einem Blick auf seinen Neffen fort: »Valantis hat mir bereits erzählt, dass Sie auf etwas Neues gestoßen sind.«
Markou nickte. »Ja, zwei Zeilen, die sich auf diesen alten Fall beziehen und möglicherweise einen Zusammenhang zu den aktuellen Morden herstellen.«
Er erläuterte dem Polizeichef alles. Sie blieben den ganzen Vormittag im Büro und gingen den Fall durch.
Mittels einer Reductio ad absurdum erstellten sie ein Täterprofil, indem sie alle ausschlossen, die zeit- oder ortsbedingt nichts mit dem Mord an der unbekannten Frau zu tun haben konnten: Eine Person, die seit den sechziger Jahren auf die Insel kommt und deshalb in der Lage war, die Frau zwischen 1962 und 1972 zu töten.
Diese extrem begrenzte Gruppe von Verdächtigen ergänzten sie durch eine zweite, etwas weiter gesteckte: Diejenigen Personen, die zwar weder alt genug sind noch die Möglichkeit hatten, den Mord vor so vielen Jahren zu begehen, aber eine enge Beziehung zum Mörder haben und versucht haben könnten, ihn zu schützen.
Und am Ende hatten sie eine Liste mit fünf Namen.