Da sich der Wind gelegt hatte, spürte Markou die Hitze noch stärker als in den letzten Tagen, während er die steile Gasse zur Platia hinaufging. Die Schlussfolgerungen, zu denen er zusammen mit Katzikis gelangt war, brachten sie nicht groß weiter. Selbst wenn theoretisch manches auf eine Täterschaft der Milandis hindeutete – es fehlten konkrete Beweise.
Sie mussten herausfinden, was mit David Milandis Freundin passiert war, die so plötzlich aus seinem Leben verschwand. Die gesamte Theorie würde zusammenstürzen wie ein Kartenhaus, wenn die Frau noch lebte – oder nach den siebziger Jahren noch am Leben gewesen war.
Er schritt kräftiger aus, und dicke Schweißtropfen fielen auf das Pflaster der Gasse. Die Fähre würde um acht Uhr, in grob zwei Stunden, im Hafen von Nissos anlegen, und Mariama Milandi traf Vorbereitungen für ihre Abreise. Hatte ihre Eile etwas mit den Mordfällen zu tun?
Sie hätte die Möglichkeit gehabt, sowohl Lucy Davis in ihrem Haus als auch Mehmet Ersen in der kleinen Bucht zu töten, die sie seit ihrer Kindheit kannte. Außerdem stammte der verschwundene Hammer aus ihrem Werkzeugkasten … Und wenn die unbekannte Tote tatsächlich David Milandis ehemalige Freundin war, hatte sie auch ein Motiv: den von ihr so geliebten Vater zu schützen.
Als Markou den Hauptplatz erreichte, nickte ihm ein junger Mann, der träge die Tische der Taverne deckte, zum Gruß zu. Markou ging durch den Bogen – diesmal, ohne den Kopf einzuziehen – und weiter die Gasse hinauf. Noch zwei Minuten bis zu Milandis Haus.
Keine zehn Meter vor sich, sah er Archondia gerade Cadenas Haustür zuschließen. Als sie seine Schritte hörte, drehte sie argwöhnisch den Kopf. Doch bei seinem Anblick, entspannte sich ihre Miene. In ihren Fingern klimperte ein Schlüsselbund, als sie zum Gruß die Hand hob.
Sie stand in der Mitte der Gasse und rief: »Warum rennen Sie denn so, junger Mann? Bei dieser Hitze. Jetzt, wo sich der Wind gelegt hat, verbrennen wir hier regelrecht.«
»Ja«, antwortete Markou, ohne langsamer zu gehen. Kurz darauf musste er jedoch stehen bleiben, weil sie keine Anstalten machte, ihm aus dem Weg zu gehen.
Auf sein gemurmeltes »Ich hab’s eilig« antwortete Archondia: »Ja, ja, das sehe ich, und ich hab’s auch eilig, mich ein bisschen ausruhen und Verschiedenes erledigen. Vergessen Sie aber auch nicht, dass die Insel ihren eigenen Rhythmus hat.«
Sie bückte sich, um den Topf mit Basilikum neben der Tür anzuheben und die Schlüssel darunterzulegen.
Dann richtete sie sich auf, zupfte ihr buntes Kleid zurecht und drückte sich an die Wand, um Markou vorbeizulassen. Aber der Kommissar rührte sich nicht von der Stelle, sondern schaute unverwandt auf den Topf, unter den sie die Schlüssel gelegt hatte.
»Noch vor wenigen Tagen habe ich die Tür nie abgeschlossen. Außer wenn keiner zu Hause war.« Ihr Blick folgte dem seiner Augen.
»Seit … na ja, Sie wissen schon … schließe ich immer ab, selbst wenn ich nachmittags nach Hause gehe, um mich ein bisschen hinzulegen und meinen Kram zu erledigen oder mit meinen Freundinnen einen Kaffee zu trinken. Egal, ob der Herr hier ist oder nicht.«
Markou sah sie an.
»Ich habe ihm gesagt, er soll auch abschließen, wenn er weggeht, bevor ich um halb zehn zurückkomme, um ihm sein Essen zu machen«, fuhr sie fort und fragte dann besorgt: »Soll ich Ihnen noch schnell etwas Wasser bringen? Sie sehen aus, als bekämen Sie gleich einen Sonnenstich.«
Markou schüttelte nur den Kopf und machte ohne ein Wort kehrt, um noch schneller zum Kreisverkehr zurückzugehen.
Er holte sein Handy heraus und rief Maroulas an. »Lassen Sie niemanden von denen, die wir vernommen haben, auf die Fähre. Nötigenfalls erzählen Sie ihnen einfach was von einem Haftbefehl oder so. Lassen Sie sich irgendwas einfallen.«
Und nach einer kurzen Pause, in der er Maroulas zuhörte: »Auch sie lassen Sie auf keinen Fall abreisen! Ich war nicht bei ihr, hab’s mir anders überlegt. Sagen Sie Ihrem Chef Bescheid, und lassen Sie niemanden von der Insel«, wiederholte er und legte auf.
Markou eilte über die inzwischen verlassene Platia und rannte zum Kreisverkehr. Er stieg auf den Roller seines Cousins und fuhr los zu Davis’ Haus über dem Pirate’s Beach.