Fünf

Athelstan las wie gewohnt die Frühmesse und sah dabei zu seiner Überraschung auch Aveline Ospring unter seiner spärlichen Gemeinde. Sie kniete vor dem Lettner, die Hände fromm gefaltet, ohne aber den jungen Ashby nur ein einziges Mal aus den Augen zu lassen; dieser half dem Altarjungen Crim während der Meßfeier. Nachher hängte Athelstan seine Gewänder auf, räumte den Altar ab und ging hinaus, wo Aveline und Ashby in leisem Gespräch auf den Altarstufen saßen.

»Möchtet Ihr Frühstück?« fragte Athelstan.

Ashby nickte. »Ich bin halb verhungert, Pater. Ist es möglich, ein Rasiermesser und ein wenig Seife zu bekommen? Lady Aveline« - er klopfte auf eine Satteltasche - »hat mir ein paar andere notwendige Dinge gebracht.«

Athelstan ging zum Haus hinüber. Er fachte das Feuer an, und nachdem er dem stets hungrigen Philomel sein morgendliches Heubündel gebracht hatte, wusch er sich die Hände und trug ein Tablett mit Brot, Käse und Wein hinüber in die Kirche. Ashby aß hungrig. Hin und wieder nahm Aveline, die heute gefaßter und viel strahlender aussah als am Tag zuvor, einen Schluck aus Ashbys Becher oder knabberte ein wenig Brot und Käse.

»Ich bin gekommen, um zu sehen, ob alles in Ordnung ist«, sagte sie schüchtern und schaute ihn unter langen Wimpern an.

Athelstan nickte und schrak zusammen, als Bonaventura, der zwischen den Säulen geschlafen hatte, plötzlich aufstand, den Rücken krümmte und den Schwanz in die Höhe reckte; die Kirchentür hatte sich geöffnet. Marston kam herein und blieb stehen; mit verschränkten Armen starrte er nach vorn in den Chor. Athelstan achtete nicht auf ihn, sondern schaute Aveline an.

»Mylady«, sagte er leise, »Ihr seid hier im Haus Gottes, Ihr dürft nicht lügen.«

Ashby verschluckte sich an einem Stück Brot. Athelstan klopfte ihm kräftig auf den Rücken.

»Der Tag hat kaum begonnen, Mylady«, fuhr Athelstan trocken fort, »und schon bringt Ihr, die Tochter des Mannes, den Ashby angeblich ermordet hat, ihm allerlei Vorräte und was er sonst noch zu seinem Wohlbehagen braucht. Und jetzt sitzt Ihr neben ihm auf den Altarstufen und teilt das Essen mit ihm.«

Lady Aveline errötete und schlug die Augen nieder.

»Liebt Ihr ihn?« fragte Athelstan.

»Ja«, flüsterte sie.

»Und Ihr sie auch, Ashby?«

Der junge Mann nickte und wischte sich die Augen, die ihm nach dem Hustenanfall immer noch tränten.

»So, so, so«, sagte Athelstan. »Und ich nehme an, Ihr wollt heiraten?«

»Ja«, flüsterten die beiden einstimmig.

»Gut.« Athelstan rieb sich die Hände. »Aber die Heilige Mutter Kirche verlangt, daß man beichtet und die Absolution empfängt, bevor man das Sakrament der Ehe erhalten kann. Wollt Ihr nun einzeln beichten…oder vielleicht zusammen?«   

Die beiden Liebenden starrten einander an.

Athelstan hatte große Mühe, seine Heiterkeit zu verbergen. »Gut«, sagte er, »Ihr habt keine Einwände; ich fahre also fort. Nicholas, man beschuldigt Euch der Sünde des Mordes: Ihr hättet Sir Henry Ospring getötet.« Er sprach so leise, daß seine Worte nicht bis zu Marston drangen, der hinten in der Kirche stand. »Ihr habt es aber nicht getan, oder?«

»Ich bin unschuldig«, flüsterte der junge Mann.

»Das allerdings«, sagte Athelstan und wandte sich an Aveline, »kann man von Euch nicht sagen.«

Sie hob den Kopf, und ihre Augen rundeten sich erschrocken und überrascht.

»Gott verzeih mir«, sagte Athelstan, »aber, Lady Aveline, ich beschuldige Euch des Mordes an Eurem Vater.«

Die junge Frau wurde kalkweiß. Sie stand auf und preßte erregt die Finger zusammen.

»Das stimmt nicht!« zischte Ashby, aber Athelstan drückte dem jungen Mann einen Finger an die Lippen. »Lügt nicht in der Beichte«, sagte er. »Lady Aveline, setzt Euch bitte.«

Die junge Frau gehorchte, und Athelstan nahm ihre eiskalten Hände.

»Ihr habt Euren Vater ermordet, nicht wahr?«

»Gott verzeih mir, Pater. Ja, ich habe es getan. Woher wißt Ihr das?«

Athelstan schaute durch die Kirche. Marston hatte offenbar gesehen, wie erregt Lady Aveline war, und kam jetzt langsam heran. Athelstan erhob sich und ging ihm entgegen.

»Kann ich Euch helfen?«

»Ich bin hier, um Lady Aveline vor diesem Mörder zu beschützen.«

»Lady Aveline ist bei mir in sicheren Händen«, antwortete Athelstan.

»Ich bin außerdem hier, um dafür zu sorgen, daß dieser Dreckskerl nicht entkommt.«

»Redet nicht so«, mahnte Athelstan. »Nicht im Hause des Herrn.«

Der Mann wich verdattert zurück.

»Bitte wartet draußen«, sagte Athelstan. »Ihr dürft auf der Treppe warten. Da könnt Ihr sicher sein, daß niemand die Kirche verläßt, ohne daß Ihr es wißt.«

Marston wollte Einwände erheben.

»Es wäre auch Sir John Cranstons Wunsch«, fügte Athelstan honigsüß hinzu.

Marston zuckte die Achseln, ging hinaus und machte die Tür hinter sich zu.

Athelstan kehrte in den Altarraum zurück, wo Ashby und Aveline die Köpfe zusammensteckten und verschwörerisch miteinander tuschelten. Athelstan setzte sich ohne weitere Umstände zwischen sie.   

»Wie und wann habt Ihr es erfahren?« fragte Ashby.   

»Oh, es ist mir heute morgen während der Messe klargeworden«, sagte Athelstan. »Es ist eine Sache der Logik. Erstens: Man hat Euch mit der Hand am Dolch angetroffen. Warum? Weil Ihr dabei wart, ihn herauszuziehen. Aber warum solltet Ihr das tun? Es war nicht Euer Dolch, er gehörte, wie Ihr ja sagtet, Sir Henry. Eurer steckt noch in der Scheide an Eurem Gürtel. Das habe ich schon gestern morgen gesehen. Zweitens: Wenn Ihr Sir Henry nicht umgebracht habt, wer hat es dann getan? Wer hatte das Recht, sich einem so mächtigen Lord zu nähern, wenn er noch im Nachthemd war? Bestimmt nicht Marston. Das hat er uns sehr deutlich klargemacht. Wenn Ihr und Marston es also nicht waren, wer dann? Als ich in Sir Henrys Kammer war, sah ich, daß das Fenster verschlossen gewesen war, bis Ihr es zu Eurer Flucht benutztet. Infolge dessen bezweifelte ich, daß jemand in das Zimmer eingebrochen ist. Sir Henry war zudem ein kräftiger Mann, und es gab keinerlei Spur eines Kampfes. Schlußfolgerung: Der Mörder muß jemand gewesen sein, der das Recht hatte, sich in Sir Henrys Nähe aufzuhalten. Und wer bleibt da übrig außer Euch, Lady Aveline?« 

»Oh, mein Gott, man wird sie hängen!« flüsterte Ashby. »Niemand wird ihre Geschichte glauben.«

»Laßt es mich versuchen«, sagte Athelstan. »Mylady?«

»Jawohl, ich habe meinen Vater ermordet«, gestand sie. »Um genau zu sein: Er war mein Stiefvater. Der erste Mann meiner Mutter, mein leiblicher Vater, fiel im Krieg des Königs in Frankreich. Zunächst war alles gut. Ich war das einzige Kind. Ich glaube, meine Mutter bereute, daß sie wieder geheiratet hatte, aber sie starb vor acht Jahren. Im allgemeinen ließ Sir Henry mich in Ruhe. Er sorgte für mich. Ich war verwöhnt, ja, verzärtelt. Aber…« Sie nestelte nervös an ihrem Armband. »Als ich älter wurde, sah er mich nach und nach mit anderen Augen an. Anfangs war es nichts Großes … er bat mich, auf seinem Schoß zu sitzen, während er mir das Haar streichelte. Manchmal berührte er mich auch an gewissen Stellen und sagte, das sei unser Geheimnis.« Aveline blinzelte, um die Tränen zurückzuhalten. »Ich hatte alles«, fuhr sie fort. »Das heißt, alles außer einer Zofe. Er wollte es so. Und je älter ich wurde, desto größer wurden seine Ansprüche an mich. Ich ging ihm aus dem Weg, aber manchmal konnte ich es nicht. Am Abend vor seinem Tod, als er in der Herberge ›Zum Abt von Hyde‹ saß, befahl er mir, im Morgengrauen zu ihm zu kommen, denn er wolle mir jetzt etwas Kostbares geben, das einst meiner Mutter gehört habe. Ich hätte es wissen müssen.« Avelines Unterlippe zitterte, und ihre Augen füllten sich mit Tränen. »Er war so verderbt!« flüsterte sie. »Er versuchte, mich zu umarmen und legte mir seine Hand auf die Brust. Die ganze Nacht habe ich wachgelegen, behauptete er, und an mich gedacht. Und dann…«

Athelstan spürte Ashbys wachsende Anspannung. Er tätschelte das Handgelenk des Mädchens.

»Erzählt es mir einfach«, sagte er sanft.

»Er sagte, hoffentlich sei ich so gut wie meine Mutter, und dann versuchte er, mich über seinen Schoß zu ziehen. Da sah ich den Griff seines Dolches, der aus einem Haufen Kleider auf einem Stuhl ragte. Alles ging ganz schnell. Ich packte den Dolch, und im nächsten Augenblick steckte die Klinge tief in seiner Brust. Er starrte mich an, als könne er nicht fassen, was da passiert war, und dann sackte er zu Boden. Ich muß eine Zeitlang dagestanden und ihn nur angeglotzt haben. Es war wie in einem Traum. Ich zwickte mich immer wieder, um mich aufzuwecken. Es war so sauber, so schnell abgegangen; ich hatte nicht einmal einen Blutspritzer an der Hand oder auf meinen Kleidern. Da klopfte es an der Tür…«

»Das war ich«, unterbrach Ashby rasch. »Ich war im Zimmer nebenan. Ich hörte, wie Aveline den Gang hinunterging, und dann gab es ein dumpfes Geräusch, als sei jemand hingefallen. Ich lief in Sir Henrys Zimmer. Da erzählte Lady Aveline mir, was sich zugetragen hatte.«

»Ich habe bisher nicht gewagt, etwas zu sagen«, flüsterte die junge Frau. »Wer würde mir denn glauben? Ich kannte Nicholas Ashby, und ich liebte ihn, aber das hielt ich geheim. Sir Henry hätte uns sonst beide umgebracht.«

»Ich stieß sie aus dem Zimmer«, fuhr Ashby fort. »Als sie draußen war, versuchte ich, den Dolch herauszuziehen, aber da hämmerte Marston an die Tür.« Verachtungsvoll nickte Ashby zur Kirchentür. »Er war ganz aus dem Häuschen. Er hätte mich aufhalten können, aber er brüllte nur: ›Mörder! Mörder! ‹ Ich riß das Fenster auf und floh.«

Athelstan erhob sich. Was Aveline erzählt hatte, erschreckte ihn eigentlich nicht so sehr. Immer wieder war ihm im Beichtstuhl die gleiche Sünde in allen ihren Spielarten begegnet - Bruder und Schwester, Vater und Tochter. Es war eine natürliche Folge des engen Zusammenlebens. Aber wer würde Aveline glauben? Sir Henry hatte sich dessen schuldig gemacht, was die Theologen als ›die große, geheime Sünde‹ bezeichneten: des Inzests, viel geübt, aber nie erörtert. Vor einem Gericht würde die Sache allerdings anders aussehen. Manch einer würde sogar behaupten, Ashby und Aveline hätten sich verschworen, Sir Henry zu ihrem eigenen Vorteil zu ermorden. Sie mußte gewußt haben, daß Sir Henry gegen eine solche Liebesverbindung sein würde. Ashby war auf frischer Tat ertappt worden. Wenn er sein Schweigen bewahrte, würde er am Galgen hängen. Wenn er sich zu verteidigen versuchte, würde Aveline ihm womöglich Gesellschaft leisten, weil sich habgierige Verwandte, die darauf brannten, ihren Anteil von Sir Henrys Reichtum zu ergattern, ihrer auf diese Weise entledigen wollten.

Athelstan blieb am Fuße der Altartreppe stehen und betrachtete die bangen, blassen Gesichter des Liebespaares.

»Habt Ihr irgendeinen Beweis?« fragte er.

»Ich dachte mir, daß Ihr danach fragen würdet«, sagte Aveline.

Bevor Athelstan sie daran hindern konnte, knöpfte sie ihr Mieder auf und zog es herunter. »Nur das hier«, sagte sie. »Es kam später hervor.« Und Athelstan sah einen violetten Bluterguß an ihrer milchweißen Schulter.

»Dort hat Sir Henry mich gepackt«, sagte sie, zog ohne jede Verlegenheit das Kleid wieder hoch und knüpfte die kleinen Schleifen zu. »Habe ich mich einer großen Sünde schuldig gemacht, Pater?«

Athelstan starrte die nun wieder verhüllte Schulter an. Diesen Fleck konnte sie sich niemals selbst beigebracht haben. Da er glaubte, daß sie und Ashby die Wahrheit gesagt hatten, machte er das Kreuzzeichen über sie.

»Ich spreche Euch los von Euren Sünden«, sagte er. »Der Himmel weiß, was ich jetzt tun werde.«

»Ihr könntet für uns sprechen«, meinte Aveline hollnungsvoll.

»Wer würde mir denn glauben?« erwiderte Athelstan. »Und was Ihr mir erzählt habt, steht unter dem Siegel des Beichtgeheimnisses. Nein, nein. Ich muß jetzt sorgfältig und kühl nach einer Lösung für all das suchen. Wir wollen die Sache für den Augenblick beiseite lassen. Ich möchte Euch noch über etwas anderes befragen. Sir Henry hat Kapitän Roffel und das Schiff God’s Bright Light finanziert, nicht wahr?«

Ashby nickte.

»Und Ihr seid im September an Bord gekommen, aber als das Schiff in Dover anlegte, wieder an Land gegangen?«

»Ja.«

»Ist auf der Reise irgend etwas geschehen?«

»Ich sagte schon, Roffel war wie immer, verdrießlich und verschlossen - nur nicht, nachdem das Fischerboot gekapert worden war.«

»Was wißt Ihr sonst noch über Roffel?«

»Er hat viel getrunken.« Ashby lächelte düster. »Nicht nur Wein oder Bier wie wir anderen. Das natürlich auch, aber er hatte noch eine besondere Flasche mit einem sehr feurigen Getränk. Usquebaugh nannte er es. Vor jeder Reise ging er an Land und ließ sich die Flasche hinter einem Lagerhaus in Queen’s Hithe, in der Schenke ›Zu den gekreuzten Schlüsseln‹, damit füllen.«

»Er selbst?«

»Oh ja, Pater. Wo Roffel hinging, da ging auch diese Flasche hin.«   

Athelstan lächelte, als er an Cranstons Weinschlauch dachte. »Also durfte niemand sonst die Flasche füllen?«

»Das sagte ich doch, Pater. Aber wir wußten, daß er daraus trank. Sein Atem roch danach. Er trank es in sehr kleinen Quentchen. Einmal erzählte er mir, es sei fünfmal so stark wie jeder Wein, und es wärme ihn nachts, wenn es kalt sei auf See.«

»Und Roffel war zu Anfang der Reise guter Dinge?«

»Ja. Sir Henry hatte mir einen versiegelten Umschlag für ihn mitgegeben, doch ich weiß nicht, was er enthielt.«

»Wißt Ihr es, Lady Aveline?« fragte Athelstan.

»Nein. Aber mein Stiefvater war anscheinend sehr zufrieden mit sich.«

»Und dann?«

Sie schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht.«

»Ich habe oft solche Umschläge mitgenommen«, sagte Ashby. »Roffel las, was sie enthielten, und warf sie dann ins Meer.«

»Halt!« Avcline beugte sich vor. »Ja, jetzt fallt es mir ein. Als die God’s Bright Light ihre Reise begann, war mein Stiefvater sehr, sehr zufrieden, aber als Nicholas zurückkam, änderte sich seine Stimmung. Ich hörte, wie er sagte, daß er kein Vertrauen zu Roffel habe. Er behauptete, der Kapitän betrüge ihn. Er fuhr nach London, um Roffel zur Rede zu stellen, und da…« Sie sprach nicht zu Ende.

»Gibt es noch etwas?« fragte Athelstan.

Sie schüttelte den Kopf.

Athelstan hockte sich nieder und nahm ihre Hand.

»Ihr seid die Erbin Eures Stiefvaters«, sagte er. »Euer Geheimnis ist bei mir sicher, und ich werde mir überlegen, was ich tun kann. Einstweilen allerdings solltet Ihr in die Herberge zurückkehren. Seht die Papiere Eures Stiefvaters durch, und zwar alle. Sucht nach einem Hinweis auf die Geheimnisse, die er mit Roffel teilte - und sei er noch so klein.«

»Wie soll uns das helfen?«

»Das weiß Gott«, antwortete Athelstan. »Das weiß Gott allein.« Er beugte das Knie vor dem Altar. »Ihr könnt noch eine Weile hierbleiben - aber, Master Ashby, Ihr dürft unter keinen Umständen den Altarraum verlassen. Gebt Ihr mir Euer Wort?«

Ashby nickte. In diesem Moment wurde die Kirchentür aufgestoßen und Watkin, der Mistsammler, stürmte herein.

»Pater! Pater! Der Wagen ist gekommen!«

Athelstan atmete tief und langsam durch und betete um Geduld.

»Brav, Watkin. Laß die Flügeltür aufmachen und den Wagen hereinbringen.«   

Der Mistsammler trabte davon. Das Portal öffnete sich, und mit viel Lärm und Gepolter rollte ein großer,   

vierrädriger Karren, gezogen von Watkin und anderen Gemeindemitgliedern, auf einer behelfsmäßigen Rampe die Stufen herauf und ins Kirchenschiff. Athelstan ging hinunter, um den Leuten zu helfen. Sein Ärger über die Störung legte sich angesichts der guten Laune und des selbstlosen Einsatzes seiner Pfarrkinder rasch; alle hatten ihre Arbeit liegengelassen, um dafür zu sorgen, daß der Karren rechtzeitig zum Mysterienspiel hier war. Ächzend und schwitzend riefen sie einander Anweisungen zu und wuchteten den Wagen hin und her, bis er mitten im Kirchenschiff stand.

»So.« Watkin wischte sich den Schweiß aus dem Gesicht. »Bitte sehr, Pater.« Seine haarigen Nüstern bebten ob seiner inbrünstigen Selbstgerechtigkeit. »Und in dem Spiel, da werde ich Gott sein, nicht wahr?« Er senkte die Stimme. »Pike kann nicht Gott spielen. Ich bin der Vorsitzende des Gemeinderates.«

Pike, der Grabenbauer, kam um den Karren herum. Athelstan spürte, daß trotz der bevorstehenden Heirat zwischen Pikes Sohn und Watkins Tochter die alte Feindschaft zwischen den beiden wieder aufgebrochen war.

»Das habe ich genau gehört, Watkin!« bellte Pike. »Aber ich werde Gott spielen!«

»Nein, wirst du nicht!« krähte Watkin wie ein trotziges Kind.

Beide Männer schauten Athelstan an und warteten auf seinen Schiedsspruch. Der Priester stöhnte leise.

»Nun, Pater?« fragte Pike herausfordernd. »Wer ist Gott?«

Athelstan lächelte. »Wir alle. Wir sind alle nach Gottes Ebenbild geschaffen. Wenn wir also sind wie Gott, dann muß Gott ein bißchen so sein wie wir.«

»Aber was ist mit dem Stück?« fragte Watkin beharrlich.

»Ja, was ist damit?« Hig, der Schweinemetzger mit dem breiten Kinn und den schmalen Augen, kam hinter dem Wagen hervor und stellte sich neben Watkin. Hig arbeitete im Schlachthof, und sein brauner Kittel war voller Flecken vom Kot und Blut der Kadaver, und sein dichtes Haar war gestutzt, als habe der Barbier ihm einen Topf aufgesetzt und ringsherum alles abgeschnitten. Athelstan mochte den Mann nicht. Hig war ein geborener Unruhestifter, sich seiner Rechte voll bewußt und stets bereit, den Frieden der Gemeinderatssitzungen zu stören, indem er im trüben fischte.

»Hig, du hältst dich da heraus«, sagte Athelstan warnend.

»Ich weiß, was wir tun können.« Athelstan sah Watkin und Pike an. »Ich sagte ja, wir alle sind wie Gott. Also kann Watkin Gott Vater spielen, ich spiele Gott Sohn, und du, Pike, bekommst ein weißes Gewand mit den Flügeln einer Taube auf dem Rücken und spielst Gott, den Heiligen Geist. Und erinnert euch daran, was die Heilige Mutter Kirche lehrt: Es sind drei Personen in Gott, und alle drei sind gleich.« Er senkte die Stimme und schaute sie düster an. »Es sei denn, ihr wolltet den Lehren der Heiligen Mutter Kirche widersprechen.«

Watkin und Pike starrten ihn mit offenen Mäulern an. Dann warfen sie einander einen kurzen Blick zu.

»Einverstanden«, sagte Watkin. »Aber Gott, der Vater, macht immer mehr als der Heilige Geist.«

»Nein, macht er nicht.«

Die beiden stapften davon, äußerst befriedigt, sich nun über die Feinheiten des theologischen Dogmas streiten zu können. Athelstan seufzte erleichtert.

Die übrigen Gemeindemitglieder wimmelten um den Wagen herum und unterhielten sich lautstark, ohne sich jedoch die Mühe zu machen, einander zuzuhören. Athelstan schlüpfte zur Kirchentür hinaus und zum Haus hinüber. 

»Pater - auf ein Wort…?«

Athelstan fuhr herum, die Hand am Türriegel.

Die beiden verhüllten Frauen mußten lautlos herübergekommen sein. Mit bleichen Gesichtern schauten sie ihn an.

»Emma Roffel.« Die eine schlug die Kapuze zurück. »Ihr erinnert Euch an mich, Pater?«

Emmas Gesicht war ernst, das graue Haar zerzaust, als habe sie sich kaum die Mühe gemacht, ihre Toilette zu beenden. Tabitha Velour, die hinter ihr stand, sah genauso ernst und müde aus.

»Am besten kommt Ihr herein.« Athelstan führte sie in die Küche, ließ sie Platz nehmen und bot ihnen Brot und Wein an, aber sie lehnten ab. Er setzte sich an das Kopfende des Tisches und streichelte den schnurrenden Bonaventura, der ihm auf den Schoß gesprungen war.

»Warum seid Ihr hier?« fragte er Emma. »Ich dachte, Euer Mann wird heute vormittag beerdigt?«

»Ja, in einer Stunde«, antwortete Emma. »Ich komme wegen der Sache, die sich letzte Nacht in St. Mary Magdalene ereignet hat.« Ihre Augen weiteten sich. »Ich mußte Euch fragen, Pater - habt Ihr den Schuldigen gefunden? Wieso tut jemand etwas so Abscheuliches?«

»Ihr kommt über den Fluß, um mir diese Frage zu stellen? Sir John und ich wollten Euch heute noch besuchen.«

»Ich war bei Sir John«, sagte Emma Roffel, »aber er war nicht zu Hause. Man hatte ihn ins Rathaus gerufen. Ich will ja nur wissen, wer es getan hat.«

»Madam, wir wissen nicht, wer es war oder warum es geschehen ist. Aber Euer Mann hatte wenige Freunde und viele Feinde.«

Emma Roffel seufzte tief.

»Er war ein harter Mann, Pater.«

Athelstan sah sie prüfend an. »Eigentlich seid Ihr nicht deshalb hier«, stellte er fest. »Da gibt es noch etwas anderes, nicht wahr?«

»Laßt mich für sie sprechen.« Tabitha Velour beugte sich vor. »Als wir heute früh in die Kirche von St. Mary Magdalene kamen, war Pfarrer Stephen immer noch sehr aufgebracht. Er hat gehört, wie Ihr zu Sir John sagtet, daß Kapitän Roffel vielleicht vergiftet wurde. Stimmt das?«

»Ich glaube, ja«, sagte Athelstan. »Wahrscheinlich mit weißem Arsen. Das ist billig und leicht zu bekommen.«

»Aber wie denn?« fragte Emma Roffel. »Mein Mann war immer sehr vorsichtig an Bord. Er hat nur gegessen und getrunken, was auch die Mannschaft bekam.«

»Nicht ganz«, widersprach Athelstan. »Euer Mann war Schotte. Er hatte eine besondere Flasche, die er sich in einer Schenke bei Queen’s Hithe füllen ließ, und zwar mit einem feurigen Schottentrank namens Usquebaugh.«

Emma Roffel schlug die Hand vor den Mund. »Natürlich«, flüsterte sie. »Wo er hinging, da ging auch diese Flasche hin.« Sie starrte Athelstan an. »Aber er hat sie stets in dieser Schenke füllen lassen. Und er ging selbst hin, denn er bezahlte den Wirt dafür, daß er ein Fäßchen davon aus der Hafenstadt Leith in Schottland importierte.«

»Hatte er diese Flasche immer bei sich?« fragte Athelstan.

»An Land trank er nicht davon«, sagte Emma. »Aber auf See ja. Und er ließ sie nie in seiner Kajüte, sondern trug sie am Leibe.«

»Und auf See konnte er sie natürlich nicht nachfüllen lassen«, sagte Athelstan nachdenklich.

Emma stand plötzlich auf. »Pater, Ihr müßt uns entschuldigen. Die Totenmesse ist um zehn. Außer uns beiden wird niemand da sein. Wir müssen gehen.«

»Dürfen wir Euch später besuchen?« fragte Athelstan.

»Ja, ja«, sagte sie ungeduldig und rauschte, gefolgt von ihrer Zofe, eilig hinaus.

Athelstan deckte das Feuer ab, griff nach der Ledertasche mit seinem Schreibwerkzeug, füllte Bonaventuras Schälchen mit Milch und ging hinaus, um den widerstrebenden Philomel zu satteln.

»Komm, mein Alter«, flüsterte er und stemmte sich behutsam in den Sattel. »Besuchen wir den alten John Cranston, was?«

Philomel wieherte erfreut. Das alte Schlachtroß tat nichts lieber, als dem dicken Coroner in den ausladenden Bauch oder das breite Hinterteil zu stupsen. Als sie an der Kirchentür vorbeikamen, sah Athelstan, daß Marston und zwei andere Gefolgsleute Sir Henrys in der Gasse gegenüber lauerten. Athelstan hielt nicht an. Seine Gemeindekinder waren inzwischen aus der Kirche gekommen. Säuberlich in zwei Gruppen gespalten, die eine von Pike, die andere von Watkin angeführt, debattierten sie immer noch heftig über die Frage, ob Gott Vater dem Heiligen Geist nicht vielleicht doch überlegen sei.

Herr, hilf', dachte Athelstan. Vielleicht sollte ich die Dreieinigkeit spielen, und Watkin und Pike können zwei Erzengel sein. Er lenkte Philomel vom Kirchplatz weg in die Gasse und machte lächelnd eine segnende Gebärde zu Marston und seinen Kumpanen hinüber. Dann bahnte er sich seinen Weg durch das stinkende, lärmende Gedränge der engen Gassen von Southwark. Vor der Taverne »Zum Gescheckten« waren zwei seiner Pfarrkinder, Tab, der Kesselflicker, und seine Frau Roisia, zum Entzücken einer wachsenden Menge von Zuschauern in ein erbittertes Wortgefecht verwickelt. Athelstan machte halt, um zuzuhören.   

»Zwanzig Jahre waren wir glücklich verheiratet -bis jetzt!« schrie Roisia mit puterrotem Gesicht.

»Ja«, gab Tab zurück. »Du warst glücklich, und ich war verheiratet.«

Das war zuviel für Roisia. Sie holte aus und schlug mit ihrem Humpen nach Tabs Kopf. Dieser duckte sich, und Roisia landete der Länge nach im Schlamm.

»Tab!« rief Athelstan. »Hört auf mit dem Unfug! Hilf Roisia auf, und geht zur Kirche. Der Wagen für unser Festspiel ist gekommen.«

Roisia kniete im Schlamm und packte ihren Mann beim Arm. »Du sollst den Hl. Petrus spielen«, schrie sie. »Aber Watkin wird die Rollen verteilen, wie es ihm paßt.«

Mann und Frau, auf einmal entschlossene Verbündete, machten sich auf den Weg nach St. Erconwald. Athelstan ritt weiter, vorbei an der Priorei von St. Mary Overy und zur Auffahrt der London Bridge. Am Straßenrand waren die Büttel damit beschäftigt, Strafen zu verhängen. Zwei Färber, die aus Hundekot eine braune Farbe gemacht hatten, die schon vom ersten Regenschauer ausgewaschen wurde, standen mit blankem Hintern, die Schamteile nur mit einem Tuchfetzen bedeckt, nebeneinander; sie waren an Hand und Fuß aneinandergefesselt und würden so stehenbleiben, bis die Sonne unterging. Stock und Pranger waren ebenfalls mit den üblichen Spitzbuben besetzt - Taschendieben und anderen kleinen Gaunern, die Festnahme und einen Tag Haft als Berufsrisiko betrachteten. Aber auch der Todeskarren war gekommen und stand jetzt unter dem hohen Balkengerüst des Schafotts. Ein Verbrecher, der die Schlinge bereits um den Hals trug, erklärte der völlig gleichgültigen Menge, er sei unschuldig. Das unter zottigem Haar und Bart fast verborgene Gesicht des Verurteilten war sonnenverbrannt. Als er Athelstan erblickte, sprang er auf dem Karren auf und ab.   

»Da ist ein Priester!« schrie er. »Da ist ein Priester! Ich will beichten! Ich will nicht zur Hölle fahren!«   

Athelstan stöhnte, als Amtsdiener Bladdersniff auf ihn zukam. Seine Essigmiene sah noch saurer aus als sonst.

»Wir konnten keinen Priester finden, der ihm die Beichte abnehmen könnte«, sagte Bladdersniff. »Er hat bei einer Schenkenprügelei eine Hure umgebracht, aber er wurde gleich gefaßt und hat die Nacht im Kerker verbracht, betrunken wie ein Schwein.« Bladdersniff hielt sich an Philomels Zügel fest und schwankte bedrohlich.

Du bist selbst auch nicht allzu nüchtern, dachte Athelstan. Er stieg ab, warf Bladdersniff den Zügel zu und kletterte auf den Henkerskarren. Der verurteilte Verbrecher war entzückt - ob über die verschobene Hinrichtung oder den erwarteten geistlichen Trost, konnte Athelstan nicht entscheiden. Simon, der schwarz maskierte Henker, der auch als Küchenknecht in Merrylegs Pastetenladen arbeitete, grinste Athelstan unter der Maske hervor zu, sprang vom Wagen und begab sich außer Hörweite.

»Setz dich«, sagte Athelstan. »Wie heißt du?«

»Robard.«

»Und woher kommst du?«

»Ich bin in Norwich geboren.«

»Wie hast du gelebt? Was war dein Beruf?«

»Oh, ich war Seemann, Pater.« Er zog sein zerlumptes Wams zurück und entblößte einen zernarbten Arm. »Das heißt, bis jemand kochendes Ol über mich gekippt hat.«

»Kanntest du Kapitän Roffel?« fragte Athelstan.

»Kapitän Roffel?« wiederholte Robard, und sein bärtiges Gesicht erstrahlte in einem zahnlosen Grinsen. »Ja, den kannte ich, Pater. Der größte Pirat diesseits von Dover. Ein Mörder, Pater.« Robard rülpste, und schaler Bierdunst wehte Athelstan ins Gesicht. »Ein Sodomit war er außerdem.« Robard sah ihn entschuldigend an. »Ich meine es im ursprünglichen Sinne, Pater. Er liebte Knaben und hübsche junge Männer. Hat ihnen dauernd an den Hintern gefaßt, jawohl. Mir allerdings nie, was ich bedaure. Wenn er einen leiden konnte, kriegte man nämlich immer gute Rationen.«

»Du wolltest beichten«, erinnerte Athelstan ihn.

»Ach ja.« Der Gauner machte ein flüchtiges Kreuzzeichen. »Segne mich, Vater, denn ich habe gesündigt. Meine letzte Beichte war vor dreißig Jahren. In Demut und Reue bekenne ich alles.«

»Was meinst du damit?« fragte Athelstan.

»Ich bekenne alles«, wiederholte Robard. »Was immer Euch einfallt, Pater, ich hab’s getan. Ich habe Frauen und Knaben gevögelt, und einmal sogar ein Schaf. Ich habe anderen Männern ihr Hab und Gut gestohlen, sogar ihre Weiber. Es vergeht keine Stunde, da ich nicht fluche. Ich war nie in der Kirche.« Die Augen des Mannes füllten sich plötzlich mit Tränen. »Wißt Ihr, Pater, ich habe einen Scheißdreck gemacht mit diesem Leben. Nicht eine gute Tat habe ich getan.« Er blinzelte ein paarmal und sah den Ordensbruder an. »Ich habe niemals Liebe gezeigt, aber ich habe ja auch nur einen Scheißdreck bekommen. Meinen Vater kenne ich nicht, und meine Mutter hat mich auf die Kirchentreppe gelegt, als ich zwei Sommer alt war.« Robard fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Und jetzt werde ich sterben, Pater. Auf Erden war ich in der Hölle - warum also muß ich den Rest der Ewigkeit auch da verbringen?« Die Tränen rannen ihm jetzt ungehemmt übers Gesicht. »Ich wünschte, ich könnte noch einmal zurück«, flüsterte er. »Ich wünschte, es ginge. Es gab einmal ein Mädchen, Pater. Sie hieß Anna, und sie war weich und warm. Ich glaube, sie hat mich geliebt.« Er wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. »Es tut mir leid, Pater.« Wieder leckte er sich über die trockenen Lippen. »Nie wieder werde ich das Meer oder den Himmel sehen. Nie wieder die zarte Haut eines Weibes fühlen oder roten Wein trinken. Ich habe guten Wein getrunken, Pater. Gott, ich könnte jetzt welchen gebrauchen.«

Athelstan sah sich nach Simon um. »Simon, bring diesem Mann etwas zu trinken - einen ordentlichen Rotwein.« Er wühlte eine Münze aus der Börse und warf sie dem Henker zu; der fing sie geschickt auf. Athelstan deutete mit dem Finger auf ihn. »Und für dich auch einen.«

Simon verschwand in der nächsten Taverne und kam mit einem zweihenkligen Flaschenkorb zurück, in dem ein randvoller Krug mit einem starken Bordeaux stand. Er gab ihn Athelstan, und der reichte ihn Robard -vorsichtig, denn dem waren die Hände gefesselt.

Robard schob ihn sanft zurück. »Nein, Pater, nehmt Ihr einen Schluck. Und wünscht mir alles Gute.«

Athelstan tat, wie geheißen. »Ich wünsche dir alles Gute, Robard.«

Robard nahm den Wein.

»Hast du den Tod verdient?« fragte Athelstan.

»Gewiß. Ich habe die Hure totgeschlagen. Sie hat über meinen Arm gelacht. Komme ich in die Hölle, Pater?«

»Willst du hin?« fragte Athelstan.

»Oh nein.«

Athelstan murmelte die Worte der Absolution und machte langsam ein Kreuzzeichen. »Du bist von deinen Sünden freigesprochen, Robard. In der Hölle sind nur die, die dort sein wollen.« Athelstan stand auf. »Du hast vielleicht ein schlechtes Leben geführt, aber du wirst einen guten Tod haben. Christus hat am Kreuz gezeigt, daß er auf der Seite der bußfertigen Sünder steht. Jetzt trink deinen Wein. Und trinke ihn schnell. Möge Gott dir helfen.«

Athelstan kletterte vom Karren. Als er beim Henker vorbeikam, nahm er ihn beim Arm.

»Um der Liebe Christi willen«, flüsterte er, »laß ihn seinen Wein trinken, und dann mach es kurz.«

Simon nickte. Athelstan ging zu Philomel und stieg in den Sattel.

»Pater!«

Athelstan sah sich nach dem Schafott um. Er stieß dem Pferd die Fersen in die Weichen und lenkte es zum Karren. Robard leerte seinen Humpen.

»Ich habe gesagt, daß mir keiner Liebe gezeigt hat. Scheißdreck war das Wort, das ich benutzt habe.« Der Verurteilte lächelte. »Aber ich habe mich geirrt. Wie nennt man Euch, Pater?«

»Athelstan.« 

»Gott sei mit Euch, Bruder Athelstan.«

Athelstan ruckte an Philomels Zügel und trieb ihn voran. Hinter sich hörte er Simons Peitsche und das Knarren der Räder, als die Pferde Robard den Karren unter den Füßen wegzogen. Ihm war, als höre er bei Simons kräftigem Zug an den Beinen des Gehenkten auch Robards Genick knacken.

»Gütiger Jesus«, flüsterte er leise, »hab Erbarmen mit ihm und uns allen!« Er schaute zu der wimmelnden Brückenzufahrt hinüber. »Aber besonders mit ihm. Besonders mit ihm!«