I
ch kehre ins Büro zurück und formatiere das Nachrichtenblatt, während mein Gehirn lediglich auf Autopilot funktioniert. Als ich fertig bin, emaile ich Pauline, dass ich mich nicht wohlfühle und heute nicht in der Lage sein werde, die internationale Politik Sparte zu verfassen.
Dann fahre ich meinen Computer herunter und gehe.
Als ich heimlaufe, nehme ich meine Umgebung kaum war und stoße mit einer Frau zusammen, die plötzlich vor der médiathèque
stehen bleibt. Ich entschuldige mich. Sie lächelt, tätschelt mich am Arm und sagt mir, dass es ihr Fehler war.
Sie ist hochschwanger.
Mir läuft es kalt den Rücken herunter, als ich ihren runden Bauch sehe und feststelle, dass ich meine Periode im Juni nicht hatte.
Das bedeutet, dass ich sie seit fast zwei Monaten nicht mehr hatte.
Das muss nichts bedeuten.
Es
darf nichts
bedeuten.
Ich wiederhole diese Worte in meinem Kopf, während ich zwei Schwangerschaftstests in der Apotheke an der Ecke kaufe. Ich wiederhole diese Worte weiterhin, bis ich auf das weiße Stäbchen pinkle und es mir einen Smiley zeigt.
Ich mache den zweiten Test und das Stäbchen lächelt mich erneut an.
Also ist es nicht
nichts.
Ich wasche mir die Hände und greife nach der Pinzette auf der kleinen Ablage unter meinem Badezimmerspiegel.
Wie ist das möglich?
Raphael und ich hatten nie ohne Verhütung Sex. Nicht ein Mal.
Abwesend erkunde ich mein Gesicht im Spiegel und sage mir selbst, dass meine Augenbrauen ein wenig Einhalt gebrauchen könnten.
Ich ziehe ein Haar heraus.
Autsch.
Das tut fast genauso weh, wie Brazilian Waxing. Wie können das Frauen täglich machen?
Es ist allgemein bekannt, dass Kondome nur während neunzig Prozent der Zeit funktionieren. Wenn man in Betracht zieht, wie viel Sex wir seit Januar hatten, hätte ich meinen Gynäkologen bitten sollen, mir die Pille zu verschreiben.
Ich rupfe weitere Haare auf beiden Seiten heraus.
Wenn ich wirklich schwanger bin, könnte ich einfach ins Krankenhaus gehen und eine Abtreibung machen lassen. Glücklicherweise kann man das in Frankreich ohne Probleme machen.
Ich begutachte meine verdünnten Augenbrauen im Spiegel. Sie sind ungleich.
Mann, ich bin echt mies darin.
Ich versuche mich erneut an der linken Augenbraue.
Raphael wollte nie, dass das passiert. Er will keine Kinder und auch keine Familie. Er will nicht mal eine normale Freundin. Was mir passiert ist, ist nicht sein Fehler und es wäre nicht fair es zu seinem Problem werden zu lassen.
Meine linke Augenbraue ist nun eine dünne Linie, so wie Frauen ihre Augenbrauen in den Siebzigern trugen. Ich kümmere mich lieber um die Rechte, damit sie gleich aussehen.
Ich werde es abtreiben lassen.
Und dann werde ich zu Gaspards Fern-Sexsklavin, um sicher zu stellen, dass mein dreckiges Geheimnis im Verborgenen bleibt und Mama und Papa dieses Video niemals sehen werden.
Oder ich gehe das Risiko ein und sage Raphael die Wahrheit. Die ganze Wahrheit – der Gang Bang, die Erpressung, die Schwangerschaft. Die komplette Bandbreite. Er wird vermutlich denken, dass ich genau wie diese Auditorin Adele bin. Eine Goldgräberin, die es darauf anlegt, ihm eine Falle zu stellen und ihn auszunutzen.
Ich sterbe lieber, bevor er so etwas von mir denkt.
Alternativ könnte ich einfach wie bisher weitermachen und nichts tun.
Meine Augenbrauen haben nun Löcher und sehen aus, wie gepunktete Linien. Ich reiße ein wenig mehr aus, bis ich auf eine Frau starre, die keine Augenbrauen mehr hat.
Ich entblöße meine Zähne vor ihr und winke.
Hallo zusammen. Ich bin Mia Stoll, eine nuttige Verrückte.
Das wird passieren, wenn ich nichts tue: Der Fötus in mir wird heranwachsen und zu einem Baby werden. Raphael wird mich verachten. Gaspard wird das Video meinen Eltern zukommen lassen. Sie werden am Boden zerstört sein. Sie werden mich nicht mehr sehen wollen.
Ich lege die Pinzette zurück auf die Ablage und verlasse das Badezimmer.
Es gibt tatsächlich eine weitere Sache, die ich machen könnte.
Verschwinden.