15. KAPITEL

An diesem sonnigen Julitag sah alles friedlich und normal aus. Ein Supermarktmitarbeiter schob Einkaufswagen zusammen, und ein Bus mit dem Schriftzug eines Zentrums für betreutes Wohnen fuhr gerade vom Parkplatz.

Hale ließ den Blick über die abgestellten Wagen gleiten. Warum musste Blau nur so eine beliebte Farbe sein? Connies Wagen sah er auch nirgends, obwohl sie doch bei der Arbeit sein müsste. Hoffentlich kam sie nicht genau in dem Moment dazu, wenn etwas passierte! Hale machte sich Vorwürfe, weil er sich zu sehr mit einzelnen Details befasst hatte. Übertriebene Loyalität zu Joel hatte ihn blind gemacht. Doch er war entschlossen, das nun wiedergutzumachen.

Plötzlich sah er einen blauen Lieferwagen mit Nummernschildern aus Montana auf Connies Laden zufahren. Hale erkannte Norm Kinsey, der am Steuer saß – und der offenbar etwas gegen das Schaufenster schleudern wollte. Hoffentlich keinen Molotowcocktail oder eine Brandbombe! Aber irgendetwas hielt er in der Hand.

Hales Puls begann zu rasen. Er musste Connie beschützen und Norm aufhalten – um jeden Preis, auch wenn es ihn seinen Job oder sein Leben kosten würde.

Hale zog seine Pistole und fuhr neben den Lieferwagen. Genau in dem Moment, als er Norm ins Visier nahm, drehte dieser sich um und sah ihm in die Augen.

Rufend befahl Hale ihm, anzuhalten und aus dem Wagen zu steigen. Doch der ältere Mann grinste nur höhnisch. Und dann sah Hale etwas, das entweder eine überdimensionierte Pistole oder ein sehr merkwürdiges Gewehr sein musste.

Hale schoss. Mit einem ohrenbetäubenden Knall durchschlug die Kugel das Dach des Lieferwagens. Er hatte den Angriff auf den Laden verhindert, doch jetzt versuchte Norm zu entkommen.

Plötzlich machte der Lieferwagen einen Schlenker, und diesmal hatte Norm offenbar nicht den Laden im Visier, sondern Hale. Warum flüchtete er nicht einfach? Diese Aktion konnte er doch unmöglich Joel in die Schuhe schieben!

Weil er es auch auf mich abgesehen hat, verstand Hale plötzlich. Denn er hatte damals Joels Aussage bestätigt. Und offenbar legte Norm es auch auf einen aufsehenerregenden Abgang an: Er fuhr jetzt direkt auf Hale zu und zielte auf seinen Wagen.

Hale, der keine Zeit hatte, das Fenster zu schließen, warf sich flach auf den Sitz, was einen heftigen Schmerz in seiner verletzten Körperhälfte hervorrief. Er hörte mehrmals etwas knallen, dann verspürte er einen brennenden Schmerz und fühlte etwas Klebriges über seinen Körper rinnen.

Als Connie das Polizeirevier verlassen wollte, stieß sie fast mit Joel zusammen.

„Captain Ferguson hat einen Verdacht, wer der Fahrer des blauen Lieferwagens sein könnte“, berichtete sie. „Aber er wollte es mir nicht verraten. Ahnst du es vielleicht?“

„Norm Kinsey“, sagte Joel sofort, dem gerade alles klar geworden war. „Er ist nach Montana gezogen, aber ich bin ihm vor ein paar Wochen in Josés Taverne begegnet.“

Natürlich, dachte Connie. Norm Kinsey war der Lieutenant gewesen, der einen Insassen zusammengeschlagen haben sollte und gegen den Joel ausgesagt hatte. „Er hat kein Recht, dir etwas heimzahlen zu wollen“, sagte sie aufgebracht. „Du hast doch nur ausgesagt, was du gesehen hast!“

„Leute wie Kinsey übernehmen nicht gern Verantwortung für ihr Handeln. Deswegen hat er mir die Schuld daran gegeben, dass er Arbeit und Rentenansprüche verloren hat“, erwiderte Joel. „Übrigens hatte er jede Menge Unterstützung unter den Kollegen. Einige davon sind inzwischen im Ruhestand, aber eine ganze Reihe ist noch da und würde sich bestimmt diebisch freuen, wenn ich entlassen würde.“

„Ich wünschte, das hättest du mir damals erzählt“, sagte Connie erschüttert.

„Eine Frau sollte auch so zu ihrem Ehemann halten“, erwiderte Joel angespannt.

„Und ein Mann sollte seine Frau wertschätzen“, entgegnete Connie.

Sie schwiegen, als ein paar Polizeibeamte vorbeigingen.

„Tja, wir waren wohl immer wie Feuer und Wasser, einfach nicht kompatibel“, stellte Joel dann fest. „Ich sollte langsam mit der Vergangenheit abschließen und nach vorn blicken. Allerdings bezweifle ich, dass ich noch mal so eine Klassefrau wie dich finde.“

„Danke für das Kompliment“, sagte Connie leise. So etwas Nettes hatte sie von Joel seit Beginn ihrer Ehe nicht mehr gehört.

„Na ja, es stimmt doch.“ Joel seufzte. „Du hast mich schon bei unserer ersten Begegnung total umgehauen. Deine Outfits, dein Gang, einfach alles. Ich wusste wohl einfach nicht, wie ich mit dir umgehen sollte, als wir dann ein Paar waren.“

„Du bist mir also nicht mehr böse?“

„Erwarte nicht, dass ich ab jetzt Lachgesichter auf die Unterhaltsschecks male“, antwortete Joel. „Aber lass uns das Kriegsbeil begraben.“

Als sie einander die Hand gaben, war Connie unendlich erleichtert. Vielleicht würden sie doch eines Tages Freunde werden.

In diesem Moment rief jemand laut Joels Namen, und draußen waren mehrere Martinshörner zu hören. Sofort rannte er los.

Verwirrt wandte Connie sich an einen anderen Polizisten.

„Jemand hat dringend Verstärkung angefordert“, erklärte dieser.

„Wer denn?“, fragte Connie voller Angst. Bitte nicht Rachel oder …

„Hale Crandall.“

Sie hatte das Gefühl, ihr Herz würde stehen bleiben. Sie hatte Hale abgewiesen, weil ihm ihrer Ansicht nach seine Freunde wichtiger gewesen waren als sie. Dabei hatte er sich einfach nur fair verhalten, anstatt Joel vorschnell zu verurteilen.

Inständig hoffte Connie, dass Hale nichts passiert war. Und ihr wurde eins bewusst: Wie viel auch immer er von sich zu geben bereit war, sie würde es dankbar annehmen. Hoffentlich kam diese Erkenntnis nicht zu spät …

Ungläubig betrachtete Hale das klebrige rote Zeug, das ihn bedeckte. Er war mit Paintballs beschossen worden! Dafür hatte Norm sein Leben aufs Spiel gesetzt?

Er forderte Verstärkung an und setzte die Verfolgung fort. Nach kurzer Verfolgungsjagd auf der Straße raste der blaue Lastwagen plötzlich zurück zum Parkplatz – und fuhr direkt in eine Laterne.

Als Hale mit gezogener Waffe ausstieg, schmerzte seine linke Seite wie verrückt. Norm lag zusammengesunken über dem Lenkrad. Zum Glück roch es nicht nach Benzin, es bestand also keine Brandgefahr.

Da kam auch schon die Verstärkung: Streifenwagen und Sanitäter. Hales Kollegen rissen die Tür des Lieferwagens auf und legten Norm, der aschfahl war und sehr flach atmete, Handschellen an.

„Tja, da hat es mich wohl vor euch erwischt“, keuchte er. „Aber immerhin habe ich euch noch ein bisschen aufgescheucht.“

„Du hast dir gedacht, du würdest ja ohnehin bald sterben?“, fragte Hale.

„Genau. Aber ich wollte noch eine alte Rechnung begleichen.“

„Ja, du hast eine unschuldige Frau und ein Kind terrorisiert. Eine wahre Heldentat“, sagte Hale ironisch. „Und warum hattest du es ausgerechnet auf Ben Lyons abgesehen? Er und sein Vater haben dir doch nichts getan.“

Norm verzog das Gesicht. „Na und?“

Ein Sanitäter begann sich um ihn zu kümmern. „Du solltest dich auch untersuchen lassen“, riet er Hale.

„Nicht nötig“, wehrte dieser ab. Doch als sein Adrenalinpegel langsam wieder sank, bemerkte er die starken Schmerzen in seinem Bein. Er wollte unbedingt nach Connie sehen, und irgendwie würde er es schon bis zum Laden schaffen. Aber gleich beim ersten Schritt gab sein Bein nach, und er stürzte zu Boden.

„Hierher!“, rief der Sanitäter seinen Kollegen zu. „Der Detective hat jede Menge Blut verloren.“

Hales Protest ging im allgemeinen Trubel unter.

Connie musste all ihre Willenskraft aufbringen, um sich ihre Angst nicht anmerken zu lassen, als sie Skip abholte und zu Keri brachte. Sollte das Schlimmstmögliche passiert sein, wollte sie es Skip lieber erst erzählen, wenn sie sich Rat bei Dr. Federov geholt hatte. Und wenn Hale unversehrt war, brauchte sie den Jungen ja nicht unnötig zu ängstigen.

Wieder im Wagen rief sie Hale an, erreichte ihn jedoch nicht. Voller Panik überlegte sie, was sie tun sollte. Zurück zum Revier fahren und Joel fragen, ob er etwas wusste? Als sie noch immer unentschlossen losfuhr, kam ihr ein Rettungswagen entgegen – aus der Richtung ihres Ladens. Sofort fuhr Connie hin und fand zwei Streifenwagen vor.

„Ist Hale etwas passiert?“, fragte sie einen der Beamten atemlos.

„Er hat ziemlich viel Blut verloren und wurde ins Krankenhaus gebracht. Mehr weiß ich leider auch nicht. Aber fragen Sie doch mal meinen Kollegen“, erwiderte dieser.

Connie näherte sich dem Mann. Er untersuchte einen blauen Lastwagen mit Nummernschildern aus Montana, der einen Laternenpfahl gerammt hatte. Auf dem Weg zu ihm wurde sie von Tracy Johnson abgefangen, die den Polizeibeamten offenbar gerade interviewt hatte.

„Der Kerl, der dich belästigt hat, wurde gefasst!“, verkündete die Reporterin. „Und schon wieder war Hale Crandall der Retter. So langsam braucht er ein Superheldenkostüm!“

Connie hatte gerade keinen Sinn für Scherze. „Ist er schwer verletzt?“

„Nein, nur sein Bein ist wieder etwas lädiert.“ Tracy lachte. „Allerdings sah er ziemlich schlimm aus. Norm Kinsey hat ihn nämlich mit roten Paintballs beschossen. Er ist in wesentlich besserem Zustand als Norm Kinsey.“

Connie sank gegen ein Auto. „Ich dachte, er wäre angeschossen worden.“

„Nein, Norm hatte einen Herzanfall.“

„Ich meinte Hale! Ich hatte so furchtbare Angst um ihn!“ Sofort bedauerte Connie, ihre Gefühle so preisgegeben zu haben. „Er ist ja mein direkter Nachbar“, fügte sie schnell hinzu.

„Und noch ein bisschen mehr als nur das, vermute ich“, bemerkte Tracy lächelnd. „Aber keine Sorge, die Villazon Voice druckt keine Klatschgeschichten. Aber kann ich vielleicht einen Kommentar zu den Ereignissen von dir bekommen?“

Erst wollte Connie ablehnen, doch dann wurde ihr klar, dass es eine ausgezeichnete Werbung für ihre Läden wäre. Sie überlegte kurz und sagte dann: „Ich bin der Polizei von Villazon und insbesondere Hale Crandall sehr dankbar und freue mich, dass meine Mitarbeiterinnen und meine Kunden mir so treu zur Seite gestanden haben. Das bedeutet mir sehr viel.“

„Möchtest du auch zu Lieutenant Kinsey etwas sagen?“

Connie fand es abstoßend und unverantwortlich, was Norm getan hatte. Doch sie gab sich einen Ruck und erwiderte: „Mir tun seine Verwandten und seine Freunde leid, wenn er welche hat, denn offenbar geht es ihm nicht gut. Aber ich bin auch sehr froh, dass meine Angestellten und ich jetzt vor ihm sicher sind.“

Tracy schaltete ihr Aufnahmegerät aus. „Super, vielen Dank!“, sagte sie und verabschiedete sich.

Connie ging zu ihrem Laden. Jetzt, da sie keine Angst mehr haben musste, wurden ihre Vorwürfe immer stärker: Sie hätte zu Hale halten müssen, bis sich die Dinge geklärt hatten. War es einfach die Angst gewesen, erneut enttäuscht zu werden, wie auch bei ihrem Vater und ihrem Exmann? Wäre sie das Risiko doch nur eingegangen!

Mit Mühe rang Connie sich ein Lächeln ab, bevor sie den Laden betrat, wo sie von Jo Anne und Paris erfreut begrüßt wurde.

„Hale hat den Laden praktisch im Alleingang gerettet!“, berichtete Jo Anne begeistert.

„Wie in einem Western!“, fügte ihre Tochter hinzu.

Connie hörte lächelnd zu – und hoffte insgeheim, Hales Vertrauen nicht ein für alle Mal verspielt zu haben. Sie hatte keine Ahnung, wie sie ihn zurückgewinnen sollte. Aber sie war fest entschlossen, es zu versuchen.

Hale wusste nicht mehr, wer ihn an diesem Nachmittag schon alles als Helden bezeichnet hatte: die Krankenhausmitarbeiter, die seinen Knöchel versorgten und ihm Krücken mitgaben, die Journalisten, die ihn vor dem Polizeirevier mit Fragen bombardierten, Derek, der PR-Verantwortliche der Polizei …

Chief Lyons bedankte sich überschwänglich. „Ich kann Ihnen gar nicht sagen, was es mir bedeutet, dass die Sache aufgeklärt wurde.“

Norm Kinsey war im Krankenhaus an Herzversagen gestorben, bevor er hatte gestehen können, dass er den Brand in Bens Apartment gelegt hatte. Doch auch so waren die Indizien eindeutig.

Als Hale sich ein paar Unterlagen aus seinem Zimmer holte, die er trotz Krankschreibung mitnehmen wollte, kamen einige der älteren Polizeibeamten herein, die sich gegen Joel gestellt hatten.

„Damals fanden wir, dass Norm ungerecht hart bestraft wurde“, erklärte einer von ihnen. „Aber dass er Connie terrorisiert hat, um sich an Joel zu rächen – das war absolut nicht in Ordnung.“

„Er ist eine Schande für die Polizei!“, warf ein anderer ein. „Wir sollten doch die Guten sein!“

Nachdem sie sich wieder verabschiedet hatten, kam Joel herein. „Danke, dass du zu mir gehalten hast“, sagte er leise. „Ich bin dir einiges schuldig.“

„Gib mir einfach ein Dutzend Donuts aus“, erwiderte Hale gutmütig.

„Dass wir Norm überhaupt erwischt haben, verdanken wir Connie“, meinte Joel. „Sie hat uns den entscheidenden Hinweis mit dem blauen Lieferwagen gegeben. Bestimmt hatte sie ziemliche Angst um dich.“

„Allerdings“, bestätigte Hale, obwohl er noch gar nicht von ihr gehört hatte. Dann fiel ihm ein, dass sein Handy noch ausgeschaltet war. Er hatte keine Lust mehr auf die Interviewanfragen diverser Zeitungen gehabt.

Und bevor er sich bei Connie meldete, musste er sich genau überlegen, wie er sein Anliegen vorbringen wollte. Er wollte sich nicht mehr darauf verlassen, dass die Anziehung zwischen ihnen und die Tatsache, dass sie Nachbarn waren, sie automatisch zusammenbringen würden. Leider war er nicht der Typ für schluchzende Geigen und romantische Essen bei Kerzenlicht. Es musste eine andere Möglichkeit geben, Connie zu zeigen, was sie ihm bedeutete. Und er hatte auch schon eine Idee …

Als Connie mit Skip zu Hause ankam, bemerkte sie verwundert die Erdhaufen vor ihrem Haus. Ein ganzes Rudel Erdhörnchen hätte den Garten kaum effektiver umgraben können. Doch in diesem Fall steckte ein einzelnes menschliches Erdhörnchen dahinter, das auf Krücken gestützt einem Gärtner Anweisungen gab. Eine leichte Brise zerzauste Hales Haar, und Erde zierte sein Gesicht.

Connie hatte vor Angst um ihn fast den Verstand verloren, und was tat er? Er zerstörte ihren Garten!

„Graben die einen Swimmingpool für uns?“, fragte Skip hoffnungsvoll.

Ich glaube eher, Hale schaufelt sich sein eigenes Grab, dachte Connie. Laut sagte sie: „Das wüsste ich auch gerne.“

Sobald sie geparkt hatte, sprang Skip aus dem Wagen und rannte zu Hale. „Hallo Hale! Tut mir leid, dass du dir schon wieder am Bein wehgetan hast! Was machst du da?“

„Ich pflanze etwas.“ Hale blickte zu Connie hinüber. „Eigentlich wollte ich es selbst machen, aber der Arzt sagte, ich dürfte mich nicht anstrengen.“

„Und ich muss ja auch von irgendetwas leben“, warf der Gärtner gutmütig ein.

Stirnrunzelnd betrachtete Connie die Blumen, die er ausgegraben hatte. Hale bemerkte ihren Blick. „Keine Sorge, wir pflanzen die rundherum wieder ein, sobald wir fertig sind.“

„Rundherum um was?“

Er wies auf drei Plastikwannen mit Rosenbüschen, die laut Etikett in unterschiedlichen Rosatönen blühen würden – Connies Lieblingsfarbe.

„Ich hätte dir auch einen riesigen Strauß Rosen schenken können, aber die wären ja nach ein paar Tagen schon verwelkt gewesen“, sagte er lächelnd. „Stattdessen bekommst du Blumen, an denen du viele Jahre Freude haben wirst. Außerdem schützen die Büsche deinen Rasen vor trampeligen ballspielenden Nachbarn.“

Aber ich habe eine Schwäche für trampelige ballspielende Nachbarn, dachte Connie. Allerdings missfiel ihr Hales leicht selbstherrliche Art. „Du schenkst mir nicht einfach Rosenbüsche“, korrigierte sie ihn. „Du hast eigenmächtig entschieden, meinen gesamten Rasen umzugraben.“

Hales Lächeln verschwand. „Das sieht mir ähnlich. Ich habe die besten Absichten, aber die Umsetzung ist dann eher suboptimal.“

Er wirkte so zerknirscht, dass Connies Empörung verpuffte. Wären sie allein gewesen, hätte sie ihn umarmt und sich an ihn geschmiegt – trotz Erdflecken. „Es wird bestimmt sehr schön aussehen, wenn es fertig ist“, sagte sie versöhnlich.

„Ich helfe dir dann auch beim Stutzen“, versprach Hale.

Skip zerrte an seinem T-Shirt. „Komm, wir gehen schwimmen!“

„Damit müssen wir noch einen oder zwei Tage warten“, sagte Hale und wies auf seinen Fuß. „Aber bald machen wir mal eine Poolparty, zu der du deine Freunde einladen kannst, okay?“

Skip jubelte begeistert.

„Und vielleicht möchtet ihr beide ja heute Abend zum Essen zu mir kommen?“

„Sehr gerne. Und … vielen Dank, Hale“, erwiderte Connie leise. „Für die Rosen, dafür, dass Kinsey geschnappt wurde – und vor allem dafür, dass dir nichts passiert ist.“

„Die Freude ist ganz meinerseits.“ Er sah auf die Uhr. „Wir sind in etwa einer halben Stunde hier fertig. Bis später dann!“

Connie ging mit Skip nach Hause und zog sich um. Als sie aus dem Haus kamen, waren Connies einjährige Pflanzen ordentlich rund um die Rosenbüsche gepflanzt worden.

Es war wirklich ein dauerhaftes Geschenk und viel bedeutungsvoller als ein Blumenstrauß. Connie konnte es nicht fassen, wie schwer sie es Hale immer gemacht hatte. Sein unbekümmerter Übermut und seine gelegentliche Gedankenlosigkeit wurden doch durch seine Großmut und seine Charakterstärke mehr als wettgemacht.

Als sie und Skip Hales Haus betraten, stellte sie fest, dass dort vor Kurzem jemand sauber gemacht hatte. Auch die Küche, in der die Türen der Schränke ersetzt worden waren, sah jetzt richtig anständig aus.

Beim gemeinsamen Essen – Lasagne und Eis – erzählte Hale detailliert von den Ereignissen des Tages. Skip hörte wie gebannt zu. Als er von den älteren Kollegen berichtete, die sich entschuldigt hatten, sagte Connie: „Übrigens haben Joel und ich auch Frieden geschlossen. Ich wusste bis vor Kurzem übrigens gar nicht, wie viele Kollegen sich damals gegen ihn gestellt haben, Hale. Das hätte er mir erzählen müssen!“

„Echte Männer jammern eben nicht rum.“

„Wenn Joel doch nur …“ Connie unterbrach sich, denn das war wirklich nicht das entscheidende Problem in ihrer Ehe gewesen. „Jetzt weiß ich Bescheid und habe Mitgefühl mit ihm. Und es tut mir leid, dass ich deinem Gefühl in Bezug auf Joel nicht vertraut habe. Wahrscheinlich kennst du ihn in vieler Hinsicht viel besser als ich.“

„Na ja, aber ich habe ihn nicht erlebt, als er ein Loch in die Wand geschlagen und deine Vase zerschmettert hat“, antwortete Hale. „Es gab schon Gründe, warum du vorsichtig warst.“

„Aber ich lag in Bezug auf einige Dinge ziemlich falsch.“

„Kann sein. Aber lass uns lieber später darüber sprechen.“ Hale klang ungewohnt ernst.

Als sie Skip ins Bett gebracht hatten, machten Hale und Connie es sich im Wohnzimmer bequem.

„Ich wüsste gerne, ob ich noch immer bei dir in Ungnade bin“, sagte Hale ohne Umschweife.

„Nein, ich habe alles vergeben und vergessen“, erwiderte Connie. „Du hoffentlich auch.“

Er nickte. „Freut mich, dass zwischen uns alles wieder normal ist.“

Aber was hieß „normal“? Gute Freunde, die zufällig auch ein Liebespaar waren? Das reichte Connie nicht mehr. Aber Hale war sicher noch nicht bereit, sich auf mehr einzulassen. Doch sie hatte beschlossen, anzunehmen, was immer er ihr geben konnte.

„Du bist nicht der Einzige, der über uns beide nachgedacht hat“, sagte sie. „Ich bin bereit, einen Kompromiss mit dir zu schließen, damit wir zusammensein können, ohne dass es dir zu viel abverlangt.“

„Du wirst also nicht versuchen, mir einen bestimmten Lebensstil aufzuzwingen?“

„Nein“, bestätigte Connie. „Ich kann mir ja denken, dass du nicht heiraten möchtest und …“

„Allerdings nicht“, versetzte Hale. „Ich würde dich nur in den Wahnsinn treiben mit meinen Partys und Umgrabeaktionen im Garten.“

„Nein, ich würde dich in den Wahnsinn treiben mit meinen Einrichtungsideen und meinen Vorstellungen von einer sauberen Küche.“

„Genau. Als ich dich das erste Mal gesehen habe, dachte ich: ‚Diese Frau ist wirklich unglaublich sexy, aber leider steht sie auf Porzellanfiguren. Wir würden uns gegenseitig nur unglücklich machen. Außerdem fände sie meine schwarze Satinbettwäsche bestimmt furchtbar‘.“

„Schwarze Satinbettwäsche?“ Connie erbebte leicht.

„Du musst ja nicht drin schlafen. Allerdings wäre es sicher ein hübsches Bild, dein blondes Haar auf dem Kissen ausgebreitet … ehrlich gesagt kam das immer in meinen erotischen Fantasien von dir vor.“

Plötzlich sehnte sie sich heftig danach, diese Fantasie in die Tat umzusetzen. „Vielleicht könnten wir das mal ausprobieren …“

Hale redete weiter, als hätte sie nichts gesagt. „Außerdem können wir nicht heiraten, weil ich schon seit Jahren in dich verliebt bin, schon vor eurer Scheidung. Und wenn Joel das kapiert, könnte er unangenehm werden – wie bei der Sache mit den Schokoriegeln.“

Connie errötete. „So etwas würde Joel nicht tun! Das erzählst du mir doch schon seit Wochen.“ Als ein Schweigen eintrat, wurde ihr erst bewusst, was Hale gerade gesagt hatte. „Du … du bist in mich verliebt?“

„Ja. Aber ich will nichts von diesem anstrengenden Hochzeitsblödsinn wissen“, erwiderte Hale. „Du würdest bloß in einem wunderschönen Traum zum Altar geschwebt kommen, vor dem ich dann in bekleckertem Smoking und zerrissener Hose stehen würde.“

Connie musste lachen.

„Und dann wäre da noch das Problem des Zeitpunkts.“ Er nahm ihre Hände. „Ich wäre für August und September, während du garantiert auf einer romantischen Hochzeit im Juni bestehen würdest, sodass wir ein ganzes Jahr warten müssten.“

Ihr Herz begann, schneller zu schlagen. „Eine aufwendige Hochzeit hatte ich ja schon, und das Ergebnis war nicht so toll, wie wir wissen. Mir würde also eine schlichte Trauung vollkommen reichen.“ Sie verstummte, erstaunt über ihre eigenen Worte. Sie taten ja so, als wäre das Ganze schon beschlossene Sache!

„Möchtest du mich vielleicht etwas fragen?“, wandte sie sich leise an Hale.

„Ja.“ Als er sie ansah, leuchteten seine Augen vor Liebe. „Connie, willst du meine Frau werden?“

„Endlich!“, platzte sie überglücklich heraus.

„Ich nehme an, das heißt Ja“, sagte Hale lächelnd.

Connie strich ihm über die Wange und genoss das Gefühl der rauen Bartstoppeln. „Als ich miterlebt habe, dass du dich wie ein Vater gegenüber Skip verhältst, wurde mir bewusst, wie oft ich schon auf dich zählen konnte. Wann genau ich mich in dich verliebt habe, weiß ich nicht mehr.“

„Von mir aus kann das vor fünf Minuten gewesen sein. Hauptsache, du liebst mich jetzt.“

Hale zog sie an sich und küsste sie. Es war ein sehr langer, unendlich zärtlicher Kuss. „Wäre es okay, wenn ich mein Haus behalte, damit ich auch in Zukunft mal eine Party feiern und ungestört Chaos anrichten kann?“

„Na klar. Außerdem muss Skip dann nicht auf seinen geliebten Pool verzichten.“

Hale nickte zufrieden. „Und was deine restlichen Porzellanfiguren angeht – die solltest du lieber aufheben – für den Fall, dass wir beide eine kleine Prinzessin bekommen.“

Ein tiefes Glücksgefühl erfüllte Connie. „Vielleicht wird sie ja auch ein kleiner Wildfang.“

Sie küssten sich wieder und dann ein zweites Mal und ein drittes … bis sie in Connies Schlafzimmer landeten. Jetzt fehlt nur noch die schwarze Bettwäsche, dachte Connie. Aber in den Genuss würden sie bestimmt bald kommen. Und wenn es nach ihr ging, auch ziemlich oft.

– ENDE –