ALEX

TAG VIER 13:15–13:22

Wir werden den Weg zurückgescheucht, den wir gekommen sind: durch den Vorraum und den schmalen Korridor entlang, der zur Lobby auf Deck Zwei führt. Kate, die um sich tritt und flucht, wird von einem der Bühnenarbeiter halb gezerrt, halb getragen.

Ich folge, hinter mir ein zweiter Assistent von Jackson, der mir die Hand auf den Rücken drückt und Tempo macht.

Köpfe werden in unsere Richtung gedreht, als man uns buchstäblich in die Lobby wirft. Kates Begleiter weicht vorsichtig einen Schritt zurück, während sie ein letztes Mal nach ihm tritt. So aufgebracht habe ich sie noch nie gesehen.

Ich beiße mir auf die Zunge, um nicht zu lachen.

Als die Bühnenarbeiter durch die Tür verschwinden, wendet sie sich wütend an mich.

»Was zum Teufel grinst du so? Du warst vollkommen nutzlos da drin. Ich musste mich allein um diese schleimige Kröte kümmern. Und wir haben verloren. Nichts davon ist komisch.«

Ich sehe mich um. Die Hälfte der Passagiere in der Lobby starrt uns an. Das ist nicht der richtige Ort.

»Wir müssen einen anderen Weg zur Brücke finden«, sagt sie. »Wie lange haben wir noch?«

»Etwa acht Minuten. Aber wir müssen nicht. Komm mit.« Ich nehme ihre Hand, sie folgt mir widerwillig und lässt sich zum Lift ziehen. Weg von den neugierigen Blicken.

»Wir wissen, dass das nicht funktioniert«, sagt sie. »Haben wir schon versucht.«

Ich warte, bis die Lifttür geschlossen ist. Dann drehe ich mich triumphierend zu ihr um und zeige ihr die Schlüsselkarte, die ich in der freien Hand versteckt habe.

Ihre Augen werden groß. »Was? Woher hast du die?«

Ich grinse. »Sorry, ich kann nicht anders. Aber während du damit beschäftigt warst, es Jackson heimzuzahlen, habe ich die Chance genutzt, mir die Karte zu schnappen. Das war eine hübsche Ablenkung. Die merken das natürlich irgendwann, aber bis dahin sind wir fort. Vielleicht sollte das Spiel sogar so ablaufen. Zu sehen, wie wir mit der verbarrikadierten Tür klarkommen. Was auch immer, wir müssen uns beeilen.«

Ich benutze die Karte, und diesmal leuchten die Lichter für Deck Eins grün auf.

Ja.

Kate atmet tief durch. »Klasse. Ich konnte dem Schleimbeutel eine reintreten, und wir haben den Preis trotzdem bekommen. Gut gemacht. Bringen wir es hinter uns, ehe sie uns auf die Schliche kommen.«

Die Brücke ist riesig und beansprucht anscheinend den größten Teil des Decks. Wir müssen über einen zerfetzten Kadaver steigen, als wir den Lift verlassen. Ein Besatzungsmitglied; die Frau muss versucht haben, zu fliehen, als jemand sie von hinten angriff. Es liegen noch andere Tote herum, niemand bewegt sich. Mindestens einem wurde offensichtlich der Kopf aufgerissen.

Die verantwortlichen Aliens sind anscheinend verschwunden. Das ist gut, denn wir sind unbewaffnet.

In der Mitte der Brücke befindet sich eine große, u-förmige Konsole, davor drei Sessel, einer größer als die anderen beiden. Ich gehe zu ihm hin. Auf der Sitzfläche befindet sich die untere Hälfte des Captains – zumindest vermute ich das. Es riecht durchdringend nach Blut.

»Was machen wir jetzt?«, frage ich. »Wie kriegen wir dieses Ding dazu, den Kurs zu ändern?«

Kate kommt zu mir, gemeinsam betrachten wir die Konsole. Die meisten Steuerungselemente sehen unverständlich aus, aber auf einem Panel steht »Autopilot« neben einem roten Ein/Aus-Knopf. Er ist wahrscheinlich ausgeschaltet.

»Aktivieren wir den Autopiloten«, sage ich. »Vermutlich ist er darauf programmiert, nicht in schwarze Löcher zu stürzen.«

Kate betrachtet die Bildschirme. »Ich sehe sonst nichts, das passen könnte. Uns bleiben noch rund fünf Minuten, aber warten kommt mir sinnlos vor. Wenn der Autopilot es nicht schafft, haben wir wenigstens noch Zeit, um eine andere Lösung zu suchen.«

Sie streckt die Hand nach dem Knopf aus.

Und erstarrt.

»Ich wäre nicht so hastig«, ertönt eine Stimme hinter uns.

Auch mein Avatar ist plötzlich eingefroren und kann nicht sprechen.

Amy Bird zeigt sich.

»Kate. Alex. Schön, euch zwei zusammen zu sehen. Mir hat die Game Show gefallen.« Sie lehnt sich an die Konsole, sodass sie in unserem Gesichtsfeld ist. Zu meiner Überraschung blutet sie stark aus einer Kopfverletzung und hinkt.

»Dieser kleine Pisser Ben. Seine Reaktionen sind viel schneller, als ich dachte. Mir war nicht klar, wie schmerzhaft ein Laserstrahl sein kann.« Sie berührt die Kopfwunde und betrachtet teilnahmslos ihre blutigen Finger. »Beeilen wir uns. Ich muss das richten lassen.«

Sie sieht uns an. »Ich gebe euch jetzt die Kurzfassung. Ihr spielt nicht nur gegen das Spiel. Ihr spielt gegen Ben. Er hat gerade ein ähnliches Szenario an Bord eines anderen Raumschiffs beendet. Deutlich schneller als ihr, muss ich sagen. Gerade sitzt er vor einem ähnlichen roten Knopf und überlegt, ob er ihn drücken soll. Die Regeln sind einfach. Wenn ihr beide den Knopf drückt, sterbt ihr alle. Drückt ihn keiner von euch, gehen die Spiele weiter, ihr werdet in das schwarze Loch gesogen und sterbt ebenfalls alle. Drückt nur ein Team den Knopf, gewinnt und überlebt das Team, das gedrückt hat. Das andere stirbt.

Es ist ganz einfach. Vergeudet keine Zeit, nach einem Win-win-Ergebnis zu suchen. Es gibt keines. Ihr könnt nicht alle überleben. Es ist ein Test, Opferbereitschaft versus Selbsterhaltung. Glaubt ihr, dass Ben selbstlos ist und euch leben lässt? Oder glaubt er, dass ihr es seid? Wird er den Knopf drücken, damit er eine Überlebenschance hat? Oder um sicherzugehen, dass ihr sterbt, wenn er es tut?«

Sie stößt sich von der Konsole ab und hinkt an uns vorbei. »Viel Spaß – aber ihr habt nur noch vier Minuten für eure Entscheidung.«

Ich höre die Brückentür auf- und zugehen, dann sind wir wieder frei.

Einen Moment streckt Kate die Hand weiter nach dem roten Knopf aus, dann zuckt sie zurück. Sie sieht mich an.

»Glauben wir ihr? Was sollen wir machen?«, fragt sie.

Ich atme gepresst aus. »Woher soll ich das wissen? Ich kann mir nicht vorstellen, was es ihr bringen würde, uns anzulügen.«

»Wir wissen nicht, wie viel Kontrolle sie über die Spiele hat«, sagt Kate. »Sie kann eindeutig irgendwie mit ihnen interagieren, aber vielleicht kann sie nicht verhindern, dass wir sie beenden. Dann wäre ihre einzige Möglichkeit, uns zu überzeugen, die Entscheidung selbst zu treffen. Sie hat uns oft genug angelogen. Und wir wissen, dass sie mit Sierra arbeitet, die ständig lügt.«

»Stimmt«, sage ich. »Was aber, wenn sie diesmal nicht lügt? Wenn es stimmt, was sie gesagt hat, wärst du bereit, Ben zu opfern, damit wir leben?«

»Wenn es wahr ist. Eine ziemlich große Mutmaßung. Wenn niemand von uns etwas tut, sterben wir alle. Am sichersten wäre es, den Knopf zu drücken, denn die Chance ist groß, dass Bird nicht lügt oder Ben seinen nicht drückt.«

»Aber wenn er genauso denkt, sterben wir alle. « Ich stelle fest, dass meine Stimme schrill klingt.

»Reiß dich zusammen. Uns läuft die Zeit davon, während wir das ausdiskutieren«, sagt Kate. »Wir müssen den Knopf drücken.«

»Ich will Ben nicht umbringen.«

Wir starren einander an, keiner bewegt sich. In Kates Augen leuchtet grimmige Entschlossenheit.

Wir zucken beide zusammen, als die Lichter in der Brücke zu Rot wechseln und blinken. »Kollisionswarnung«, ertönt eine Stimme. »Ereignishorizont entdeckt. Eine Minute bis zum Zusammentreffen.«

»Na gut«, sagt Kate. »Du musst es nicht machen. Ich mache es.«

Bevor ich reagieren kann, tritt sie einen Schritt vor und drückt den Knopf.