Auf dünnem Eis
„
M
ein Gott, Audrey“, sagte Brian und sah ihr direkt in die Augen.
„Das kann alles kein Zufall sein, oder?“ Was dachte er?, fragte sie sich, da er sich Zeit mit der Antwort ließ und Hartmans Buch fixierte. Sie hatte die entsprechende Stellen markiert.
Plötzlich stand Brian auf. „Du musst hier weg! Komm ein paar Tage zu mir. Ich habe ein Gästezimmer mit Extra-Bad.“
Perplex sah sie zu ihm auf. „Dann glaubst du mir?“
Er verzog die Mundwinkel. „Wer weiß, womöglich steckt dieser Scott Emery tatsächlich hinter allem und ist in Wirklichkeit Hartman!“
„Und vielleicht lebt mein Vater noch!“ Sie konnte den Gedanken nicht mehr für sich behalten. Sie klammerte sich daran wie eine Ertrinkende an das sinkende Boot.
„Bei mir bist du sicher. Dort können wir in Ruhe die nächsten Schritte überdenken. Ehrlich gesagt, fühle ich mich hier selbst nicht wohl.“
Sie nickte, stand auf und packte ein paar Sachen zusammen.
***
Die Loftwohnung lag in einem fünfstöckigen Gebäude in Downtown Indy. Die Backsteinfassade verlieh ihm einen rustikalen Charme. Direkt nebenan gab es einen Sportladen und einen süßen Deli. Ganz gentlemanlike trug Brian ihren Koffer. Noch immer saß ihr der Schrecken in den Gliedern. Brian drehte sich ein paarmal um und ließ ihr den Vortritt durch die zweiflügelige Eingangstür mit den Milchglasscheiben. Der Empfangsbereich war hell und freundlich. Steinplatten bildeten den Boden. In den Ecken standen Grünpflanzen. Brian steuerte auf einen Aufzug zu.
„Nach Ihnen, Miss Richards“, sagte er und setzte ein verführerisches Lächeln auf, wobei sich ein Grübchen auf seinem Kinn bildete.
„Wie bei Garrett“, rutschte es ihr heraus. Da erst bemerkte sie, dass sie ihn anstarrte und gar nicht mitbekommen hatte, dass die Aufzugstür bereits offen stand.
„Wer ist Garrett?“ Sein Blick wurde forschend.
„Ähm, niemand.“ Sie musste kichern.
Sobald sie im Aufzug standen und sich die Tür schloss, spitzte Brian die Lippen. „Niemand also.“
„Niemand, den ich persönlich kenne. Ich erzähle dir die Geschichte irgendwann mal. Jetzt ist es mir zu peinlich. Außerdem hast du genug Geschichten gehört für heute.“
Er atmete hörbar aus. „Allerdings.“
Das schlechte Gewissen regte sich in ihr. „Tut mir leid, dass ich dich damit belaste und …“
Er trat er einen Schritt auf sie zu, so nah, dass sie sich fast berührten. „Ich tue das sehr gerne für dich, Audrey. Alles gut. Mach dir keine Sorgen. Wir finden die Wahrheit. Gemeinsam.“
Seine Worte waren Balsam für ihre Seele. Um ein Haar hätte sie ihn geküsst, konnte sich aber in letzter Sekunde am Riemen reißen. Die Tür öffnete sich. Zum Glück oder Unglück. Vielleicht hätte sonst er … Zusammen stiegen sie aus dem Aufzug. Ein paar Schritte weiter standen sie vor Brians Wohnungstür. Zu beiden Seiten hingen Gemälde an der Wand. Moderne Landschaften. Wasserfälle, Tropenwälder, die zu leben schienen.
„Sind die alle von dir?“, fragte sie.
„Ja. Die Zensurverdächtigen habe ich hinter verschlossenen Türen.“
Audrey riss die Augen auf und starrte ihn an. Ein Grinsen schlich sich auf seine Züge.
„Zeig her, Brian Gomery.“
Die gelöste Stimmung ließ sie den abendlichen Vorfall für einen Moment vergessen.
„Ich hätte nie gedacht, einmal solch berühmten Besuch in meiner bescheidenen Behausung begrüßen zu dürfen.“
Er öffnete die Tür zu seinem Apartment. Mit einer Handbewegung bat er sie hinein.
Audrey musterte ihn mit gerunzelter Stirn. „Berühmt? Ich bin nur die Tochter meines Dads.“
„Dennoch.“
Sie traten ein. Audrey wurde verlegen und konzentrierte sich lieber auf die Aktgemälde, die ihr von schneeweißen Wänden auf großen Leinwänden entgegenblickten. Sie waren in 3-D-Technik gemalt, als würden die Körper aus der Leinwand ragen. Umgeben waren sie meist von dunklen Farben, die mit einem silbernen feinen Hauch durchzogen waren und damit einen reizvollen Kontrast zur nackten Haut bildeten. Der Anblick ließ Audreys Wangen gleich wieder erröten.
„Wow, die sind wirklich gut. Nein, sie sind … fantastisch, Brian. Du solltest sie ausstellen.“
„Dann bist du nicht mehr sauer? Wegen eben, meine ich.“
Die Wohnung war großzügig geschnitten. Auf der rechten Seite stand ein schwarzer Flügel, daneben eine Palme. Auf der linken gingen zwei Türen ab. Das Ganze glich einer Galerie. Die Strahler an den Decken tauchten alles in silberblaues Licht.
„Ich verbuche es mal unter Fettnäpfchen, in Ordnung?“, antwortete Audrey.
Er lächelte verhalten. „Tut mir leid.“
„Vergessen wir es. Ich möchte nur, dass du mich als das siehst, was ich bin. Eine ganz normale junge Frau. Na ja, meistens hoffentlich.“
„Für mich doch außergewöhnlich.“ Er hob beide Hände. „Und das hat nichts mit deinem Vater zu tun, ich schwöre. Komm, ich zeig dir den Rest des Apartments. Und das Beste am Schluss.“ Erneut nahm er ihre Hand und zog sie mit sich. „Früher ist das hier mal ein Lagerraum gewesen. Alles wurde renoviert.“
Audrey staunte nicht schlecht. Küche, Essbereich und Wohnraum gingen ineinander über. Die Wände hatten eine grauweiße Marmoroptik, die große Fensterfront mit den weißen Seidenschals gab den Blick frei auf die Stadt mit ihren vielen Lichtern, die wie ein Diadem schimmerten. Eine u-förmige weiße Ledercouch stand in der Mitte, an den Wänden schwarze Bücherregale. Ein paar gerahmte Fotos hingen hier und da. Es gab sogar einen offenen Kamin. Auch die Küche war in Schwarz-Weiß gehalten.
„Ich zeig dir dein Zimmer.“
Als er sich in Bewegung setzen wollte, hielt Audrey ihn zurück. Ein wenig zu fest, wie sie feststellte, denn ihre Nasenspitzen berührten sich kurz, ihre Blicke verschmolzen. Audrey musste einmal tief Luft holen, bevor sie sprechen konnte. „Danke, Brian.“
Anstatt einer Antwort lächelte er nur. Zwei Herzschläge später wandte er sich um und führte sie zum Gästezimmer. Der Raum war in Champagner- und Brauntönen gehalten. Über dem Bett hing ein großformatiges Bild, das eine Wüstenlandschaft in der Dämmerung zeigte. Besonders faszinierend fand Audrey den zarten Sternenhimmel, der den verblassenden Tag überspannte.
Das Bett selbst sah aus wie ein Floß mit seinem Bretterunterbau, der, so schien es, nur mit dicken Seilen zusammengehalten wurde. Weiße Bettwäsche lag darauf. An der Fensterfront hingen sandfarbene Seidenschals. Gegenüber dem Bett stand ein ovaler weißer Schrank mit Spiegel. Auf dem Parkett lagen Schaffellteppiche, die dem Raum Gemütlichkeit verliehen. Eine Tür führte zum Gästebad. Es war mit schwarz-weißem Marmor ausgekleidet, in der Mitte befand sich eine Rundwanne, die man über drei Stufen besteigen konnte. Zusätzlich gab es eine Dusche mit runder Glaskabine und Regenduschkopf, neben weiß glänzenden Schränkchen und Waschbecken. Brian schaltete die vielen Deckenstrahler ein, zwischen denen Kristallsteine glitzerten.
„Wie ein Sternenhimmel“, schwärmte Audrey.
„Das war die Idee. Ich hoffe, du fühlst dich wohl. Mein Schlafzimmer ist gleich nebenan. Es gibt hier noch ein Bad, in der Nähe des Essbereichs. Da geht eine weitere Tür ab.“
„Ich glaube, ich werde mich hier sehr wohlfühlen. Danke nochmals.“
„Jetzt hör bitte auf, dich zu bedanken. Das macht mich ganz verlegen. Komm, jetzt wie versprochen das Beste.“
Sie folgte ihm zurück in den Wohnbereich zur Glasfront, die er aufschob. Dahinter befand sich ein Balkon, der sich über die gesamte Breite der Wohnung erstreckte. Frischer Wind umhüllte sie, als sie, Seite an Seite, nach draußen an das Eisengeländer traten. Die Lichter der Stadt zitterten, genau wie Audrey. Was für ein Ausblick, dachte sie und sog tief Luft ein.
„Ist dir kalt?“, fragte Brian.
„Ich bin nur überwältigt.“
Ein stolzes Lächeln umspielte seine Lippen. „So wollte ich es immer. Das Sparen hat sich gelohnt.“
„Ich bewundere dich. Du kämpfst für deine Träume.“
Abermals verloren sich ihre Blicke ineinander.
„Ja, das tue ich, Audrey.“
Hier fühlte sich Audrey sicher. Sie zog die Bettdecke bis zum Kinn und drehte den Kopf zur Seite, sodass sie hinaus auf die Lichter der Stadt blicken konnte. Brian war wirklich ein Schatz. Er hatte ihr eine Valium gegeben und sie ins Bett verfrachtet, als sie nach ihrem Ausflug auf den Balkon stechende Kopfschmerzen heimgesucht hatten. Nicht nur das. Auch die Gedanken waren zurückgekehrt und hatten sie wieder fest im Griff. Die Tablette wirkte leider nur gegen die Schmerzen. Sie konnte nicht schlafen.
Einen Moment überlegte sie, zu Brian zu gehen, entschied sich aber dagegen. Er hatte schon genug für sie getan. Der Name Scott Emery wiederholte sich in Dauerschleife in ihrem Kopf.
Audrey zog den Schal, den ihr ihre Mutter gegeben hatte, aus dem Koffer und drückte ihn an sich. „Ich werde die Wahrheit herausfinden, Mom. Und wenn es das Letzte ist, was ich tun werde.“
***
Gähnend umfasste Audrey am nächsten Morgen die Kaffeetasse mit beiden Händen und sah Brian dabei zu, wie er sich eine Portion gebratenen Speck und Eier auf den Teller lud.
„Und du willst wirklich nichts essen?“, fragte er.
Audrey schüttelte den Kopf. „Morgens esse ich so gut wie nie etwas. Hast du gut geschlafen?“
„Sehr gut“, sagte er und biss in einen Bagel.
„Schön.“
„Tut mir leid“, murmelte er mit vollem Mund. Sein Haar war ungekämmt und sah aus, als wäre er durch einen Tornado gelaufen. Auch das stand ihm.
„Was? Dass du gut geschlafen hast?“ Sie nippte an ihrem Kaffee und sah ihn über den Rand der Tasse hinweg an.
Schuldbewusst erwiderte er ihren Blick. „Ja. Du nicht, oder?“
„Ist das so offensichtlich?“
„Du siehst süß aus, wenn du so zerknautscht bist.“
„Oh, vielen Dank.“ Sie lachte.
Er seufzte. „Fettnäpfchenalarm. Du solltest mir einen Buzzer schenken und jedes Mal draufhauen, wenn …“
„Schon gut, hör auf. Ich hätte mich fast verschluckt.“
Seine größer werdenden Augen und der hilflose Blick brachten sie noch mehr zum Lachen. Manchmal war Brian wie ein Kind, dann wieder ein entschlossener Mann, den nichts umhauen konnte. Er war ein Buch mit vielen Kapiteln, die sie gerne alle lesen wollte. Jede einzelne Seite. Die düsteren Gedanken ließen sie ernst werden. Vergucke ich mich gerade in meinen Kollegen?
„Was ist jetzt?“, wollte Brian vorsichtig wissen und ließ sie nicht aus den Augen.
Wieder spürte sie diese gewisse Hitze in sich aufsteigen und starrte lieber auf den restlichen Inhalt ihrer Kaffeetasse.
„Denkst du an … die Sache? Ich meine, blöde Frage.“
Die Sache! Audrey sah auf. „Ich muss wissen, wer Scott Emery ist, und ihn finden.“
„Und Mister X sowie Gene Hartman. Ich helfe dir, da habe ich meine Meinung nicht geändert.“
Der Ausdruck in seinen Augen zeigte ihr, dass er es mehr als ernst meinte.
„Verdammter Mist.“ Noch einmal durchsuchte Audrey ihren Koffer.
Brian erschien im Türrahmen des Gästezimmers. „Was ist?“
Ohne aufzublicken, antwortete sie: „Ich habe Hartmans Roman und das Notizbuch meines Vaters zu Hause liegen gelassen.“
„Ich könnte es holen.“
„Wie konnte ich das nur vergessen? Meinen Laptop habe ich auch nicht mitgenommen.“
Brian zog sie hoch. „He, ganz ruhig. Du bist ja völlig durch den Wind. Kein Wunder.“
Er hatte absolut recht. Die Gedanken überforderten sie.
„Ich brauche Klarheit, sonst komme ich nicht mehr zur Ruhe.“
„Hattest du dieses Jahr schon Urlaub?“, fragte Brian.
Perplex schüttelte sie den Kopf.
„Ich auch nicht. Wie wäre es, wenn wir kurzfristig unseren Jahresurlaub einreichen? Und dann machen wir uns auf die Suche. In Ruhe und mit Vorsicht. Alles andere bringt nichts. Wer weiß, wer unser Gegner ist? Falls es wirklich einen geben sollte.“
Der Vorschlag hatte Hand und Fuß. Auf alle Fälle wollte Audrey so schnell wie möglich etwas unternehmen. „Okay, Lee wird zwar nicht begeistert sein …“
„Vergiss Lee, Audrey. Du bist jetzt wichtig“, erwiderte er. Da war er wieder, dieser absolut männliche, entschlossene Brian.
„Also, was ist nun mit deinen Sachen? Ich hole sie.“
„Ich komme mit.“
„Aber du wartest im Wagen auf mich. Wenn was ist, startest du durch und verständigst die Polizei, verstanden?“
„Nimm die Pistole mit. Die habe ich wenigstens nicht vergessen.“
„Die wirst du behalten.“
„Aber …“
Brian hob eine Hand und schüttelte den Kopf, was ihr klar machte, dass er nicht mit sich verhandeln ließ. Dennoch war das letzte Wort nicht gesprochen. Sie fuhren mit Brians Auto, einem schicken schwarzen Chrysler-Cabrio, zum Haus ihrer Eltern und tauschten dort die Plätze. Audrey gab Brian die Haustürschlüssel. Alles war wie immer oder wirkte zumindest so.
„Behalt die Pistole im Schoß“, raunte Brian, als würde ihnen jemand zuhören.
„Nimm du sie.“
Ein wenig genervt nahm er die Sonnenbrille ab. „Hatten wir nicht etwas vereinbart?“
Ohne eine Antwort abzuwarten, stieg er aus, warf die Tür ins Schloss und lief auf den Eingang zu.
„Sturkopf“, murmelte sie und beobachtete, wie er die Haustür aufstieß. Gleich darauf warf er ihr einen Blick über die Schulter zu und kehrte zurück.
Audrey stieg aus. „Was ist?“
„Die Tür stand offen.“
Ihre Gedanken überschlugen sich. „Ich weiß, dass ich sie abgeschlossen habe.“
„Gib mir die Pistole und fahr weiter.“
Auf einmal also doch, dachte sie und umrundete das Cabrio.
„Was tust du da?“, zischte Brian, als sie aufs Haus zusteuerte.
„Ich muss nachsehen.“
„Hast du schon mal etwas vom Dachboden-Syndrom gehört? Das müsste eine Autorin eigentlich kennen.“
Natürlich hatte sie das. Demnach würde niemand, der einigermaßen bei Verstand war, die Treppe zum Speicher hochsteigen, nachdem er dort etwas Seltsames gehört hatte. Aber irgendetwas in ihr ließ sie weitergehen.
Brian holte sie ein und zerrte sie zurück. „Bleib hier, verdammt“, zischte er.
„Nein!“ Ihre Antwort war klar und deutlich. Diesmal duldete sie keine Widerrede und marschierte weiter. Sie drückte die Tür auf und zückte die Waffe. Brian entriss sie ihr und schob sich vor sie.
„Dann lass mich wenigstens vorgehen.“
Sie konnte Schweißperlen auf seiner Stirn erkennen. Ihre Kehle fühlte sich an, als würde sie jemand würgen. Sie sog Luft ein, während sie Brian Schritt für Schritt den Gang entlang folgte. Nichts Ungewöhnliches war zu entdecken, alles war ruhig. Audrey konnte ihren eigenen Herzschlag in den Ohren pochen hören. Die Tür schien nicht aufgebrochen worden zu sein. Nach wie vor war sie sich sicher, sie abgeschlossen zu haben. Die letzte Station war ihr Zimmer.
Brian drängte sie an die Wand. „Warte hier.“
Danach ging alles blitzschnell. Brian stieß die Tür auf und stürmte hinein. Audrey rückte näher an den Rahmen und wagte einen Blick. Sie konnte nicht anders. Brian beugte sich aus dem offenen Fenster. Hatte er es geöffnet? Sie wusste genau, dass sie es geschlossen hatte, bevor sie Freitagnacht zu ihm nach Indianapolis gefahren waren. Das Adrenalin ließ sie schwanken.
Reiß dich zusammen, Audrey!
„Mist“, fluchte Brian, drehte sich um und entdeckte sie.
Sofort wich sie zurück.
„Du kannst kommen. Er ist weg“, sagte er. Gleichzeitig ließ er eine Faust auf die Fensterbank sausen.
Audrey eilte zu ihm und warf ebenfalls einen Blick aus dem Fenster. Sie konnte zwar nichts sehen, hörte aber das Quietschen von Autoreifen.
„Er muss uns gehört haben und ist durchs Fenster entwischt. Über das Efeugitter. Als ich reinkam, habe ich Schritte im Garten gehört. Jemand ist weggerannt, als ich rausgeschaut habe, der Silhouette nach ein Mann. Er hatte breite Schultern, war ziemlich groß.“
Brians Wangenmuskeln arbeiteten. Dann besann er sich und legte die Hände auf ihre Schultern. Das Adrenalin, das durch ihren Körper jagte, wühlte sie auf, erschöpfte sie jedoch gleichzeitig. Sie ließ den Kopf an Brians Brust sinken.
Er hauchte ihr einen Kuss auf den Scheitel. „Wir kriegen den Typen. Keine Angst. Ich bin da.“ Sanft ließ er die Hände über ihre Oberarme fahren.
Audrey wich zurück und blickte sich im Zimmer um. Ein Stich durchfuhr ihr Inneres. Sie war überzeugt, dass sie das Notizbuch auf dem Schreibtisch hatte liegen lassen. Direkt neben ihrem Laptop und Hartmans Roman. Sie löste sich von Brian und begann zu suchen.
„Was ist?“, fragte er und beobachtete sie.
„Das Notizbuch – es ist weg!“
Sofort half ihr Brian bei der Suche. „Bist du dir sicher, dass du es zuletzt dorthin gelegt hast?“
„Ich sehe es noch genau vor mir. Danach dachte ich, ich hätte es eingepackt.“
Brian zog das Bett ab, sobald sie alle möglichen und unmöglichen Ecken des Zimmers durchleuchtet hatten. Das Fazit war unumstößlich, nachdem sie die restlichen Räume im Haus inspiziert hatten. Alles war da. Einzig das Notizbuch und die Briefe fehlten. Das Arbeitszimmer ihres Vaters war teilweise auf den Kopf gestellt worden. Auch im Wohnzimmer waren Schränke aufgerissen.
„Vielleicht wurdest du abgehört“, sinnierte Brian laut.
„Dann weiß derjenige, dass ich ihm auf der Spur bin.“
Brian verneinte. „Dass wir
ihm auf der Spur sind. Ich sitze im selben Boot. So oder so.“ Er stemmte die Hände in die Hüften und drehte sich nach allen Seiten. Dann zog er sie an sich.
Sie konnte ein Zittern nicht unterdrücken. „Tut mir leid.“ Sie spürte seinen warmen Atem.
„Sch, dir braucht nichts leid zu tun. Ihm wird es noch leidtun. Wer auch immer hinter der Sache steckt, wir kriegen ihn.“