Kapitel Zehn

I ch erwachte von einem monotonen Piepen.

Mein gesamter Körper fühlte sich bleischwer an, doch sonst ging es mir, abgesehen von einer juckenden Nase, gut.

Blinzelnd hob ich die Lider. Vielleicht würde mir meine Umgebung helfen, herauszufinden, was los war und wo ich mich aufhielt.

Eine weiß gestrichene Zimmerdecke lag im Schein einer warmen, orangefarbenen Lichtquelle und ich ruhte auf einem weichen Bett. Ein weißer, blickdichter Vorhang umgab mich und eine farblich passende Bettdecke war bis zu meiner Brust über meinem Körper gespannt. Anstatt meiner eigenen Kleidung trug ich ein hellblaues Baumwollkleidchen, das mir gerade einmal bis zur Mitte meiner Oberschenkel reichte und meine nackten Arme ruhten neben meinem Körper. In einer Armbeuge steckte eine Infusionsnadel, die durch einen dünnen Schlauch mit einem durchsichtigen Beutel auf einem Metallständer verbunden war. Mein linker Zeigefinger verschwand beinah gänzlich in einer klobigen Kunststoffvorrichtung, was jeglichen Zweifel darüber ausräumte, wo ich war.

Nur, was machte ich in einem Krankenhaus? Wer hatte mich hergebracht – und wer hatte meine Haare zu einem Zopf geflochten?

Ich erinnerte mich noch, wie ich in New York über den Times Square gewandert war, wie ich mich in eine schmale Gasse gerettet hatte und dort von Lockenbubi und dem zum Leben erwachten Plüschdrachen Drake geweckt worden war.

Die wiederholte Bestätigung, dass sich mein Leben in einen abgedrehten Fantasystreifen gewandelt hatte, brachte mich inzwischen nicht mehr so aus der Fassung, wie es vermutlich angebracht gewesen wäre. Aber nach all den Ereignissen der vergangenen Tage hatte sich die Messlatte der Dinge, die mich noch aus den Socken hauen konnten, deutlich erhöht.

Ich erinnerte mich noch vage an die Unterhaltung zwischen Lockenbubi und Drake. Vor allem meine Emotionen – eine Mischung aus Die beiden haben sie nicht mehr alle und Ich habe sie selbst nicht mehr alle , war mir im Gedächnis geblieben. Allein der Moment, als diese genmanipulierte Wolfs-Bestie in der Gasse erschienen war und ich mich in eine magische Version von Lara Croft verwandelt hatte, hatte sich mir ins Gedächtnis gebrannt.

Das Geräusch einer sich öffnenden Tür unterbrach meine Bemühungen und ich schloss abrupt die Augen. Solange ich nicht wusste, wie ich hier gelandet war und wer da soeben pfeifend den Raum betreten hatte, würde ich mich bedeckt halten.

Begleitet von einem wohligen Duft, der frisch und irgendwie erdig roch, durchquerte der Neuankömmling mit leichtfüßigem Gang den Raum.

Unweigerlich hatte ich das Bild eines jungen, ambitionierten Pflegers vor Augen, der soeben für eine routinemäßige Stippvisite vorbeigekommen war.

Papiergeraschel ertönte und wurde kurz darauf von angeschlagenen Computertastaturtasten abgelöst, ehe der erlösende Klang von einem sich bewegenden Vorhang an mein Ohr drang.

Etwa drei Sekunden lang bemühte ich mich, gleichmäßig zu atmen, ehe mich die sich erneut öffenende Tür ablenkte.

»Wie geht es ihr?« Schwere Schritte begleiteten die vertraute Stimme und ich wusste sofort, wer den Raum betreten hatte.

Lockenbubi.

Sollte ich jetzt erleichtert oder beunruhigt sein, dass er hier war? Zwar hatten wir es beide lebend aus der Gasse geschafft, nur hatte er mich auch erfolgreich entführt.

»Den Umständen entsprechend gut«, lautete die Antwort, die von irgendwo neben mir herkam und von Joe Cocker selbst hätte stammen können. »Du hast sie wirklich in letzter Minute hergebracht, Jack. Die Verbrennung hatte bereits einen Großteil ihrer Zellen angegriffen. Noch ein wenig mehr, und sie wäre verloren gewesen.«

Stille folgte diesen Worten, die ich nutzte, um das eben Gehörte zu verarbeiten.

Lockenbubi, beziehungsweise Jack , sollte mir das Leben gerettet haben? Wer von uns war denn auf den Rücken der Bestie geklettert und hatte sie erstochen?

Kurz davor, mich in meine Empörung hineinzusteigern, erfasste mich eine unerklärliche Schwere und drückte mich tief in die Matratze, während mich gleichzeitig etwas in die Höhe zu zerren schien.

Mein Puls eskalierte und brachte das Messgerät beinahe zum Explodieren. Das zuvor ruhige und konstante Piepen wurde zu einem hektischen Alarmsignal und mein Plan, mich schlafend zu stellen, erübrigte sich.

Sicherlich würden die beiden Männer gleich –

»Hast du das alte Mistding immer noch nicht repariert?«, fragte Lockenbubi in meine Gedanken hinein und ich vernahm sein mir inzwischen geradezu nervtötend vertrautes Seufzen. »Das letzte Mal haben mich die ständigen Fehlwarnungen beinah in den Wahnsinn getrieben.«

»Sorry«, antwortete der andere Typ unsicher, als wüsste er nicht, ob das die richtige Erwiderung war.

Hatte er womöglich Angst? Drake hatte irgendetwas davon gefaselt, dass Lockenbubi der Anführer der Lunaris war. Und auch wenn er mir nicht wie ein Gangsterboss vorkam, so wusste ich in Wahrheit doch gar nichts über diesen Typen oder diese Lunaris.

»Schon gut. Komm, gehen wir hoch. Olly hat Chinesisch bestellt. Wenn wir Glück haben, bekommen wir noch etwas von den Frühlingsrollen ab.«

Erneut wurde mit Papier geraschelt, dann entfernten sich zwei Paar Füße. Die Zimmertür wurde geöffnet, fiel leise zurück ins Schloss und ich war allein.

Nach genau zehn meiner immer noch viel zu schnellen Herzschläge stieß ich die angehaltene Luft aus meinen Lungen. Ich hatte keine Ahnung, mit wem sich Lockenbubi unterhalten hatte, oder woher dieses merkwürdige Gefühl gestammt hatte. Aber ich war aufrichtig erleichtert, dass beides verschwunden war.

Noch ein paar Sekunden, dann hob ich die Lider. Wie ich angenommen hatte, war der Vorhang rund um mein Bett weggeschoben worden, sodass ich mehr über meine Umgebung in Erfahrung bringen konnte. Doch mein Vorhaben wurde rüde unterbrochen.

»Guten Abend«, begrüßte mich Lockenbubi, der mit vor der Brust verschränkten Armen und an den Füßen gekreuzten Knöcheln rücklings gegen einen Tisch lehnte. Hinter ihm waren ein Computermonitor und irgendwelche Apparaturen zu erkennen, die bestens in ein Labor gepasst hätten. »Hast du gut geschlafen?«

Entsetzt, beschämt und mindestens doppelt so wütend starrte ich mein Gegenüber an. Nicht nur, dass mich der Mistkerl reingelegt hatte, er hatte auch Zeit gehabt, sich zu duschen und umzuziehen. Seine dunkelblonden Wellen fielen ihm feucht ums Gesicht und anstelle des T-Shirts, das er in der Gasse getragen hatte, spannte sich der dünne Baumwollstoff eines Freizeithemdes über seinen Oberkörper. Allein die dunklen Ringe unter seinen Wimpern zeugten davon, dass er sich nicht so frisch fühlte, wie er aussah.

Als ich nicht antwortete, stieß sich Lockenbubi von dem Tisch ab und trat langsam an mein Bett heran. Hätte er mich nicht vor weniger als dreißig Sekunden eiskalt gelinkt, hätte ich seine Zurückhaltung vielleicht als Zeichen der Rücksichtsnahme interpretiert. Doch so …

»Es tut mir leid, dass ich dich ausgetrickst habe«, sagte er über das immer noch viel zu laute Piepen des Herzfrequenzmessers hinweg. »Aber ich musste sichergehen, dass du wirklich wach bist. Denn auch wenn du es mir vermutlich nicht glauben wirst, habe ich mir Sorgen gemacht. Deine Verletzungen waren ziemlich gravierend.« Am Fußende meines Bettes blieb er stehen und legte die Hände auf das Metallgestell. Dabei blitzte der Ring an seiner Hand im Schein des orangen Lichtes auf. »Jedenfalls bin ich froh, dass es dir den Umständen entsprechend gut zu gehen scheint.« Sein Lächeln sollte vermutlich freundlich wirken, aber es verfehlte sein Ziel. Offenbar wusste Lockenbubi ebenso wenig, wie er mit mir umgehen sollte, wie ich es bei ihm wusste.

Da ich auch weiterhin keine Anstalten machte, mich an dieser Konservation zu beteiligen, fuhr er in seinem Monolog fort.

»So ist es doch, oder? Ich mein, da du noch immer am Morphin- und Muskelrelaxantropf hängst, solltest du zumindest keine Schmerzen haben.«

»Wo bin ich?«, erwiderte ich mit selbstbewusst vorgerecktem Kinn. Dass ich in einem gewöhnlichen Krankenhaus lag, schloss ich inzwischen aus.

»Auf unserer Krankenstation. Im Hauptquartier der Lunaris in New Haven. Nachdem du dir bei deiner Auseinandersetzung mit dem Shadow einen Schattenbrand zugezogen hattest, blieb mir keine andere Wahl, als dich mitzunehmen. Sonst wärst du noch in New York gestorben.«

Ich nickte, auch wenn ich nur mit einem Bruchteil seiner Erklärung etwas anfangen konnte. Was war ein Schattenbrand? Und wieso hätte mich dieser getötet? Und wer zum Henker waren diese Lunaris, von denen ständig die Rede war und zu denen ich angeblich ebenfalls gehören sollte?

Lockenbubi ließ sein inzwischen berühmtes Seufzen erklingen und fuhr sich mit beiden Händen durch die Haare.

»Du hast noch immer keine Ahnung, wovon ich rede, oder?« Obwohl ich mir sicher war, dass er die Antwort auf seine Frage selbst kannte, schüttelte ich den Kopf.

Er nickte mit zusammengepressten Lippen, dann …

»Zum Teufel auch eins! Wie kann das sein?« Der Ausdruck in seinen Iriden wirkte so intensiv, dass es mir unangenehm war, ihm zu begegnen. »Du bist eine Lunaris! Das steht fest!«

»Wieso? Wieso steht es fest, dass ich eine Lunaris bin – wer oder was auch immer das sein soll.«

Lockenbubi sah mich kritisch an, als wöge er ab, ob ich meine Frage ernst meinte.

»Es ist schwer, dir darauf zu antworten, ohne dich noch mehr zu verwirren«, sagte er schließlich. »Aber gewöhnliche Menschen können weder Lichtwesen, wie Drake eins ist, noch Shadows sehen oder hören. Ganz zu schweigen davon, dass ein gewöhnlicher Mensch – oder sonst ein Wesen, das kein Lunaris ist – meine Lumi-Dolche niemals hätte berühren können. Aber du konntest das alles. Du hast sogar gegen den Shadow gekämpft und ihn so weit geschwächt, dass es mir am Ende möglich war, ihn trotz meiner Verletzungen zu vernichten.«

Wir sahen einander an, dann brach Lockenbubi den Blickkontakt ab.

»Hast du eigentlich eine Vorstellung davon, wie frustierend es ist, wenn sich aus heiterem Himmel alles verändert, was du zuvor für vollkommen selbstverständlich gehalten hast? Ehrlich, June, ich fühle mich wie ein Hamster, der sich im Laufrad abstrampelt, und doch nie ans Ziel gelangt.«

»Ob ich weiß, wie frustrierend das ist?« Ich lachte hohl. Wollte mich der Typ verarschen? »Nein, sorry, davon habe ich keine Ahnung. Schließlich war ich nicht noch vor weniger als einer Woche eine völlig normale Studentin in Wyoming, die mit ein paar Leuten auf einem Jahrmarkt unterwegs war. Und natürlich bin ich keiner abgedrehten Wahrsagerin begegnet, die mit einem Plüschtier spricht, als wäre es lebendig, und die mich in ihre Zauberhütte gelockt hat, wo mich ein verdammter Lichtball attackierte, als befände ich mich im verfluchten Krieg der Sterne!« Ich wurde immer lauter und hysterischer. »Und selbstverständlich bin ich am nächsten Tag nicht buchstäblich in einem Fantasy-Horrorfilm aufgewacht, in dem jeder, der mich zuvor kannte, plötzlich keine Ahnung mehr hat, wer ich bin. Und der Typ, der mich am Abend zuvor geküsst hat, ist auch nicht meinetwegen gestorben, weil ich ihn angeblich mit meinen Lippen vergiftet haben soll! Nein, nichts davon ist geschehen, weswegen ich natürlich keine Ahnung habe, wie es dir gerade geht!« Meine Zunge überschlug sich beim Sprechen, so schnell purzelten mir die Silben über die Lippen. Lockenbubi hatte die Büchse der Pandora geöffnet und jetzt gab es kein Zurück mehr. »Aber weißt du was? Das ist auch gut so. Denn wäre es anders, hätte ich während meiner Flucht feststellen müssen, dass ich seit Neuestem über Zauberkräfte verfüge. Zauberkräfte! Als wäre ich ein beschissener Marvel Superheld! Und dann hätte ich auch erfahren, dass ich von dir – einem mir völlig fremden Typen – und einem vermeintlichen Plüschtier aufgespürt wurde, nachdem ihr mich tagelang gestalkt habt! Wäre das nicht total verrückt? Fast so verrückt, wie der Kampf gegen eine Kreatur, die den harmlosen Namen Shadow trägt, aber eine Bestie aus der Hölle sein könnte!«

Lockenbubi starrte mich an, die Augen vor Schreck geweitet. Doch ich dachte gar nicht daran, Rücksicht auf ihn zu nehmen.

»Aber weißt du, was an der ganzen Sache am Frustrierendsten wäre?« Verhasste Tränen ließen meine Sicht verschwimmen und ich musste mehrfach blinzeln, um sie in Schach zu halten. »Dass ich halb nackt in einem Bett liege, in einem Raum, von dem ich nicht weiß, wo er sich befindet oder wer alles Zugang dazu hat. Dass ich nicht einen einzigen Muskel rühren kann und buchstäblich wildfremden Personen hilflos ausgeliefert bin. Und dass diese Personen mir vorjammern, wie schrecklich es für sie ist, dass ich keine Ahnung habe, wer ich eigentlich bin oder was mit mir geschehen ist.«

Lockenbubi schwieg beharrlich und ein Teil von mir hätte zu gern gewusst, was zwischen seinen Schläfen vor sich ging. Doch der sehr viel größere Teil wünschte sich die Möglichkeit, das eben Gesagte zurückzunehmen. Ein völlig ungeplanter Seelenstriptease war das Letzte, was ich hatte von mir geben wollen.

Lange stand Lockenbubi einfach so da und wir schauten einander an. Dann, als das Schweigen kaum noch auszuhalten war, trat er am Ende meines Bettteils vorbei und kam näher. Er schaltete das Herzschlagmessgerät ab und nahm den Pulssensor von meinem Zeigefinger. Umgehend erfüllte eine ohrenbetäubende Stille den gesamten Raum.

»Ich heiße Jackson. Jackson Ward. Und ich bin der Captain der Lunaris-Gruppe hier in New Haven. Charleston, unser Heiler, meinte, dass deine Verletzungen inzwischen größtenteils verheilt sind.« Beim Sprechen sah Lockenbubi konzentriert auf seine Hände und ich tat es ihm nach. Von einem kleinen Servierwagen, der neben meinem Bett stand und den ich zuvor nicht bemerkt hatte, nahm er eine Mullkompresse und drückte sie behutsam auf die Einstichstelle an meinem Arm. Dann zog er die Nadel unter meiner Haut hervor. »Ich habe ihn darum gebeten, den Zugang so lange stecken zu lassen, bis du aufwachst – für den Fall, dass du noch irgendwelche Medikamente benötigen solltest. Jetzt bist du wach und kannst selbst entscheiden, ob du weitere Schmerzmittel brauchst.« Er räusperte sich und drückte die Kompresse etwas fester in meine Armbeuge, was meinen Puls in die Höhe schießen ließ. Erst jetzt wurde mir bewusst, wie nah wir einander waren. »Die letzte dir verabreichte Dosis Morphin liegt etwa eine Stunde zurück. Aber die Wirkung sollte aufgrund der nicht reinmenschlichen Struktur deines Körpers nur noch etwa dreißig Minuten anhalten. Gleiches gilt für das Muskelrelaxan. Anfangs ist es möglich, dass es sich anfühlt, als wären deine Muskeln eingeschlafen. Das ist normal und dauert nur wenige Minuten an. Sobald das Kribbeln vorbei ist, kannst du dich wieder normal bewegen. Solltest du wider Erwarten noch Schmerzen verspüren, ruf nach Charleston.« Er deutete mit einem Nicken nach rechts, wo an einer Wand ein altmodisches Festnetztelefon hing. »Wenn du den Hörer abnimmst, wirst du automatisch mit seinem Handy verbunden. Du kannst dir aber auch Aspirin aus der obersten Schublade des Schreibtischs nehmen.« Die Kompresse mit zwei Fingern festhaltend griff er mit der anderen Hand nach einer kleinen Rolle mit weißem Stoffklebeband. Mit den Zähnen riss er ein Stück davon ab. »Deine Kleidung liegt auf dem Stuhl hinter deinem Bett.« Er befestigte die Kompresse an meiner Haut. »Olly hat darauf bestanden, dich umzuziehen, um die Sachen für dich zu waschen. Sie meint, es wäre menschenunwürdig, dich in der stinkenden Kleidung zu lassen.« Er riss einen zweiten Streifen ab und fixierte damit die Kompresse. Als seine Finger dabei die Innenseite meines Arms streiften, durchfuhr mich ein Schaudern.

»Während Olly dich umgezogen hat, war niemand sonst hier im Raum. Und obwohl wir nicht explizit darüber gesprochen haben, weiß ich, dass sie deine Unterwäsche nicht angerührt hat. Diese solltest du also noch unter dem OP-Hemd tragen.« Es folgte ein weiteres Räuspern, als müsste er sich selbst daran erinnern, dass seine Tätigkeit beendet war und es für ihn keinen Grund mehr gab, mir derart auf die Pelle zu rücken.

Prompt ließ er von mir ab und trat demonstrativ einen Schritt zurück. Er wirkte angespannt.

»Niemand von uns wollte dir je etwas Böses, June«, sagte er, das weiche Timbre war in seine Stimme zurückgekehrt. »Du bist eine von uns. Eine Lunaris. Keine Gefangene. Es steht dir frei, jederzeit zu gehen, ohne dir darüber Sorgen machen zu müssen, dass ich oder jemand anderes aus meinem Team dir folgen wird. Darauf gebe ich dir mein Wort. Aber solltest du Antworten auf deine sicherlich sehr lange Liste von Fragen wollen, findest du mich oben. Folge einfach dem Weg, der aus dieser Tür rausführt.«

Mit einem Nicken, das ich sowohl als Verabschiedung für den Moment als auch einen Abschied auf Lebenszeit interpretieren konnte, kehrte er mir den Rücken und steuerte den einzigen Ausgang im Raum an.

Unschlüssig sah ich ihm nach. Ich stand an einem Scheideweg und wusste nicht, welche Richtung ich einschlagen sollte.

War es klug, mich noch tiefer in dieses ganze Chaos hineinziehen zu lassen? Oder sollte ich lieber die Beine in die Hände nehmen und so weit wie möglich weglaufen, ehe es zu spät war?