Gewissheit

Sloane

Das ist lächerlich. Ich bin lächerlich.

Ich sitze in der Lobby des Cunningham Inn und versuche seit fünf Minuten, mich auf ein und dieselbe Seite auf meinem E-Reader zu konzentrieren, während ich eigentlich überlege, ob ich abhauen oder bleiben soll.

Was zum Teufel mache ich eigentlich mit meinem Leben?

Das hier ist gefährlich.

Und dumm.

Lächerlich.

Aber offenbar kann ich mich nicht dazu aufraffen, zu gehen.

Meine Lunge füllt sich mit dem Geruch von Putzmitteln und schlechten Entscheidungen, als ich tief und leicht zittrig aufseufze. Ich lege mein E-Book weg, lehne mich zurück und betrachte die stille Lobby. Mein einziger Gefährte ist eine graue, griesgrämige Katze, die mich aus einem Ledersessel am kalten Kamin finster anstarrt. Der Raum ist verwohnt, aber gemütlich, hat eine dunkle Eichentäfelung und einen alten gemusterten Teppich, der einst dunkelrot war. Die antiken Möbel passen nicht zusammen, sind aber auf Hochglanz poliert. Zwei ausgestopfte Eulen im Flug wachen über die verblichenen Rodin-Drucke und historischen Minen- und Eisenbahnwerkzeuge, die im ganzen Raum verteilt sind.

Ich seufze erneut und werfe einen Blick auf die Uhr. Es ist fast zwei Uhr morgens, und ich sollte müde sein, bin es aber nicht. An diesem Abend ging es ziemlich hektisch zu: Ich musste Michael Northmans Leiche zerstückeln und sie in der Kühltruhe verstauen, gleichzeitig einen Flug buchen und in der Rekordzeit von dreißig Minuten packen. Während Lark mich zum Flughafen fuhr, buchte ich einen Mietwagen für meine Ankunft in West Virginia. Doch als ich jammerte, diese ganze Eskapade sei eine dumme Idee, sagte sie nur: »Kann sein, aber du musst wirklich mal rauskommen und neue Freunde finden.«

»Ich habe einen Freund«, erwiderte ich. »Dich.«

»Aber du brauchst mehr als nur einen, Sloane.«

»Muss es denn dieser spezielle Freund sein? Ausgerechnet dieser Rowan? Wirklich?«

Ich höre noch ihr Lachen, während sie mich ansah und angesichts meiner Verwirrung anstrahlte. »Es ist vielleicht nicht schlecht, noch einen Freund zu haben, der dich, dein wahres Ich, verstehen kann«, erklärte sie achselzuckend und ließ sich von meinem durchdringenden Blick nicht irritieren. »Du bist ja noch nicht aus dem Wagen gesprungen. Wir sind immer noch auf dem Weg zum Flughafen. Also schätze ich, ausgerechnet dieser Rowan ist jetzt dein Freund.«

Vielleicht hätte ich doch aus dem Wagen springen sollen.

Stöhnend rutsche ich tiefer in den Sessel. »Ihre Begründung war vollkommen unlogisch«, sage ich zu der Katze, während ich in Gedanken noch mal das Gespräch mit Lark durchgehe. Doch das Tier starrt nur grimmig anklagend zurück.

»Willst du seine Seele verschlingen, Blackbird?«

Ich schrecke so heftig zusammen, dass ich mir eine Hand aufs Herz drücke. Ruckartig fahre ich herum, in die Richtung, aus der der leichte irische Akzent gekommen ist. »Herrgott«, zische ich, als Rowan grinsend im Türrahmen auftaucht. Mir stockt der Atem, als mir aufgeht, dass er hier ist, wirklich hier. Er sieht noch genauso aus wie vor einem Jahr. Ich hingegen sehe wahrscheinlich ein bisschen besser aus als bei unserer ersten Begegnung. Schließlich habe ich die letzten Tage nicht in einem ekelhaften Käfig gehockt, während in unmittelbarer Nähe eine Leiche verrottete. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob ihn mein fehlendes Make-up, die wirren Haare und rissigen Lippen wirklich gestört haben, da er die ganze Zeit auf meine Titten gestarrt hat. Als ich daran denke, werde ich rot, und zwar nicht vor Scham.

Ich schlucke, plötzlich nervös. »Vielleicht sollte ich ihre Seele verschlingen, denn meine hat gerade meinen Körper verlassen.«

»Ich hab mir schon gedacht, dass du daher deine Sommersprossen hast. Du stiehlst Seelen.«

»Wie ich sehe, bist du noch genauso witzig wie bei unserem ersten Treffen«, kontere ich augenrollend und will meinen E-Reader aufheben, aber Rowan kommt mir zuvor. »Her damit, mein Hübscher«, sage ich, als er mir ein hypnotisierendes Lächeln zuwirft, das all meine Sinne weckt und meine Sorgen mit einem anderen mulmigen Gefühl übertüncht. Die Narbe an seiner Oberlippe wird deutlicher, als sein Lächeln einen verschmitzten Zug annimmt.

»Ich frage mich, was mein nervöser schwarzer Vogel liest«, sagt er scherzend und wedelt mit dem E-Reader.

Ich schnaube verächtlich, obwohl mir seine Worte sofort unter die Haut gehen und meine Wangen knallrot werden. »Monsterporno, natürlich«, gebe ich zurück. Als Rowan lacht, kann ich ihm den E-Reader entreißen, woraufhin er noch lauter lacht. »Der sensible Drachenmann hat zwei Penisse und weiß genau, wie er sie einsetzen muss. Außerdem hat er eine gegabelte Zunge und einen sehr biegsamen Schwanz. Also kein Grund, sich lustig zu machen.«

»Gib mir den wieder! Der Fernseher in meinem Zimmer ist kaputt, und das ist genau die Unterhaltung, die mir im Leben fehlt.«

»Fick dich, Butcher.« Ich schiebe den E-Reader unter meine linke Pobacke und werfe Rowan einen tödlichen Blick zu. »Halt! Dein Fernseher ist kaputt? Wann bist du denn angekommen?«

Achselzuckend lässt er den Rucksack mit einem dumpfen Schlag zu Boden fallen, wirft mir ein träges Lächeln zu und sinkt auf den Sessel neben meinem. »Vor etwa einer Dreiviertelstunde. Wahrscheinlich warst du da auf deinem Zimmer. Ich bin nur rausgekommen, um mir ein bisschen Sprit zu holen. Übrigens ist mein Zimmer direkt neben deinem.«

»Fantastisch«, bemerke ich knapp und verdrehe die Augen, woraufhin er nur grinst.

Rowan zieht den Reißverschluss seines Rucksacks gerade weit genug auf, dass ich die Flasche Rotwein darin sehen kann.

»Es ist zwei Uhr morgens. Ist da nicht alles geschlossen?«

»Die Küche nicht.«

»Die Küche ist auch geschlossen.«

»Echt? … Mein Fehler.« Rowan zieht die Flasche aus dem Rucksack, öffnet mit einem Knacken den Drehverschluss und trinkt einen großen Schluck, ohne den Blick von mir zu wenden. Als er mir zuzwinkert, verenge ich meine Augen zu Schlitzen. »Sag nicht, du regst dich über einen kleinen Diebstahl auf.«

»Nicht doch!«, höhne ich und nehme ihm die Flasche ab. Eine Gänsehaut überzieht meinen Arm, als sich unsere Finger kurz berühren. »Ich reg mich auf, weil du zuerst getrunken und deine Männerkeime auf der Öffnung verteilt hast. Wahrscheinlich soll ich mich damit infizieren, damit ich krank mit Männerpocken in meinem Zimmer liege, während du losziehst und unseren kleinen Wettstreit gewinnst.«

»Männerpocken ?«, schnaubt Rowan, während ich einen großen Schluck trinke und ihm dann die Flasche zurückgebe. Er hält meinem finsteren Blick stand, als er selbst einen Schluck trinkt. In seinen Augen funkelt immer noch ein verschmitztes Lächeln. »Tja«, sagt er dann und reicht mir die Flasche mit großer Geste zurück. »Dann habe ich jetzt deine Mädchenmilben, und wir sind quitt.«

Ich gebe mir Mühe, nicht zu lächeln, allerdings vergebens. Und kaum zucken meine Mundwinkel, leuchten Rowans Augen auf, als würde er meine Erheiterung spiegeln – und noch verstärken .

Als ich mich zurücklehne, habe ich das Gefühl, als hätten wir uns erst gestern das letzte Mal gesehen. Mit ihm ist alles so leicht, auch wenn ich das nicht will, genau wie vor einem Jahr in diesem Diner. Obwohl ich mir alle Mühe gab, meine Aufmerksamkeit auf alles andere zu richten, wanderte sie immer wieder zurück zu ihm. Genau wie jetzt. Er zieht mich an wie ein kleiner, stetiger Lichtpunkt in ewiger Dunkelheit.

»Irgendeine Ahnung, wieso wir hier sind?«, reißt mich Rowan aus meinen Gedanken.

Ich trinke einen Schluck und beäuge ihn misstrauisch. »Na klar.«

»Und damit meinst du ›kein Stück‹, oder?«

»Genau. Und du?«

»Nope.«

»Wie ist Lachlan überhaupt auf diesen Ort gekommen? Und wie kann ich sicher sein, dass er dir keine Infos zuschiebt, damit du gewinnst?«

Rowan grunzt abfällig, nimmt mir die Flasche ab und trinkt einen großen Schluck, bevor er antwortet: »Weil mein Bruder, wie ich schon sagte, keinerlei Interesse daran hat, mich gewinnen zu sehen. Wenn ich verliere, wird er es mir ein Jahr lang unter die Nase reiben und jede Sekunde genießen.«

Als Rowan mir die Flasche zurückgibt, sieht er sich so sorgfältig um, als suchte er nach versteckten Kameras oder Gästen. Ich weiß schon, dass wir die Einzigen hier sind. Wir sind allein, abgesehen von dem Besitzer, einem Typen namens Francis, der in einem gepflegten Second-Empire-Haus wohnt, das oberhalb des Hotels liegt. Rowan weiß das ganz sicher auch, aber er tut gut daran, vorsichtig zu sein. »Und wieso er sich ausgerechnet West Virginia ausgesucht hat … Tja, sagen wir, er hat Kontakt zu gewissen Leuten, die an gewisse Akten gewisser Behörden rankommen, und außerdem Partner, die die Lücken füllen können.«

»Gewisse dubiose Quellen«, erwidere ich und grinse, als Rowan die Augen verdreht. »Was macht dein Bruder denn beruflich?«

Rowan lehnt sich zurück, tippt mit dem Finger auf seine Armlehne und mustert eindringlich mein Gesicht. Der tiefe Blick aus seinen blauen Augen treibt mir die Röte in die Wangen. Rowan sieht mich an wie sonst niemand, so als wollte er nicht nur meine Gedanken und Absichten ergründen, sondern sich die kleinsten Einzelheiten meines Gesichts einprägen, um jedes Geheimnis dahinter zu enthüllen.

»Unser Hobby«, sagt er dann, als er wohl zu dem Schluss gekommen ist, dass er mir vertrauen kann, »ist für Lachlan nicht nur Zeitvertreib, sondern Beruf.«

Ich nicke. Das erklärt, wieso er Zugang zu Informationen über strafrechtliche Ermittlungsverfahren hat. Entweder arbeitet er fürs Militär oder für gefährliche, gut vernetzte Individuen.

»Also bist du sicher, dass er dir nicht beim Schummeln hilft«, bemerke ich.

»Wenn überhaupt, dann hilft er dir.«

»Ich mag ihn schon jetzt«, sage ich und grinse, als Rowan mich gespielt finster ansieht. Nachdem ich einen Schluck getrunken habe, reiche ich ihm die Flasche. »Was ist mit dir? Gefällt dir die Gastronomiebranche?«

Rowan lächelt mich anerkennend an. »Hast du Nachforschungen über mich betrieben, Blackbird?«

»Genau wie du, nehme ich an«, kontere ich.

»Ich bekenne mich schuldig.« Rowan trinkt vom Wein und stellt die Flasche auf seinem Knie ab. Er sieht mich einen Moment lang an, dann nickt er und lächelt leicht wehmütig. »Ja, es gefällt mir. Ich liebe meine eigene Küche. Mir gefällt das Tempo, das manchmal ziemlich hoch sein kann, aber das genieße ich. Ich mag es, wenn es leicht chaotisch ist. Vielleicht kann ich dich deshalb so gut leiden«, fügt er augenzwinkernd hinzu.

Lachend verdrehe ich die Augen. Dieser Mann. Er könnte aus allem einen Flirt machen. »Was bedeutet der Name?«, frage ich. Es scheint ihn nicht zu kümmern, dass ich seine Bemerkung ignoriere. »Wieso hast du dich für 3 in Coach entschieden?«

»Meine Brüder und ich«, erklärt Rowan, und erneut wirkt sein Lächeln wehmütig, als er den Blick auf die Flasche in seiner Hand senkt. »Wir haben als Teenager Irland verlassen und sind nach Amerika gekommen. Als Lachlan die Tickets besorgte, sagte er Dreimal Zwischendeck. 3 in Coach . Für uns war das der Beginn eines neuen Lebens.«

»Wie das Restaurant«, sage ich, seinem Gedankengang folgend.

Seine Augen leuchten auf, während er nickt.

Als Rowan mir die Flasche reicht, berühren sich unsere Finger erneut auf dem kühlen Glas, und zwar länger, als es erforderlich wäre, doch aus irgendeinem Grund finde ich es immer noch viel zu kurz.

Das ist doch lächerlich , ermahne ich mich. Du kennst diesen Mann ja gar nicht.

Ich richte mich auf, blicke zum Empfangstisch und betrachte Rowan nur unauffällig, während ich die Flasche an die Lippen setze. Grenzen sind gut, Grenzen sind notwendig. Rowan ist genau der Typ, der sie mit dem Bulldozer überfährt, wenn ich nicht aufpasse. Außerdem befinden wir uns immer noch in einem Wettstreit. Ich sollte mich nur für Informationen interessieren, die mir einen Vorteil verschaffen.

Aus dem Augenwinkel sehe ich, dass sich Rowans Hand meinem Sessel nähert. Sofort starrte ich ihn drohend an. Aber der dreiste Kerl setzt einfach seine Unschuldsmiene auf!

»Was zum Teufel machst du da?«

»Ich stehle dir deinen E-Reader, weil ich unbedingt über den Drachenmann mit den zwei Schwänzen lesen will.«

»Ich sitze da drauf! Wenn du meinen Arsch berührst, breche ich dir die Hand!«, warne ich, muss aber lachen, als er meinen Arm anstupst.

»Aber nicht doch! Ich schubse dich um, schnapp ihn mir und renne mit triumphierendem Kichern auf mein Zimmer.«

»Lad dir doch die Datei runter wie jeder normale Mensch, und lies es auf dem Handy, du Irrer!«

»Schere, Stein, Papier?«

»Auf keinen Fall!«

»Komm schon, Blackbird. Ich brauch die doppelte Penetration vom Drachenmann!«

Wieder stupst er mich am Arm, und ich muss kichern, doch plötzlich höre ich etwas. Mit einem Mal fühlt es sich an, als wären wir in einer Blase gewesen, die jetzt zerplatzt. Das ist ganz und gar ungewöhnlich für mich und fast ein Schock, als Francis am Empfangstisch auftaucht. Normalerweise habe ich meine Umgebung ständig im Blick. Aber Rowan hat mich in ein Reich entführt, in dem es nur uns gibt. Und aus irgendeinem Grund war das wie eine enorme Erleichterung, wie eine Pause vom ständigen Druck, nach Gefahren Ausschau zu halten.

»Hey, Mann, hoffentlich haben wir niemanden geweckt«, sagt Rowan und versucht nicht mal, die Flasche zu verbergen, die er auf dem Knie balanciert. Seine andere Hand hat er auf die Armlehne meines Sessels gelegt.

Als Francis’ Blick vom Wein zu Rowan huscht, presst er die Lippen zu einem angespannten Lächeln zusammen. »Nein, nicht doch. Sie sind die einzigen Gäste. Ich wollte nur Winston Church zum Schlafengehen abholen«, erklärt er und weist nickend auf die Katze, die sich auf ihrem Sessel am Kamin zusammengerollt hat. Francis streicht sich über seine rosa Krawatte und blickt zwischen uns hin und her. »Wir haben nicht mehr so viele Besucher, seit es ein paar neue Etablissements in der Gegend gibt. Neuerdings vermietet jeder über Airbnb, um sich was dazuzuverdienen.«

»Ich find’s schön hier«, sage ich und deute ins Zimmer. »Es hat Charme. Aber Winston sieht aus, als würde er mir das Gesicht zerkratzen, wenn ich ihm zu nahe komme.«

»Nein, nein, er ist harmlos«, versichert Francis und fährt sich mit der Hand durch den dunklen Pony, den er sich schräg über die Stirn gekämmt hat. Er geht hinüber zum Kater, der mit einem gefährlichen Fauchen zuerst ihn anstarrt und dann mich. Ich weiß nicht, ob der Blick seiner gelben Augen bedeuten soll, dass er vor Francis gerettet werden oder mich einfach nur weiter finster mustern will. Aber sein Fauchen verstummt, als Francis seinen grauen Körper in seinen Armen birgt. »Besuchen Sie jemanden in der Gegend? Oder sind Sie nur auf der Durchreise?«

»Nein, das ist unser jährlicher Wanderurlaub«, erkläre ich. »Wir suchen uns jedes Jahr einen neuen Ort aus, normalerweise einen, der ein bisschen ›abseits der Touristenpfade‹ ist.«

Francis nickt und streichelt der Katze den Kopf. »Hier gibt’s ein paar tolle Wanderwege. Am Elk River kann man gut starten. Die Brücken bieten ein beeindruckendes Panorama. Nur am Davis Creek muss man vorsichtig sein, man kann sich da leicht verlaufen. Letztes Jahr ist ein Wanderer vom Weg abgekommen und tauchte nie wieder auf. Und er war nicht der Erste.«

»Danke, Mann. Wir werden vorsichtig sein«, sagt Rowan in einem Ton, der ihm höflich bedeutet, dass er sich verpissen soll.

Francis versteht den Wink und nickt uns zu. »Ich wünsche Ihnen eine gute Nacht. Und melden Sie sich, wenn Sie etwas brauchen«, fügt er hinzu und winkt uns mit Winstons Pfote, bevor er sich zurückzieht.

Unser Dank begleitet ihn, als er in einen Flur rechts von der Lobby verschwindet. Kurz darauf hören wir, wie sich eine Tür schließt.

»Der sieht nicht aus wie ein Provinzhotelier in West Virginia, sondern wie jemand, der bei Twitch Mädchen mit einem bescheuerten Avatar anlocken muss«, knurrt Rowan, ohne den Blick vom Flur zu lösen. Dabei ruckt er an der Armlehne meines Sessels, um ihn näher zu sich zu ziehen.

»Was ist dein Problem?«, erkundige ich mich lachend, als er mich näher zerrt. »Bist du neidisch auf seine rosa Krawatte oder so?«

Rowan schnaubt spöttisch und richtet seinen grimmigen Blick auf mich, während er weiterhin an meinem Sessel zieht. »Nein, verdammt! Aber jetzt gib mir den Drachenschwanz, Blackbird!«

»Auf keinen Fall.« Bevor er mich packen kann, schlüpfe ich mit dem E-Reader vom Sessel und winke ihm provozierend damit zu, bevor ich in Richtung unserer Zimmer zurückweiche. »Gute Nacht, du Spinner. Ich gehe jetzt ins Bett. Du weißt ja: Der frühe Vogel fängt den Wurm. Vielleicht plane ich sogar eine Solowanderung zum Davis Creek. Jungs sind nicht erlaubt, es sei denn, sie haben Schuppen und Zeugungsdrang.«

»Ausgerechnet jetzt habe ich mein Dinosaurierkostüm zu Hause vergessen«, seufzt Rowan und prostet mir mit der Flasche zu, bevor er sich in seinem Sessel zurücklehnt. Trotz der späten Stunde ist sein Lächeln herzlich und der Blick leuchtend. »Bis morgen, Blackbird.«

Mit einem letzten Winken drehe ich mich um und gehe auf mein Zimmer. Ich liege schon im Bett und starre zur Decke, als mein Handy eine Nachricht meldet.

Nacht! Lass dich nicht von den Wanzen beißen.


Ich bin sicher, hier gibt’s Wanzen.

Ich grinse in die Dunkelheit. Und dann schlafe ich ein.