14.
Carolin Alberts
Carolin betrat Noahs Büro. Die Jalousien waren heruntergelassen, die Schreibtischlampe brannte. Mit dem Licht des Monitors im blassen Gesicht schrieb Noah auf der Tastatur.
»Warum sind die Jalousien unten?«, fragte sie fröhlich. »Die Sonne scheint, es ist ein weiterer herrlicher Frühlingstag.«
Sie ging zum Fenster und zog die Jalousien hoch.
Noah blinzelte im hellen Licht. Er sah müde aus.
»Hast du hier die ganze Nacht verbracht?«, fragte Carolin erstaunt.
»Du
scheinst eine sehr angenehme Nacht hinter dir zu haben«, antwortete er.
»Ach, Noah.« Sie trat hinter seinen Stuhl und legte ihm die Hände auf die Schultern. »All in,
haben wir gesagt.«
»Das hast du
gesagt«, entgegnete Noah. »War
sie angenehm, deine Nacht?«
Sie war sogar sehr angenehm, dachte Carolin. Sie fühlte sich so gut wie lange nicht mehr. Aber das konnte sie Noah nicht sagen, er hätte es falsch verstanden.
Noah hatte E-Mails an die Banken geschrieben, stellte sie fest.
»Ich hab sie.«
»Was hast du?«
Carolin lächelte triumphierend. »Die Zulassung. Sie liegt in meinem Büro. Ich spreche gleich mit Marketing und Vertrieb. Wir können loslegen.«
Sie drückte Noahs Schultern und gab ihm einen Kuss auf die Wange. Der Bart kitzelte – Carolin fühlte es mit einer Deutlichkeit wie nie
zuvor.
Sie zeigte auf den Monitor. »Die E-Mails an die Banken müssen umgeschrieben werden. Du solltest noch heute Termine vereinbaren. Leg ihnen die Zulassung vor. Sag ihnen, dass wir unsere Marketingmaschine bis zum Anschlag hochfahren. Das Geschäft startet jetzt,
und es wird ein verdammt gutes Geschäft, das größte, das wir bisher hatten. Die Aussichten sind … hervorragend.«
Die Worte strömten nur so aus ihr hervor.
Noah sah zu ihr hoch. »Was ist los mit dir?«
Carolin wich ein wenig zur Seite. Der durchs Fenster fallende Sonnenschein, ein goldenes Funkeln, erreichte sie, und sie drehte sich, als wollte sie darin baden.
»Sieh mich an, Noah«, sagte sie. »Ich habe nur ein paar Stunden geschlafen, nicht mehr als zwei oder drei.«
»War sie so toll, deine Nacht mit Arents?«
»Lieber Himmel, nein, das meine ich nicht.« Sie musterte ihn, einen müden, übernächtigten und traurigen Mann. Rasch kehrte sie zurück und gab ihm einen Kuss auf den Mund. »Manchmal muss man Dinge tun, die man nicht tun möchte, das weißt du. Ich habe dabei an uns gedacht, an unsere Firma.«
»Du hast daran gedacht, als du …«
»Ich habe daran gedacht, als ich mich darauf einließ.« Carolin verstand den Grund für Noahs Niedergeschlagenheit, aber sie konnte nicht anders, als fröhlich zu sein. Sie fühlte sich beschwingt, durch und durch positiv, wie nach mehreren sehr guten Nachrichten. In ihrem Innern war alles aufgeräumt, alles an seinem richtigen Platz. Sie saß wie auf einem Vulkan, einem ruhigen, freundlichen Vulkan, in dem jedoch eine heiße Kraft brodelte, die sie anzapfen konnte, ohne sich zu verbrennen. »Manchmal heiligt der Zweck tatsächlich die Mittel.«
Noah seufzte schwer.
»Du solltest es ebenfalls nehmen«, sagte Carolin.
»Was?«
»Sleepless.«
Er sah sie mit großen Augen an.
»Ich habe gestern zwei Pillen genommen.« Carolin trat wieder in den Sonnenschein und breitete die Arme aus. »Ich bin der definitive Beweis, dass Sleepless so wirkt, wie wir es uns erhofft haben.«
»Eine Pille pro Tag ist die empfohlene Dosis«, sagte Noah langsam.
»Es geht mir gut. Es geht mir sogar hervorragend. Vielleicht sollten wir die empfohlene Dosis erhöhen. Dürfte dem Verkauf nicht schaden. Wir haben eine Goldmine, Noah! Ich glaube, Sleepless ist noch besser, als wir gedacht haben. An die Arbeit! Erledige das mit den Banken, und leg dich anschließend schlafen. Oder nimm Sleepless, dann geht’s dir besser. Ich rede jetzt mit Marketing und Vertrieb und bringe alles ins Rollen. Es geht los, Noah, es geht richtig
los!«
Voller Eifer und Tatendrang eilte sie zur Tür, drehte sich dort jedoch noch einmal um und schenkte Noah ein strahlendes Lächeln.
»Der Abend gehört dir«, fügte sie hinzu.
»Was ist mit der Nacht?«
»Wer weiß?« Carolin winkte. »Bis später.«