7
Kat
I ch bin nicht gut, Kat. Und ich bin definitiv nicht gut für dich.
Nachdem Lev gegangen ist, verbringe ich zehn Minuten damit, einfach nur dazusitzen und auf die geschlossene Tür zu starren und zu versuchen, mir zu vergegenwärtigen, was gerade passiert ist.
Ich bin mir nicht sicher, ob ich das bisschen Aftershave noch rieche oder ob es nur meine Einbildung ist. Oder einfach nur reine Verzweiflung.
Ich bücke mich, um mein Telefon aufzuheben, das irgendwann auf den Boden gefallen ist.
Du wirst mich nicht wiedersehen.
Ich schätze, er hat bekommen, was er wollte, plus einen Bonusfick heute Morgen. Jetzt ist er weg und ich weiß nicht mal, warum ich überrascht bin. Oder warum ich erwartet habe, dass er anders sein würde .
Er hat sich im Club nur um mich gekümmert, weil der Club in Schwierigkeiten wäre, wenn mir wegen einer schlechten Droge etwas zugestoßen wäre. Dass ich ihn küsste und ihm praktisch auf den Schoß kletterte, als ich high war? Nun, seien wir mal ehrlich, das war der Grund, warum er mir den Schal zurückbrachte. Er wollte mich nicht ausnutzen, solange ich mich nicht ganz unter Kontrolle hatte. Nicht, weil er so ein Gentleman ist, sondern eher, weil er sich schützen musste.
Als er mir beim Abendessen sagte, ich solle mich vom Club fernhalten … vielleicht will er nicht, dass ich verletzt werde oder in Schwierigkeiten gerate. Ich weiß es nicht. Oder vielleicht will er wieder einmal nur sich selbst schützen. Ich meine, ich habe einen gefälschten Ausweis benutzt, um da reinzukommen. Und es brauchte nicht viel Überzeugungsarbeit, damit er letzte Nacht mit mir schlief.
„Ugh.“ Ich stehe auf. „Ich bin so eine Schlampe.“
Nein. Verdammt. Wäre da nicht der sehr fürsorgliche, ehrliche und rundum nette Mr. Robert George – perverses Arschloch – gewesen, wäre ich immer noch Jungfrau. Man kann doch nicht Schlampe und Jungfrau gleichzeitig sein, oder? Ich fühlte mich nur noch nie so zu jemandem hingezogen wie zu Lev.
Gefühlt habe.
So wie ich mich zu Lev hingezogen gefühlt habe .
Er wird nicht wiederkommen und ich sollte mich besser damit abfinden .
Ich beiße mir auf die Lippe, um zu verhindern, dass mir die Tränen, die mir in den Augen brennen, herunterlaufen. Ich mochte ihn. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen. Auch wenn es dumm ist, ich mochte ihn. Und es tut weh zu wissen, dass ich ihn nie wiedersehen werde.
Mein Telefon piept. Es ist eine Nachricht. Als ich darauf blicke, erinnere ich mich daran, dass ich Ninas Nachricht noch nicht gelesen habe, aber die Nachricht auf dem Display ist von Sandy, einer Frau, mit der ich zusammenarbeite. Ihre Tochter ist krank und sie fragt mich, ob ich eine Stunde früher kommen und den Rest ihrer Schicht übernehmen könne.
Ich antworte ihr und sage ihr, dass das in Ordnung gehe. Ich habe sonst nicht viel zu tun und ich könnte sowohl die Ablenkung als auch das Geld gebrauchen.
Ich suche schnell Ninas Namen, um ihre Nachrichten zu lesen, aber alles, was ich sehe, ist der Hinweis auf die gelöschten Nachrichten. Zwei davon. Ich sehe auf die Uhr. Sie wird inzwischen in der Schule sein. Sie besucht tagsüber die Penn State wie eine normale Neunzehnjährige. Ich, ich bin in diesem Semester für zwei Klassen am örtlichen Community College eingeschrieben, die ich um meinen Arbeitsplan herum unterbringen muss.
Ich muss sie sehen, aber heute Abend wird es nicht klappen, also ziehe ich mir eine saubere Uniform an, schnappe mir einen Korb mit Wäsche und gehe in den Keller, um sie in die Waschmaschine zu werfen. Auf dem Weg zum Diner schreibe ich Rachel eine Nachricht, dass sie meine Sachen bitte in den Trockner räumen soll, wenn sie nach Hause kommt, und dass wir uns heute Abend nach dem Unterricht sehen werden. Und hauptsächlich versuche ich, nicht an Lev zu denken oder daran, was gestern Abend oder heute Morgen passiert ist.
Aufgrund unserer unterschiedlichen Stundenpläne dauert es ein paar Tage, bis ich Nina treffen kann. Am ersten Morgen, an dem ich Zeit habe, schreibe ich ihr eine Nachricht.
Ich: Hey. Bist du da?
Nina: Ja, ich arbeite gerade an einem Projekt.
Ich: Kann ich vorbeikommen?
Nina: Mein Vater ist zu Hause und er hat jemanden zu Besuch, aber komm einfach hinten rum rein. Ich bin oben.
Ich: Ich bringe Kaffee mit.
Ich kämme mir schnell die Haare und drehe sie zu einem Knoten, schnappe mir eine Jacke und meine Handtasche und mache mich auf den Weg. Ich besitze kein Auto, aber einen Block weiter gibt es eine Bushaltestelle. Obwohl sie in einem viel schöneren Stadtteil wohnt als ich, ist Ninas Haus nur etwa zwanzig Minuten Fahrzeit entfernt. Man kann hier fast eine Grenze zwischen der Mittelschicht und den ganz Armen ziehen, denn wenn der Bus aus meinem Viertel hinaus und in ihres hineinfährt, ist es wie Tag und Nacht.
Ich steige eine Haltestelle früher aus, um im WaWa vorbeizuschauen und zwei große französische Vanillekaffees zu holen. Ich weiß, dass es wahrscheinlich Kaffeeersatz ist, aber er ist gut und viel billiger als der von Starbucks auf der anderen Straßenseite.
Es ist ein warmer Herbsttag und ich öffne den Reißverschluss meiner Jacke, während ich durch die ruhigen Straßen zum Haus der von Brandts gehe. Draußen ist kein Auto geparkt, also frage ich mich, ob der Besuch ihres Vaters bereits weg ist, aber ich schleiche trotzdem hinten ums Haus herum.
Ich steige die zwei Stufen zur Veranda hinauf und trete einfach ein. Die Tür ist unverschlossen. Ninas Mutter ist inzwischen normalerweise bei der Arbeit und ich weiß nicht genau, was ihr Vater macht. Er scheint keine regelmäßigen Arbeitszeiten zu haben.
Das Haus ist ruhig, also frage ich mich, ob nur Nina und ich da sind, während ich mich auf den Weg nach oben mache. Ihre Tür steht einen Spalt breit offen und ich höre das Summen von Musik, als ich sie ganz aufschiebe. Sie sitzt am Schreibtisch und macht etwas an ihrem Laptop .
„Hey“, sage ich und schließe die Tür mit dem Absatz meines Schuhs.
„Hey.“ Sie nimmt den Kopfhörer ab und die Musik wird einen Moment lang lauter, bis sie sie ausschaltet. Sie steht auf, schaut mich an, kommt zu mir und umarmt mich ganz fest. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, sie macht sich Sorgen.
„Geht es dir gut?“, frage ich sie, als sie zurücktritt und sich einen Kaffee nimmt.
Sie nickt und schaut mich noch einmal an. „Dir?“
Ich lasse die Handtasche fallen, ziehe die Jacke aus und setze mich auf ihr Bett, um einen Schluck Kaffee zu trinken, während ich darüber nachdenke, wie ich ihre Frage beantworten soll.
„Ich weiß es nicht“, sage ich schließlich.
Sie kommt zu mir und setzt sich neben mich aufs Bett. „Das mit dem Ecstasy tut mir leid. Ich wusste nicht, dass es gestreckt war.“
„Das konntest du nicht wissen und du hast dich schon hundertmal entschuldigt. Außerdem geht es mir gut.“
„Du hast Lev wiedergesehen, nicht wahr?“
„Woher kennst du ihn? Wer ist er eigentlich?“, frage ich.
Sie schaut weg, nippt an ihrem Kaffee. „Mein Dad. Sie arbeiten manchmal irgendwie zusammen“, sagt sie schließlich. „Warum hast du ihn wiedergesehen, Kat?“
„Ich hatte meinen Schal im Club vergessen und er brachte ihn vorbei.“
„Nun, ich denke, das war nett von ihm“, sagt sie sarkastisch.
„Ist er nicht nett?“, frage ich nach.
„Ich hätte dich nicht ins Delirium mitnehmen sollen. Wir hätten woanders hingehen sollen.“
„Warum?“
Sie schüttelt den Kopf. „Nichts. Sag mir einfach, was ihr gemacht habt.“
„Er lud mich zum Abendessen ein und sagte mir, ich solle mich vom Club fernhalten, und dann fuhren wir zurück zu seinem Haus, und ... ich übernachtete dort.“
„Ihr habt was ?“
Ich beschließe, die Tatsache nicht zu erwähnen, dass wir auch nicht besonders vorsichtig gewesen waren. Obwohl – ich habe gerade erst meine Periode hinter mir, also kann ich wenigstens nicht schwanger werden.
Ich stelle meine Tasse auf den Nachttisch und reibe mir mit den Händen über das Gesicht. „Es war großartig. Die Nacht, meine ich. Er war unglaublich. Nett und fürsorglich–“
Sie schnaubt.
„Aber dann, am Morgen, wurde er komisch, und – ich weiß nicht. Es war einfach – seltsam.“
Sie beißt sich auf die Lippe, als würde sie etwas in Erwägung ziehen. „Hör zu Kat, du musst dich von ihm fernhalten. Er ist kein netter Kerl, okay?“
„Sag mir, wer er ist.“
„Vertrau mir einfach.“
„Er sagte mir, ich würde ihn sowieso nicht wiedersehen, also wird er wohl dafür sorgen, dass ich mich fernhalte.“
„Das hat er zu dir gesagt?“
Ich nicke.
Sie nickt auch und ich habe das Gefühl, dass sie etwas sagen will, aber sie tut es nicht, also fahre ich fort.
„Es war wirklich seltsam, Nina. Wie Tag und Nacht. Morgens war er eiskalt, dann bekam er einen Anruf, der seine Laune noch schlechter zu machen schien, und ich sprang irgendwie aus dem Auto, als wir in den Berufsverkehr gerieten.“
„Du bist aus seinem Auto gesprungen?“ Ihre Augenbrauen verschwinden in ihrem Haaransatz.
„Nun, ja. Es schien nur so, als würde er mich sowieso nicht wirklich dort haben wollen, aber dann holte er mich ein, und da wurde es ... wirklich seltsam.“
„Wirklich seltsam inwiefern?“
„Dunkel.“
„Wie meinst du das?“
„Er brachte mich nach Hause und dann haben wir ... du weißt schon. Nochmal.“
Sie macht wieder diese Sache mit ihren Augenbrauen. „Mein Gott, Kat! Von all den Männern, die du dir aussuchen kannst!“
„Aber es war anders. Er war ... anders.“
„Wie anders?“
„Nicht so fürsorglich, denke ich.“ Ich halte inne und sie scheint nicht überrascht zu sein. „Wer ist er? Ich wünschte, jemand würde es mir verraten. Er hat die Nachrichten, die du mir geschickt hast, gelöscht, so dass ich sie nicht lesen konnte.“
„Nun, das erklärt einiges.“
„Erklärt was?“
Sie steht auf und geht zum Fenster. „Nichts. Scheiße.“
Ich gehe zu ihr und schaue nach draußen, wo ich einen Mann im dunklen Anzug sehe, der aus dem Haus heraus und die Straße hinunter geht.
„Wer ist das?“
„Ich weiß es nicht. Ich hoffe nur, dass mein Vater nicht dumm ist.“
„Was geht hier vor, Nina?“
Ihr Handy klingelt und sie dreht sich um, um es von ihrem Schreibtisch zu nehmen. „Schau, ich bin spät dran.“
„Du weißt über ihn Bescheid. Du weißt, wer er ist. Du wusstest es im Club und er hat dir Angst gemacht.“
Ihr Gesicht wird etwas blasser. „Sein Onkel steckt in übler Scheiße. Das ist alles.“
„Er arbeitet für seinen Onkel.
„Ja, gut, dann zähle eins und eins zusammen und halt dich von ihm fern. Er ist kein guter Kerl.“ Sie seufzt. „Ich muss wirklich los. Ich bringe dich raus.“
„Sag mir wenigstens, was für Scheiße.“
Sie hält inne und schaut mich mit einem Ausdruck von Sorge und Mitleid und so gar nichts Gutem an.
„Russische Mafia, Kat. Die verdammte russische Mafia.“