Mitgefühl für sich selbst. Integration von Ketamin, Hypnose und IFS – Beispiele aus der Praxis

Frauke Nees

WARUM KETAMIN IN DER PSYCHOTHERAPIE?

Ketamin ist ein Anästhetikum, das im Rahmen von Psychotherapie in niedrigerer Dosierung verwendet werden kann, um einen veränderten Bewusstseinszustand hervorzurufen, in dem sich Veränderungen leichter und tiefer vollziehen oder überhaupt erst möglich werden.

Je nach Dosierung führt es zu einem traum- oder tranceartigen Zustand und reduziert ängstliche, depressive und suizidale Zustände (Memon et al., 2020, Dore a. Wolfson, 2019) als auch die Symptome bei PTSD (Halstead et al., 2021). Im ambulanten Bereich kann Ketamin als Off-Label-Therapie eingesetzt werden, wenn bisherige Behandlungen erfolglos waren.

In der Arbeit mit Ketamin gestützter Psychotherapie integriere ich Hypnose, IFS (Teile-Arbeit), Traumatherapie, körperorientierte Methoden und Personzentrierte Psychotherapie, um unverarbeitete Erinnerungen zu integrieren und neue Erfahrungen zu ermöglichen. In diesem Kapitel wird beschrieben, warum sich diese Methoden für die psychotherapeutische Arbeit mit Ketamin besonders eignen und warum sie sich gut kombinieren lassen. Es wird darauf eingegangen, welche Besonderheiten bei der psychotherapeutischen Arbeit mit Ketamin zu beachten sind und wie eine Behandlung mit Ketamin durchgeführt wird. Dabei lasse ich in meiner Darstellung Patienten zu Wort kommen und liefere abschließend eine detaillierte Falldarstellung.1

Ob Patienten für eine Behandlung mit KAP geeignet sind, muss gründlich durch einen Psychiater abgeklärt werden. Neben körperlichen Kontraindikationen, wie z.B. schwere Herzerkrankung, würden z. B. auch eine psychotische oder eine schwere bipolare Erkrankung oder eine schwere Persönlichkeitsstörung gegen eine Behandlung mit KAP sprechen. Des weiteren findet eine, u. U. mehrere Sitzungen umfassende, psychotherapeutische Vorbereitung statt, die zu dem Ergebnis führen kann, dass für den Patienten KAP nicht oder noch nicht die richtige Methode ist. Unerwünschte oder fehlende Wirkungen können folgende Gründe haben: Eine ungenügende psychiatrische Abklärung, ungenügende psychotherapeutische Vorbereitung, unzureichende therapeutische Begleitung während des Prozesses oder ungenügende Ausbildung der begleitenden Psychotherapeuten im Umgang mit veränderten Bewusstseinszuständen oder sich evtl. zeigendem traumatischem Material.

Ketamin erhöht die neuronale synaptische Konnektivität sowie die Neuroplastizität (Brouwer a. Carhart-Harris, 2021; Lepow, Yehuda et al., 2021; Olson, 2018, Aleksandrova a. Philips, 2021). Plastizität heißt, wörtlich übersetzt, Formbarkeit. In diesem Zeitfenster erhöhter Neuroplastizität sowie erhöhter Sensibilität für Einflüsse von außen können therapeutische Prozesse wie Verarbeitung von Traumata stattfinden. Die erhöhte Vulnerabilität und Offenheit in diesem veränderten Bewusstseinszustand, die Voraussetzung für den Veränderungsprozess ist, erfordert seitens des Psychotherapeuten besondere Sensibilität, Fertigkeiten und Verantwortung. Das Erleben in diesem Bewusstseinszustand ist theoretisch nicht zu vermitteln, weshalb es sinnvoll ist, in der Weiterbildung von Psychotherapeuten für KAP, die Erfahrung mit der Substanz in der begleiteten sowie begleitenden Rolle selbst zu machen.

Das Gehirn hat die angeborene Fähigkeit, sich nach Traumata neu anzupassen und sich selbst zu heilen, wenn entsprechende Bedingungen gegeben sind. Methoden, die Neuroplastizität herstellen, sind neben Ketamin gestützter Psychotherapie auch Kunsttherapie, Neurofeedback oder Sensomotorische Psychotherapie (Harricharan, 2022). Traumatische Erfahrungen beeinträchtigen die Fähigkeiten, sensorische Information (von innerhalb und außerhalb des Körpers) zu verarbeiten. Dadurch kommt es zu Schwierigkeiten in höheren mentalen und kognitiven Prozessen, die für das Lernen von neuen Fertigkeiten und Aufbrechen von Gewohnheiten erforderlich sind. Diese sog. exekutiven Funktionen dienen der Selbstregulation sowie der Handlungsplanung und Umsetzungskompetenz, der Selbstmotivation und Willensstärke. Neuroplastizität führt zu einem größeren Stress-Toleranz-Fenster. Erst dieser Zustand von Sicherheit ermöglicht die Weiterleitung von sensorischer Information über Hirnstamm und Insula zum präfrontalen Kortex, zur Integration und damit dem Funktionieren dieser für eine befriedigende, eigenständige Lebensführung notwendigen höheren mentalen und kognitiven Prozesse (Harricharan, 2019).

Nach Brouwer und Carhart-Harris (2021) kommt es unter Psychedelika zu einem kurzzeitigen Bewusstseinszustand von Hyperplastizität, der gekennzeichnet ist durch Instabilität, in der das System empfindlicher für Kontextbedingungen wird. Dadurch sei schnelles und tiefes Lernen und damit Veränderung möglich. Erhöhte Plastizität bei andauernden widrigen Umgebungsvariablen führe demnach zu Pathologie. Um positive Veränderungen zu bewirken, werde der kurzzeitige hyperplastische Zustand in der von Psychedelika gestützten Psychotherapie gezielt genutzt, indem großer Wert gelegt wird auf entsprechende sichernde, mitfühlende, haltgebende Kontextbedingungen.

Olson (2018) beschreibt in seiner Untersuchung sog. Psychoplastogene, zu denen u. a. Psychedelika und Ketamin gehören, die in der Lage sind, Neuroplastizität rasch zu fördern. Psychoplastogene schaffen demnach Möglichkeiten für neues Lernen durch kortikales Re-Mapping: Der Angstkreislauf wird umgestaltet und es wird lang anhaltende Veränderung bewirkt, die über die akute Wirkung der Droge hinausgeht.

Dies könne dazu beitragen, das Gehirn neu zu verknüpfen und eine neue Kommunikation im Gehirn zu fördern.

Durch die Gabe von Ketamin im Rahmen von Psychotherapie können Verhaltensmuster und Glaubenssätze verändert werden, das Einnehmen einer neuen, positiven Perspektive wird möglich. Es fällt Patienten leichter, sich zu öffnen. Patienten berichten oft von einem Gefühl von Leichtigkeit, Dankbarkeit, Verbundenheit und Zugehörigkeit und einer Besinnung darauf, was ihnen im Leben wirklich wichtig ist. Herausfordernde Situationen können gelassener betrachtet werden. Patienten empfinden oft mehr Energie und Motivation, etwas zu verändern. Sie berichten, sich oft mehr mit sich selbst verbunden zu fühlen und mehr Klarheit, Ruhe, Gelassenheit, Zuversicht, Offenheit und Neugier sowie mehr Mitgefühl für sich selbst und andere zu empfinden.

Was erleben Patienten während der Infusion? Was wird in einem veränderten Bewusstseinszustand erlebt?

Jede Sitzung verläuft anders, jeder Patient reagiert unterschiedlich und braucht auch etwas anderes. Manche Patienten beschreiben den Zustand als friedvolle Ruhe und Sicherheit. Es gebe darin entweder keine negativen Emotionen, oder diese zögen wie Wolken vorbei, die man loslassen kann. Der unruhige Geist mit vielen Gedanken und Kommentaren komme zur Ruhe, viele können das erste Mal einen Zustand wie in der Meditation empfinden, mit dem Erleben reiner Präsenz und Leere. („Ich konnte über nichts nachdenken. Der Kopf war leer. Einfach sein. Ich musste fast weinen, weil ich mich so befreit fühlte.“) Viele Patienten können in diesem Zustand seit langer Zeit zum ersten Mal wieder loslassen und entspannen, sich neu, anders erleben und sich mit ihrem wahren Selbst verbunden fühlen. Das gibt vielen Patienten Hoffnung und Motivation. Traumatisches Material kann in metaphorischen Bildern auftauchen, verarbeitet und losgelassen werden. Das kann für jemanden, der noch keine Erfahrung mit Ketamin hat, zunächst verunsichernd oder verstörend sein, weshalb eine gute Vorbereitung, Begleitung und Nachbearbeitung sowie eine vertrauensvolle und unterstützende Beziehung zwischen Patient und Therapeut wesentlich sind. Musik kann den Prozess oft unterstützen, führt dazu, sich geerdet, verbunden und im Fluss zu fühlen.

Ein Patient mit schwerer Depression und Alkoholabusus, der nach einem Suizidversuch zur 2,5-wöchigen Intensivbehandlung kam, sagte nach 2 Wochen: „Ich bin nicht schuld. Ich bin es wert, geliebt zu werden. Ich bin liebenswert.“ Nach der Behandlung konnte er die vermehrte Energie und Motivation nutzen und das Erlebte transferieren. Er nahm konkrete Veränderungen in seinem Alltag vor, konnte sich beruflich und privat besser durchsetzen, nahm beruflich eine Position mit mehr Verantwortung an und konnte sein Potential entfalten. Auch ein Jahr nach der Behandlung war er nicht mehr depressiv.

Manchmal kommt es zu sehr starken positiven Gefühlen, auch gegenüber dem Therapeuten. Hier muss die positive Übertragung selbstverständlich dem veränderten Bewusstseinszustand zugeordnet werden.

In KAP-Sitzungen, die schwierig und herausfordernd sind, wie in jeder anderen Therapie, muss sich der Patient darauf verlassen können, dass der Therapeut mit starken, emotionalen und auch körperlichen Zuständen sicher umgehen kann.

HYPNOSE

In der Hypnotherapie wird der Zustand von Trance therapeutisch genutzt.

Was ist anders, wenn wir in Trance sind?

Es kommt zu veränderter Realitätsorientierung, rezeptiver Aufmerksamkeit, veränderter Körperwahrnehmung, Zunahme der Imaginationsaktivität, Trancelogik (z. B. man kann unter Wasser atmen), veränderter Zeitwahrnehmung, erhöhter Suggestibilität und erhöhter Emotionalität.

Bongartz (2000) führt als Argument für die therapeutische Verwendung von Trance die Studien der Anthropologin Bourguignon auf, die 1973 feststellte, dass „bei 90% der Kulturen Trancerituale institutionalisiert sind bzw. waren, also einen festen Platz im sozialen Leben (…) haben bzw. hatten.“ (Bongartz, 2000, S. 35) Sie sieht „die Verwendung von Trance als Mittel zur Reduktion seelischer Belastungen und damit zur Verhütung psychischer Erkrankungen (…), sozusagen als psychohygienische Prophylaxe (Bongartz, 2000, S. 35).“

Warum eignet sich Hypnotherapie in der psychotherapeutischen Arbeit mit Ketamin? Welche Ähnlichkeiten gibt es?

Der veränderte Bewusstseinszustand durch Ketamin und Psychedelika ist ein tranceartiger Zustand. Er kann zu einer Verringerung negativer, immer wiederkehrender, selbstbezogener Gedanken führen. Abwehr und Vermeidung sind reduziert. Es kann ein spontaner, selbstorganisierter Heilungsprozess stattfinden.

Nach Erickson (1993) finden psychische Prozesse unter Hypnose außerhalb des unmittelbaren Bewusstseinsbereichs statt, sind vom Bewusstsein dissoziiert. In der Hypnotherapie wird Dissoziation gefördert. Das führt dazu, gewohnte bewusste Einstellungen außer Kraft zu setzen, so dass unbewusstere Reaktionsebenen zum Ausdruck kommen. Es entsteht ein Zustand von „Nicht-Wissen und Nicht-Tun …welche die Quintessenz der Trance-Erfahrung darstellt (Erickson u. Rossi, 1993, S. 44)“. In der therapeutischen Trance werden die Beschränkungen der eigenen gewohnten Denkschemata und Glaubenssysteme vorübergehend aufgehoben, der Patient wird offen für kreative Problemlösungen, und unerkannte Potentiale werden zugänglich. In der Trance kann durch das Ausblenden der gewohnten Bewusstseinsinhalte auch ein Erleben des reinen Gewahrseins entstehen, das Erickson und Rossi mit spirituellen Erfahrungen gleichsetzen. Nach Schmidt (8.10.2022, persönliche Kommunikation) sind „viele Erfahrungen, die man mit Ketamin und anderen psychoaktiven Substanzen machen kann, gar nicht sinnvoll verstehbar und nutzbar ohne diesen Aspekt der Spiritualität.“ Mystische Erfahrungen kommen häufig in Beschreibungen von Patienten unter dem Einfluss von Ketamin vor. Rothberg et al. (2021) konnten in ihrer Untersuchung mit alkoholabhängigen Patienten zeigen, dass die mystische Erfahrung für ein positives Behandlungsergebnis entscheidend ist.

Für die Heilung sind Muster-Unterbrechungen wesentlich, bei denen eine Reorganisation der eigenen Erlebniswelt, Erfahrung, Gedanken, Einsicht und der Erinnerungen stattfindet und ein Perspektivenwechsel vollzogen wird.

Hier zeigen sich Ähnlichkeiten zwischen dem Konzept der oben beschriebenen Neuroplastizität beim Einsatz von Psychedelika und dem Heilungsprozess unter Hypnose.

SYSTEMISCHE ARBEIT MIT PERSÖNLICHKEITSANTEILEN: INTERNAL FAMILY SYSTEM (SCHWARTZ): IFS

Schwartz (2020) geht in seinem Modell des IFS davon aus, dass wir verschiedene, z. T. widersprüchliche Seiten, verschiedene Persönlichkeitsanteile haben (Multiplicity of Mind) sowie das Selbst. Schwartz (2021) beschreibt das Selbst als „Essenz“, als das authentische Selbst, das wir sind, wenn wir nicht mit den inneren Anteilen identifiziert sind.

Die einzelnen Anteile werden identifiziert, ihre Intention, Bedürfnisse und Motivation verstanden. In IFS sind sogenannte „Verbannte“ jüngere, verletzte Anteile (Holmes, 2007). Sie wurden isoliert, um das System davor zu schützen, mit Schmerz und Angst überflutet zu werden. Die beschützenden Anteile werden in dem Modell „Manager“ und „Feuerbekämpfer“ genannt.

In der IFS-Therapie finden durch die Herstellung der Beziehung zwischen Selbst und verletzten Anteilen heilende Prozesse statt. Es entsteht Mitgefühl für sich selbst. Die einzelnen Anteile fühlen sich vom eigenen Selbst gesehen und verstanden und können von ihren extremen Haltungen entlastet werden. Ähnlich der Bindungsbasierten Psychotherapie (Brisch, 2015), jedoch hier mit inneren Anteilen, wird die Bindung zwischen Selbst und inneren Anteilen gestärkt.

Im Verlauf des Prozesses werden verletzte jüngere Anteile, die oft in der Vergangenheit festsitzen, in der Imagination befreit und in die Gegenwart oder an einen sicheren Ort gebracht (Retrieval). Zusätzlich wird in der Imagination für den verletzten Anteil das getan, was in der damaligen Situation für ihn wichtig gewesen wäre und was er gebraucht hätte (Re-do). Dieser Prozess ist der Arbeit mit der Vergangenheit innerhalb der Hypnotherapie ähnlich, in der sich z. B. Erwachsenen- und Kind-Ich begegnen. Aus dem Trauma resultierende, überkommene Überzeugungen, Emotionen und Körperempfindungen können losgelassen werden (Unburdening), und die ursprünglichen Qualitäten der Anteile können wieder zu eigen gemacht werden (Call in qualities). Ziel ist die sichere Bindung zwischen Selbst und Anteilen sowie zwischen den Anteilen herzustellen.

UNTER DEM EINFLUSS VON KETAMIN SIND BESCHÜTZENDE ANTEILE ENTSPANNTER

Unter dem Einfluss von Ketamin zeigt sich oft, wenn genügend Vorbereitung stattgefunden hat, dass die „Beschützer“ („Protectors“), die schmerzhafte Erinnerungen und erneute Verletzung vermeiden wollen, entspannter sind. Wenn der Patient mit diesen nicht identifiziert sind, kann ein Zustand von Offenheit, Verbundenheit, Ruhe, Klarheit und Zuversicht eintreten, dann sind wir in unserem Selbst.

Das, was in der damaligen Situation, in der keine andere Hilfe und Unterstützung zur Verfügung stand, das Überleben ermöglicht hat, steht später im Leben oft im Weg und verhindert neue Erfahrungen und damit Veränderung. Das Modell pathologisiert nicht, sondern erklärt Symptome als notwendige Anpassungsleistung an schwierige Bedingungen.

Oft ist nach der Ketamininfusion das Arbeiten mit den inneren Anteilen einfacher, weil die schützenden Anteile entspannter sind und das Selbst präsenter ist.

Tragend für den therapeutischen Prozess ist eine von Neugier, Offenheit, Klarheit und Mitgefühl geprägte Haltung des Therapeuten gegenüber dem Patienten, wodurch der Patient lernt, diese Haltung gegenüber seinen eigenen inneren Anteilen einzunehmen. Wenn der Therapeut in seinem Selbst (nicht identifiziert mit inneren Anteilen ist), kann er den für den vulnerablen Zustand des Patienten notwendigen sicheren Rahmen bieten, wodurch diese ihren verschiedenen Persönlichkeitsanteilen mit mehr Mitgefühl begegnen können.

In der Hypnotherapie wird die Beziehung zu sich selbst z. B. durch die von Walter Bongartz (2000) entwickelten Techniken wie Ressourcenmatrix, Hypnotischer Begleiter und Andere Persönlichkeit gestärkt.

LIEBE UND MITGEFÜHL FÜR SICH SELBST

Für sich selbst, für die eigenen Bedürfnisse sorgen können, Mitgefühl für sich selbst, sich verwöhnen, es sich gut gehen lassen, sich das Träumen erlauben ist für viele Patienten nicht oder nur schwer möglich. Es gibt innere Anteile, für die es gefährlich ist, die eigenen Sehnsüchte und damit sich selbst wahrzunehmen, weil dann auch der Schmerz gespürt wird. Indem man den eigenen Träumen, Sehnsüchten sowie Kreativität und Intuition Raum gibt, kommt man in Verbindung mit sich selbst. Es stärkt das Erleben von Sicherheit und erhöht die Selbstwirksamkeit. Sich mit dem zu beschäftigen, was einen inspiriert, bringt in Bewegung und die daraus gewonnene Kraft und Energie ist wichtig für Veränderungsprozesse.

Oft haben therapeutischen Prozesse viel Schwere. Umso wichtiger ist es, sowohl für Patienten als auch für Therapeuten, Dinge zu tun, die ihnen Freude bereiten und mindestens genauso viel Zeit darauf zu verwenden, sich zu verwöhnen, zu spielen, zu tanzen, zu schwimmen, zu singen, zu trommeln und kreativ zu sein, um sich lebendig zu fühlen und die Erforschung und Entwicklung der eigenen Identität zu unterstützen.

TRAUMA

In der psychotherapeutischen Arbeit mit Ketamin können traumatische Erfahrungen oft leichter verarbeiten werden. Durch das erweiterte Stress-Toleranz-Fenster sind Emotionsregulation und kognitive Restrukturierung möglich.

Bei der Beschäftigung mit Traumata stehen oft sexueller Missbrauch und körperliche Gewalt im Vordergrund, weniger offensichtlich sind emotionaler Missbrauch und (emotionale) Vernachlässigung. Traumatisch auswirken kann sich nicht nur, dass etwas passiert ist, was nicht hätte sein sollen, sondern auch, dass etwas, das hätte sein sollen, nicht geschah.

Für die Entstehung einer sicheren Bindung, so betont Brisch (2015), ist die Co-Regulation von affektiver Erregung durch eine feinfühlige Bindungsperson von besonderer Wichtigkeit. Es braucht sprachliche und affektive Interaktion, reziproken Wechsel in der Interaktion und Kommunikation, feinfühlige Berührung und Blickkontakt mit gelungener Affektabstimmung, damit Kinder Selbstwirksamkeit, Selbstwertgefühl, ein stabiles Gefühl für ihre Identität, Beziehungsfähigkeit, Frustrationstoleranz und emotionale Stabilität entwickeln und sich innerlich lebendig, kreativ und verbunden fühlen können. Defizite in der Beziehung führen dazu, dass Kinder dissoziieren (einfrieren oder erschlaffen), um sich vor überwältigenden Gefühlen von Panik und Angst zu schützen und emotional zu überleben.

Das ICD-11 diagnostiziert die komplexe Posttraumatische Belastungsstörung (KPTBS) als Folge von sich wiederholenden oder langandauernden traumatischen Ereignissen. Es handelt sich meist um Formen zwischenmenschlicher Gewalt und/oder auch emotionaler Vernachlässigung. Neben den Symptomen der PTBS ist die KPTBS durch anhaltende und tiefgreifende Probleme der Emotionsregulation, negative Selbstwahrnehmung und Beziehungsstörungen gekennzeichnet.

Von emotionalem Missbrauch und Vernachlässigung in der Kindheit Betroffene empfinden oft tiefe Scham und Schuldgefühle, empfinden sich als nicht liebenswert, nicht gut genug, nicht richtig oder als zu viel. Sie entwickeln oft sehr selbstdestruktive, autoaggressive Anteile: „Es darf mir nicht gut gehen.“, „Ich habe keine Lebensberechtigung.“ In dysfunktionalen Familien mussten sie als Kinder oft erleben, dass es nicht um sie ging. In desorganisierten Eltern-Kind-Beziehungen fühlt sich das Kind nicht gesehen, nicht erkannt und nicht beschützt, nicht unterstützt und kann darum nur sehr erschwert seine eigene Identität entwickeln.

TYPISCHER ABLAUF VON KETAMIN-GESTÜTZTER PSYCHOTHERAPIE

Zu Beginn wird der Patient im Gespräch mit dem Facharzt u. a. über Indikation, Kontraindikation, Medikamenteneinnahme, Risiken, Behandlungsalternativen und Ketamin als Off-Label Therapie aufgeklärt.

Im Vorgespräch mit dem behandelnden Psychotherapeuten wird vertieft besprochen, wie Ketamin auf der Erlebensebene wirkt und die Erwartungen, Ziel und Anamnese, Psychoedukation, evtl. Kooperation mit bestehendem PsychotherapeutIn besprochen. Evtl. wird der PartnerIn oder die Familie mit einbezogen. Ein typischer Behandlungsablauf mit 6 KAP-Sitzungen umfasst:

usw.

Vorbereitung

Es bedarf einer guten Vorbereitung für die KAP-Sitzungen, damit die Patienten sie sich sicher fühlen und Vertrauen in die Beziehung zum Psychotherapeuten haben, um die volle/tiefere Wirkung nur entfalten kann.

Die Techniken für die Vorbereitung werden in den Sitzungen zwischen den KAP-Sitzungen wieder aufgegriffen und vertieft.

Bottom-up-Techniken

Mit den Patienten werden verschiedene Bottom-up-Techniken wiederholt eingeübt, die auf die Beruhigung bzw. Aktivierung des dysregulierten Nervensystems abzielen. In der Polyvagaltheorie beschreibt Porges (2017) die Bedeutung der somatischen Wahrnehmungsfähigkeit als Grundvoraussetzung für die Fähigkeit zur körperlichen Interaktion wie Aufmerksamkeit, Spiegeln, Resonanz und Impulse. Die Übungen zur Interozeption, wie z. B. von Deb Dana (2019) oder Linda Thai (2020) beschrieben, dienen der Aktivierung des Parasympathikus, was zur Beruhigung führt. Die Patienten lernen, sich selbst zu spüren und zu regulieren. Dazu gehören: Atemtechniken wie langsames, langes Ausatmen, Klopftechnik, bilaterale Stimulation u. v. m.

Die Interventionen auf körperlicher Ebene haben zum Ziel, dass Patienten sich sicher fühlen können, und dabei einen optimalen Energielevel innerhalb des Stress-Toleranz-Fensters herzustellen, der erlaubt, innere und äußere Informationen wahrzunehmen, zu verarbeiten, zu analysieren und zu integrieren. Das Frontalhirn ist online und der Patient ist fähig, Perspektivenwechsel zu vollziehen sowie eine Verbindung zu sich und anderen herzustellen. Er kann besser mit unterschiedlicher emotionaler Erregung umgehen, ohne dass das Nervensystem zu einem der beiden Extrembereiche hin ausschlägt. Damit werden Lernprozesse und der Zugang zu eigenen Ressourcen möglich.

Ziel der Atemübungen ist außerdem, sich in schwierigen Momenten auf den therapeutischen Prozess einlassen zu können, und mit Unterstützung des Therapeuten durch den Prozess durchzugehen.

Am Anfang der Therapie wird besprochen, ob der Patient möchte, dass er am Arm berührt oder an der Hand gehalten wird. Die Einwilligung kann jederzeit widerrufen werden.

Hypnose

Hypnose wird in der KAP-Sitzung sowohl zur Entspannung eingesetzt als auch in der Vorbereitungssitzung, um erste Erfahrungen mit Trance-Zustanden zu bekommen. Die Imaginations- und Trancefähigkeit wird dabei trainiert. Die Erfahrung zeigt, dass Patienten, die bereits geübt sind in Hypnose, Imaginationsreisen, Meditation oder ähnlichen Verfahren sich besser auf den veränderten Bewusstseinszustand einlassen und loslassen können. Durch Hypnose und IFS wird auch willentliche Dissoziation geübt, was wiederum eine Voraussetzung für tiefere Trance ist. Die gelernten und geübten Fertigkeiten führen zu mehr Kompetenzerleben und Selbstwirksamkeit.

Die Ressourcenmatrix von Bongartz (2000) sowie weitere Hypnose-Techniken werden zur Vorbereitung oder auch zur Vertiefung während einer KAP-Sitzung eingesetzt. Durch die Ressourcenmatrix werden frühere, positive Erfahrungen aus wesentlichen Lebensbereichen aktiviert, die identitätsbildend sind und das Leben lebenswert machen. In der Imagination wird ein Erlebnisrahmen geschaffen, in dem sich der Patient gesund, stark und kompetent erlebt, mit anderen interagieren kann, und damit handlungsfähiger wird. Die Beziehung zu sich selbst wird gestärkt. Er hat damit nicht nur Zugang zu seinen Ressourcen, sondern auch zu seinen Werten, seiner Identität und letztlich zu seinem Selbst.

IFS

In der Vorbereitung wird gefragt, ob es innere Anteile gibt, die Bedenken oder Einwände bzgl. der KAP-Sitzung haben. Die Anteile, die Befürchtungen haben und vor schmerzhaften Erfahrungen schützen wollen, müssen sich gesehen und verstanden fühlen, bis sie wirklich ihre Einwilligung geben, um so ein Blockieren der Erfahrung oder Gegenreaktionen zu vermeiden. Es geht darum, Konsens im inneren Team auszuhandeln, um alle Anteile mit an Bord zu haben. Manchmal braucht das viel Zeit, bis der Patient mit seinen Anteilen bereit ist, sich auf die Erfahrung einzulassen.

Nach der KAP-Sitzung

Mit den Patienten muss besprochen werden, dass der Zustand erhöhter Sensibilität und Vulnerabilität über Stunden oder Tage anhalten kann, auch wenn das Medikament nicht mehr im Körper ist. Es wäre ideal, sich frei zu nehmen und den besonderen, offenen Bewusstseinszustand zu nutzen, um zu schreiben, zu malen, Zeit zu haben, in der Natur zu sein, sich mit sich und dem Körper zu verbinden, Yoga zu machen, zu meditieren. Auch ist es hilfreich zu überlegen, mit wem man die Erfahrung teilen kann oder möchte, mit wem eher nicht, und welche Personen wenn nötig unterstützen können.

Beziehung zum Therapeuten

Brisch (2015) betont, dass keine Therapieform wirklich hilfreich sein kann für einen Patienten, wenn er sich in der Beziehung zum Therapeuten nicht sicher fühlt. Porges (2017) betont die Wichtigkeit des freundlichen Gesichtsausdrucks des Therapeuten, des warmen Tons der Stimme sowie Gestik und Körperhaltung, die das Nervensystem des Patienten positiv beeinflussen. Körperliche Zustände können durch das Einlassen auf andere Menschen positiv beeinflusst werden. Co-Regulation kann jedoch nur in einem sicheren Kontext stattfinden. Vertrauen kann nicht vorausgesetzt werden, sondern entsteht durch erlebte Erfahrung über Zeit. Ziel ist es, sich sicher zu fühlen, um sich mit Offenheit und Neugier auf den Prozess einlassen zu können. Man braucht Mut und Zuversicht, sich mit Gefühlen und Themen zu konfrontieren, die einst abgespalten werden mussten, um überleben zu können.

Sich in der Beziehung mit dem Therapeuten sicher genug zu fühlen, macht es möglich, traumatische Erfahrungen zu verarbeiten und verletzte Anteile zu integrieren. Neue Erfahrungen können gemacht und neue Einsichten gewonnen werden, um sich schließlich wieder verbunden zu fühlen mit sich, seinem Körper, anderen und der Welt.

Was passiert während der KAP–Sitzung?

Vor der Infusion werden mit dem Patienten Intention und Ziel für die jeweilige Sitzung geklärt. Diese Planung dient nur als ungefähre Zielsetzung und als Rahmen, da der Patient sich während der Sitzung gleichzeitig mit einer offenen Haltung einfach darauf einlassen können soll, was kommt.

Zu Beginn wird der Patient nach seiner heutigen Intention gefragt, ein Gedicht verlesen, Musik gespielt und eine Entspannungshypnose durchgeführt; alles mit dem Ziel, einen Rahmen zu schaffen und sich für den Prozess sicher zu fühlen.

Während der Infusion begleitet und unterstützt der Psychotherapeut den Patienten in seinem sich entfaltenden Prozess. Es gibt keinen festen Ablauf. Jeder Patient reagiert anders und braucht etwas anderes. Die Haltung des Therapeuten ist offen und neugierig.

Manche Patienten sprechen gar nicht und sind ganz nach innen gerichtet. Man muss die Balance finden, einerseits den Prozess nicht zu stören, und andererseits dem Patienten nicht das Gefühl zu vermitteln, allein gelassen zu sein. Wenn nötig, greift der Therapeut ein, unterstützt aktiv und leitet den Prozess. Er ist feinfühliger Zeuge des Prozesses, in dem der Patient sich gesehen und verstanden fühlt. Der Therapeut „hört“ mit seinem gesamten Körper und geht in Resonanz, um den sich entfaltenden Prozess in der Tiefe zu begreifen. Wie im Personzentrierten Ansatz, folgt der Therapeut non-direktiv, aufmerksam, präsent und mitfühlend und schafft den Rahmen und die Bedingungen, unter denen die Selbstheilungskräfte und der Prozess sich entfalten können. Trauma geschieht meist zwischen Menschen und ist geprägt von Isolation und Abgetrenntheit. Heilung braucht Beziehung, um sich wieder verbunden zu fühlen.

Während der Therapeut den Prozess des Patienten aufmerksam begleitet, ist er gleichzeitig verbunden mit sich selbst, um sich möglicherweise eigene aktivierte Anteile bewusst zu machen.

Falls Patienten Einsichten äußern oder davon erzählen, was gerade passiert, macht sich der Psychotherapeut Notizen, da der Patient dies nicht unbedingt oder nicht alles erinnern kann, um es in der Sitzung danach zusammen mit dem Patienten wieder zu aktivieren und damit arbeiten zu können.

Körper

Manchmal zeigen und lösen sich während der Sitzung körperliche Spannungen und Blockaden, die somatische Manifestationen der Traumata darstellen. Diese körperlichen Spannungen sind zum eigenen Schutz und zur Verteidigung entstanden. Der Therapeut begleitet und unterstützt diesen Prozess verbal oder auch mit Tönen, Berührung, Atmung. Die Bewegungsimpulse können für den Patienten befremdlich wirken, deshalb muss er ermutigt werden, diese Impulse, Energien und Empfindungen körperlich ins Fließen zu bringen. Um ein Gefühl für diese Prozesse zu entwickeln, kann z. B. das Berühren mit einer schwingenden Stimmgabel den Patienten in Kontakt mit diesem Körpererleben bringen und ihm helfen, die Bewegungen zu initiieren. Manchmal braucht der Patient einen äußeren Widerstand, um die spontanen Bewegungen in ihrer Ausführung spüren zu können.

Diese Techniken aus der Sensomotorischen Psychotherapie, Somatic Experiencing (SE, Levine) oder anderen Körperpsychotherapien unterstützen auf diese Weise aktiv die Verarbeitung des Traumas auf körperlicher Ebene. Diese Bewegungsimpulse nicht zu ignorieren oder zu unterdrücken, sondern sie wahrzunehmen, zu erlauben, ist ein wichtiger Aspekt der Therapie. Der Körper wird dabei unterstützt, die Bewegungen auszuführen, die der Körper seit dem Erleben des Traumas machen möchte, und seinem natürlichen Prozess zu folgen. In der Regel resultieren diese Impulse aus dem Wunsch, sich in der damaligen traumatischen Situation zu schützen, wegzurennen oder zu kämpfen. In der Therapie wird durch die Erfahrung hindurchgegangen, um den damals unterbrochenen Prozess zu Ende bringen.

Der Therapeut begleitet und unterstützt den Prozess mit einfühlsamer Präsenz. Der Patient kann somit eine Erfahrung der Sicherheit und eines emotionalen Kontakts erleben. Eine Erweiterung des Gewahrseins, die hilft, Gefühle und Erinnerungen auf körperlicher Ebene zu prozessieren.

Es ist für den gesamten Prozess von Vorteil, wenn die Patienten parallel durch Körpertherapien und Übungen wie SE, Hakomi, Somatic Embodiment and Regulation Strategies (Linda Thai), TRE Tension and Trauma Releasing Exercises-Methoden (David Berceli) auf körperlicher Ebene arbeiten. Bessel van der Kolk unterstreicht immer wieder die Wichtigkeit, dem Körper die fundamentale Erfahrung zu ermöglichen, sich als lebendig zu erleben und damit die gegenteilige Erfahrung von Hilflosigkeit, Wut und Kollaps infolge traumatischer Erfahrungen ganz real im Hier und Jetzt zu erleben. Dazu gehört, mit Spaß und Lust (wieder als Gegenteil von Aversion und Angst) z. B. durch Yoga, Sport und Tanz die Beziehung zum eigenen Körper zu stärken und körperliche Tätigkeiten auszuwählen, die man wirklich mag. Besonders die Wellen- oder Schlangenbewegungen im afrikanischen und brasilianischen Tanz sowie im Bauchtanz und Salsa, die alles in Fluss und in Bewegung bringen, können sehr wirksam sein. Sie helfen dabei, den Abwehrpanzer aufzulösen und den eigenen Körper zu spüren und zu genießen.

Integration

Danach werden die während der Infusion gemachten Erfahrungen in Form von Bildern, neuen Einsichten und körperlichen Erfahrungen integriert. Welche Bedeutung hat das Erlebte für den Patienten? Inwiefern verändern neue Einsichten und Perspektiven konkret das tägliche Leben?

Der Therapeut macht Unterschiede z. B. in der Selbstwahrnehmung und im Selbstbild bewusst und sichtbar, weil diese vom Patienten manchmal „übersehen“, vergessen und schnell wieder von der Fülle der Anforderungen des Alltags zugedeckt werden. Obwohl die Patienten eine tiefe Erfahrung gemacht haben, kehren sie in ihre vorherige Umgebung zurück und laufen dann Gefahr, wieder in alte Muster zu fallen. Die Patienten haben sich selbst neu und anders erlebt und hatten Zugang zu gesunden Anteilen. Dies muss in den folgenden Tagen bestärkt und wiederholt werden.

Meistens fühlen sich die Patienten nach den KAP-Sitzungen leichter und zuversichtlicher. Das erlebte Gefühl von Verbundenheit gibt ihnen ein auch Gefühl von Sicherheit, sie stehen auf festerem Boden, auf den sie nun aufbauen können.

Manchmal kann es auch hilfreich sein, Partner und Familienmitglieder miteinzubeziehen und sich mit dem parallel behandelnden Psychotherapeuten auszutauschen, der die Therapie fortführt.

Mit dem Patienten wird besprochen, woran er weiterarbeiten möchte und was er für die Zeit nach der Sitzung sowie vor der nächsten Sitzung braucht. Hierbei ist es wichtig, sich täglich Zeit zu nehmen, um mithilfe von Notizen und Musik die Erfahrung und wertvolle Einsichten wieder zu aktivieren, zu festigen und weiter zu prozessieren (s. o.).

Das Arbeiten mit schweren Themen und Traumata ist nur ein Teil der Psychotherapie. Durch das Entwickeln von Mitgefühl für sich selbst (wie z. B. in IFS durch den Aufbau einer Beziehung zwischen Selbst und den verletzten Anteilen) werden die eigentlichen, ursprünglichen Bedürfnisse wieder deutlicher und spürbarer. Zu diesen gehören Spielfreude, Kreativität, Bewegung, gute Beziehungen, Freunde, sinnstiftende Arbeit, etc. Diese Entwicklung ist zentraler Bestandteil des Heilungsprozesses – und des Mensch-seins überhaupt. Man kann es auch so formulieren: wenn das „innere Kind“ gerettet und getröstet wurde, möchte es wieder spielen, rennen, toben, malen, singen, tanzen, etc.

Das gilt genauso für den Psychotherapeuten. Was den Patienten gut tut, tut auch den Psychotherapeuten gut, und umgekehrt. Dazu gehört, dass wir auch Spielfreude, Kreativität, Spaß an Bewegung, Verbundenheit mit dem Körper etc. in unserem Leben verwirklichen. Nur wenn der Therapeut selbst stabil, stark und mit sich verbunden ist, kann er diesen Raum schaffen, und nur dann ist auch er geschützt.

Für jeden Patienten sind die Erfahrungen in dem veränderten Bewusstseinszustand unterschiedlich. Das hängt auch davon ab, welche Vorerfahrungen dieser hat.

Beispiele: Eine Patientin mit jahrelanger Erfahrung in Yoga und Atemtechniken hat über die Dauer der gesamten Sitzung tief und lange mit Ton ausgeatmet, was sie als heilend empfunden hat.

Bei einem Patienten – Psychotherapeut, ausgebildet in Katathymem Bilderleben – konnte sich während der Infusion der Prozess in Bildern und Metaphern entfalten und auch auf dieser Symbolebene prozessiert werden.

Ein Patient, der sexuelle Übergriffe erlebt hat, hat in der Erfahrung mit seiner Hand die Hand des Angreifers immer wieder weggeschlagen.

Ein anderer Patient, der während des Prozesses in einer Unterwasserwelt tauchte, imaginierte spontan Begleiter und Beschützer, die auf ihn aufpassten und seine plötzlich auftauchende, für ihn toxische Ex-Freundin auffraßen.

Eine Patientin mit komplexer posttraumatischer Belastungsstörung konnte keine Verbindung zu ihren verletzten Anteilen herstellen. Sie war jedoch sehr mitfühlend und feinfühlig im Umgang mit ihrem eigenen Pferd. Die Fürsorge für das Pferd konnte mit Hypnose unter Ketamin auf das verletzte innere Kind übertragen werden.

FALLBESCHREIBUNG2

Im Folgenden möchte ich den Prozess einer Patientin konkret schildern. Sie war während der Ketamininfusion immer wieder von Wellen des Weinens und des Schmerzes ergriffen, an die sich Momente von großer Klarheit und Ruhe mit tiefen, neuen Erkenntnissen anschlossen. Diese Phasen wiederholten sich mehrmals pro Sitzung. Es war ein sich sehr natürlich, spontan entfaltender Prozess.

Die 39-jährige Patientin ist Designerin. Am Anfang der 2-wöchigen Intensivbehandlung hatte sie im BDI den Wert 43 (schwere Depression), Diagnosen: F43.1 Posttraumatische Belastungsstörung, F32.2 schwere depressive Episode. Sie hatte während zwei Wochen zehn Behandlungstage mit insgesamt zwanzig Psychotherapiesitzungen, davon fünf begleitet mit Ketamin. Acht Wochen nach Ende der Behandlung lag ihr BDI-Wert bei 20 (mittelschwere Depression ab 20).

Sie gibt vor Behandlungsbeginn folgende Beschreibung: keine Freude, sich nicht konzentrieren können, Scham und Schuldgefühle, sich taub fühlen, unruhig, Suizidgedanken, Angst, Suizidversuch, ständig in Angst, dass etwas Schlimmes passiert, Angst, zu sterben, müde, kraftlos, wertlos, nervös, angespannt, nichts hilft. Über ihre Kindheit berichtet sie, ihre Eltern haben keine Wärme gezeigt, die Mutter sei „nicht unterstützend“ gewesen, „unbeteiligt“, ihre Eltern waren Alkoholiker, ihr Vater sei ein Patriarch gewesen, es habe sich alles immer um ihn gedreht. Sie habe zu ihrem Vater eine gute Beziehung entwickelt seit der Geburt ihrer eigenen Tochter. Sie selbst sei „schon immer depressiv“ und auch bereits mehrfach wegen depressiver Episoden behandelt worden: erstmals war sie in psychotherapeutischer Behandlung mit 16 Jahren, mit 20 Jahren erneut sechs Monate Psychotherapie und Einnahme von Fluoxetin, mit 27 Jahren erneut sieben Monate Psychotherapie und Einnahme von Fluoxetin, mit 30 Jahren erneut vier Jahre Psychotherapie und Einnahme von Bupropion, mit 38 Jahren erneut Psychotherapie und Einnahme von Bupropion und Clonazepam, mit 39 Jahren erneut 3 Monate Psychotherapie und Einnahme von Sertralin.

Als aktuellere Veränderung und Belastung gibt sie die Scheidung vom Vater des gemeinsamen Kindes vor 4 Jahren an, im gleichen Jahr der plötzliche Tod des Vaters, vor zwei Jahren die schwierige Beziehung zu einem Mann und Trennung vor 1,5 Jahren nach sexueller Gewalt. Sie war sehr unter Druck, nervös, unruhig und verzweifelt und sagte immer wieder, sie verstehe nicht, was in der Beziehung passiert sei, sie habe Angst, verrückt zu sein.

1. Behandlungstag

Anamnese, Vorbereitung mit Ressourcenmatrix (Bongartz, 2000) und einüben von Atemtechniken. Beziehungsressource der Patientin war ihr Kind, als Kompetenzerleben benannte sie die Geburt ihres Kindes. Wichtige Bedeutung hat für sie Weite.

2. Behandlungstag: erste KAP-Sitzung (0,5mg/kg Körpergewicht)

Die Sitzung fand an einem sonnigen Tag in einer Praxis in Mallorca statt, bei offenem Fenster, davor befindet sich ein Wald und man hört das Zirpen der Grillen. Die erste Äußerung der Patientin: „Die Grillen sind meine Freunde.“ Sie empfand tiefe Verbundenheit und fing an zu weinen „Ich kann mich spüren!“, sie habe keine Angst und empfinde Klarheit. Dann weinte sie wieder und sagte erstaunt: „Das ist gar nicht meins! Etwas ist in mich eingedrungen.“ Nach Ende der Infusion erklärt sie, die Erfahrung sei wie ein Film in einem Kino gewesen. Sie fragte sich, wer sie wirklich sei. Die Musik war ihr viel zu viel und es wurde vereinbart, das nächste Mal ohne Musik zu arbeiten.

3. Behandlungstag (ohne Ketamin)

Sie sagte, sie sei müde, aber sie empfinde Klarheit, Gelassenheit, innere Ruhe und mehr Abstand zu dem Ex-Freund: „Das ist vorbei.“ Sie war selbst überrascht, da sie sich seit Monaten mit dem Gedanken gequält hatte: „Er will mich nicht.“ Sie konnte klarer sehen und erkannte: „Ich hatte mich verantwortlich und schuldig gefühlt für Dinge, die nicht meine waren.“ Sie erkannte, dass er ein eigenes Trauma hatte. „Ich sehe klar und habe jetzt Worte für das, was geschehen ist.“ Und immer wieder: „Das ist nicht meins!“ Sie konnte differenzieren und sich befreien von einer Last, die nicht die ihre war. Es fand spontan ein Teil des Verarbeitungsprozesses statt, der im IFS „unburdening“ genannt wird. Danach sagte sie: „Ich fühle mich mehr ich selbst.“

4. Behandlungstag: zweite KAP-Sitzung

Als Intention für die heutige KAP-Sitzung definiert die Patientin: „Mehr Liebe für mich selbst und mehr Zuversicht“. Es beschäftigt sie, dass sie vieles nicht gemacht habe, was sie wollte. „Ich habe mich nie „schlecht“ benommen.“, „Ich habe mich selbst verleugnet und mich nicht wichtig genommen.“

Wenige Minuten nach Beginn der Infusion schlägt sie die Augen auf: „Ich fühle mich so sehr ich selbst.“ „Ich fühle mich nicht mehr verloren.“ „Alles ist im Fluss und einfach.“ „Eine Person kann einen verdrehen … Was für eine Erleichterung, zu spüren wer ich bin.“, „Ich habe so viel übernommen … jetzt gebe ich meinem Körper Raum … hatte mich selbst gehasst. Er hatte einen Teil von mir mitgenommen.“

Für einen Moment eine Welle von starkem Weinen, und dann: „Es ist vorbei.“ „Er hatte eine andere Wirklichkeit aufgebaut und mich programmiert. Wie gruselig. Ich dachte, niemand wird mich je wieder lieben. Meine Essenz war begraben.“

„Die Weisheit des Körpers: alles raus, was nicht zu mir gehört. Ich kann unterscheiden: was ist meins und was ist seins. Diese Scheiße ist nicht meine.“ Auch hier fand spontan ein Prozess statt, indem sie sich von Lasten befreien konnte, die nicht ihre waren (IFS: Unburdening).

Dann kam wieder eine Welle von Weinen und Gefühle von Schmerz und Wut auf ihren Ex-Mann, den Vater ihres Kindes. Danach: „Jetzt bin ich ruhig, gefestigt.“ Und nach einer Weile: „Ich bin gerne eine Frau. Mein ganzes Leben wollte ich ein Mann sein.“ Nach einer erneuten Welle von Schmerz: „Männer verspotten und hassen Frauen.“ Und dann: „Ich fühle mich von mir selbst ganz gesehen.“ Nach einer Weile: „Ich dachte, ich wäre schuld. Traurig, weil ich ihm nicht helfen konnte.“ Nach Ende der Infusion sagt sie: „Jetzt bin ich wieder mit meinem Körper verbunden. Ich spüre mich. Ich fühle mich so gut in meinem Körper.“ Und: „Ich lese nicht die gleiche Seite tausend Mal, sondern das nächste Kapitel.“ Sie fügt hinzu:

„Mit Xanax war ich entspannt, aber nicht wach. Diazepam beruhigt, aber nimmt nicht die Angst, es ist schlimmer, denn man ist nicht mit dem Körper verbunden. Mit Ketamin bin ich entspannt, aber klar und präsent.“

5. Behandlungstag (ohne Ketamin)

Die Patientin berichtet, sie habe gut geschlafen, es gehe ihr gut. Nachdem sie die kürzer zurückliegenden negativen Beziehungserfahrungen angefangen hatte zu bearbeiten, befasste sie sich mit ihrer Kindheit. Man habe ihr immer gesagt: „Etwas stimmt nicht mit dir. Du passt nicht zu uns. Du gehörst nicht dazu.“ Sie habe sich als krank empfunden und als Außenseiterin. Sie berichtet weiter: „Wenn ich als kleines Kind, auch als Baby, geweint habe, wurde ich eingeschlossen.“ Die einzige Bindungsperson, zu der sie Vertrauen hatte, sei die Reinemachefrau gewesen. Ihre Mutter habe immer Alkohol getrunken. Die Patientin dachte immer, sie sei schuld: „Wenn ich das gemacht oder nicht gemacht hätte, wäre Vater nicht gegangen.“ Mit IFS Bearbeitung des inneren Konflikts zwischen dem Anteil, der Wut empfindet und für eigene Bedürfnisse einstehen will, und dem Anteil, der sich selbst die Schuld gibt und sich verantwortlich fühlt.

6. Behandlungstag: dritte KAP-Sitzung

Als Intention für die heutige Sitzung definiert sie eigene Bedürfnisse „was will ich?“ In Hypnose Vertiefung der vorher erarbeiteten Bindungsressourcen (Lehrer, Opa, Musik, Kind).

Sie habe Angst, ihrem Kind das Gleiche anzutun, was ihre Mutter ihr angetan hatte.

Unter der Einwirkung von Ketamin Momente von Klarheit und neuer Einsicht: „Ich konnte nicht sehen. Jetzt habe ich eine Brille und sehe besser.“ Sie konnte sehen, wie sehr sie ihre Wahrnehmung als Kind verdrehen musste, um die überlebensnotwendige Bindung zu den Eltern aufrechterhalten zu können: „Wenn ich die Last trage, dann bin ich ein gutes Mädchen.“ „Meine Mutter war unfähig.“ „Es ging nicht um mich, nur um sie.“

Die Patientin konnte erkennen: „Ich selbst zu sein und eine eigene Identität zu haben empfand sie (Mutter) als Angriff.“ Das Erkennen unter dem Einfluss von Ketamin in dem veränderten Bewusstseinszustand findet auf Erlebensebene statt. Bongartz (2000, S. 191) beschreibt das so: „Einsicht in Trance hat eine emotional-erfahrungsmäßige Basis und ist nicht nur rein kognitiv begründet.“

In dem sich natürlich entfaltenden Prozess der Patientin zeigt sich deutlich, wie in dem veränderten Bewusstseinszustand mehr Selbst-Energie präsent ist, was allein schon heilende Wirkung hat. Es wird möglich, sich mit Klarheit und Zuversicht mit schmerzhaften Erfahrungen zu konfrontieren und diese zu verarbeiten. Die inneren Anteile fühlen sich vom Selbst gesehen und verstanden. Die entstandene Bindung zwischen Selbst und den Anteilen, v. a. den verletzten Anteilen, wirkt heilend.

Mithoefer (2017) betont in dem Behandlungsmanual von MAPS für MDMA gestützte Psychotherapie, wie das komplette Erleben und Ausdrücken jedweder Emotion, Erinnerung, Bilder und Körperempfindungen zur Lösung von tief sitzenden Mustern von Angst, Hilflosigkeit, Scham und Schuld führen kann.

7. Behandlungstag (ohne Ketamin)

Die Patientin berichtet, es gehe ihr gut, sie fühle sich erleichtert, müde, aber gut. Sie möchte sich mehr damit beschäftigen, was sie will, und das Träumen wagen. Sie entwickelt Zukunftsperspektiven, indem sie sich mit ihren Sehnsüchten auseinandersetzt. Und vor allem „zu sein, wer ich bin“.

“So bin ich!” Sie steht zu sich selbst und beschreibt sich stolz selbst.

8. Behandlungstag: vierte KAP-Sitzung

Die Intention der Patientin: Was sind meine Wünsche?

Sie berichtet anfangs, dass sie gestern das erste Mal seit Langem wieder gemalt und Musik gehört habe. „Alex hatte den Anteil von mir mitgenommen und jetzt habe ich ihn wieder.“ „Es ist, wie wenn man seine Brille wieder findet.“ „Was für eine Erleichterung. Ich bin wieder ich.“ Dann wieder eine Welle von Weinen. Nun geht es um die Beziehung zu ihrem Vater und ihre Wut: “Ich habe meine gesamte Persönlichkeit um ihn herum konstruiert.“ Sie beschreibt, dass ihr Vater sehr lustig war und das pure Leben, dagegen war ihre Mutter der Tod. Sie wollte so sein wie er. So habe sie sich mit ihm verbinden können. Das sei wie eine Garantie gewesen. Nun lebe er nicht mehr und sie verliere sich. Sie fragt sich, wer sie ist und was sie will.

Dann wieder eine Welle des Weinens, und dann spontan ein Befreien von Lasten, die nicht ihre sind (IFS: Unburdening): Sie habe sich um die Mutter kümmern müssen. Und dann die klare Erkenntnis: „Das ist nicht meins. Das ist von meinem Vater. Ich musste mich um meine Mutter kümmern, wenn er nicht da war. Ich muss mich nicht um meine Mutter kümmern. Ich habe sie nicht gewählt.“ Nach einer erneuten Welle von Weinen: „Ich will kein Mann sein … Ich bin kein Mann … Sein Thema … lasst mich in Ruhe … Für Vater war Weiblichkeit negativ … Ich will nicht diese Art von Frau sein, die das Leben nicht genießt.“

Nach der Infusion ist sie voll Trauer, weint und sagt: „Ich schäme mich dafür, ich zu sein. Aber der Wunsch, ich selbst zu sein, ist größer als die Scham.“ Sie verbindet sich mit ihren Ressourcen und sagt zur Therapeutin: „Du bist wie eine Hebamme.“

Die Stimme ihres inneren Kritikers sagt: „Entweder du bist wie Picasso oder du kannst es gleich lassen.“

9. Behandlungstag (ohne Ketamin)

Integration der letzten Sitzung. In Hypnose loslassen, was nicht zu ihr gehört und was sie nicht mehr braucht.

10. Behandlungstag: fünfte KAP-Sitzung

Die Sitzung beginnt mit dunklen Gedanken: „Ich verdiene nicht, dass es mir gut geht.“, „Mit mir stimmt etwas nicht.“

Ihre Intention für die Sitzung: „Wie will ich leben?“ Ihr Ziel: „Mich nicht verlassen, wenn ich mit jemand anderem zusammen bin.“

Als Einleitung Hypnose Ressourcenmatrix (Bongartz). Nachdem sie sich mit sich selbst verbunden hat und sich Raum gibt, zeigen sich Manageranteile, die sagen, dass sie nicht genießen darf.

Eine Welle des Weinens: der Vater liegt im Sterben. „Immer müssen sich alle um Mutter kümmern. Sie hat immer verhindert, dass Nähe zwischen meinem Vater und mir entsteht.“

Nach der Infusion erklärt sie, sie sehe während der Ketamininfusion alles wie in einem Dokumentarfilm. Sie habe keine Angst und keine Scham. „Vorher war vieles fragmentiert, jetzt verbindet es sich zu einer Geschichte.“ Und weiter: „Wenn es kein Ich gibt, dann kannst du nicht sehen und nichts sagen. Dann kann jeder kommen, und du wirst zu der anderen Person.“

„Ketamin ist Freiheit von Stress“. Sie sei neugierig, fühle sich gut, wieder in Verbindung mit ihrer Kreativität und verabschiedet sich voller Zuversicht.

Nachgespräch 8 Wochen nach Behandlungsende

Die Patientin berichtet, es gehe ihr viel besser und sie fühle sich entspannter. Einige Themen seien noch offen, aber insgesamt fühle sie sich ruhig, könne sich konzentrieren, sie sei nicht mehr nervös, habe keinen Schmerz mehr in der Brust, sei nicht mehr sorgenvoll, nicht mehr durcheinander und habe viel mehr Energie. „Ich habe meinen inneren Kompass wieder.“ „Ich folge jetzt bei Entscheidungen meinem Inneren.“ Sie denke nur noch selten an ihren Ex-Freund. Sie empfinde Klarheit statt Selbstzweifel.

„Während Ketamin habe ich den Körper als Ganzes wahrgenommen, geerdet, mein Körper ist mein Zuhause.“ Sie habe während der Ketamininfusionen Bewegungsimpulse wahrgenommen, sie wollte laufen. Das gleiche Erlebnis habe sie auch bei der Geburt ihres Kindes gehabt. Sie habe sich in den letzten Wochen ihre alten Kinderzeichnungen angeschaut. Sie sei ein ängstliches Kind gewesen und habe sich alleine gefühlt, niemand sei für sie dagewesen. Beide Großeltern seien krank gewesen und sie sei immer traurig gewesen, weil ihre Mutter nicht glücklich gewesen sei. Ihre Mutter und Großmutter hätten beide Suizidgedanken gehabt. „Ich musste als Kind perfekt funktionieren, um meiner Mutter nicht noch mehr Schmerz zuzufügen und die schwierige Situation der Mutter nicht zusätzlich zu verschlechtern.“

Nachgespräch 1 Jahr nach Behandlungsende

Die Patientin berichtet von „unglaublich starken Veränderungen“. Sie war eine kurze Beziehung zu einem Mann eingegangen, von dem sie sich wieder getrennt habe. Sie konnte sich trennen, hatte Klarheit, wohingegen sie vor der Behandlung keinen Abstand hatte, keine Grenzen. Nun könne sie sagen: „Ich bin ich und du bist du. Das ist für mich sehr neu.“ Auch zur Mutter habe sie mehr Abstand. Das sei eine Erleichterung. Mit Ketamin habe sie in einer einzelnen Sitzung bestimmte Erfahrungen verarbeitet und integriert. Ketamin habe einen Weg geöffnet und auf dem gehe sie nach wie vor weiter. Ketamin half, den Raum zu öffnen, um Dinge, die vorher angstbehaftet waren zu erforschen. Nun empfinde sie Leere, nicht negativ, sondern im Sinne von „noch alles vor sich haben“. Der Prozess gehe weiter und sei z. T. so überwältigend, dass sie immer nur Schritt für Schritt gehe. Alles sei sehr neu. So wie in der Vergangenheit sei sie nicht mehr. In der Beziehung zu ihrem Ex-Freund habe sie sich für alles verantwortlich gefühlt und sich selbst die Schuld gegeben. Mit Ketamin konnte sie wirklich verstehen, was passiert war.

„Es ist, wie wenn man eine neue Brille bekommt: am ersten Tag sieht man noch schummerig und dann kann man die Dinge anders sehen, aus einem anderen Blickwinkel.“ „Etwas in mir konnte wachsen und hat mehr Raum. Das konnte ich als Kind nicht.“

Insgesamt erlebe sie mehr Ruhe und Klarheit. Sie habe mehr Abstand, trotzdem würde sie viel empfinden. Vorher habe Meditieren sie gestresst, jetzt würde meditieren ihr helfen, sich mit sehr schwierigen Themen zu konfrontieren. Als Kind waren Gefühle von Wut nicht erlaubt. Nun kämen diese Gefühle hoch und sie könne mit diesen arbeiten. Danach sei sie immer sehr erschöpft und müsse sich ausruhen. Sie habe nie mehr Angst- oder Panikattacken gehabt. Alte Gedanken gebe es noch, aber sie könne anders damit umgehen. „Ich sehe Alternativen. Ich kann wählen. Früher hatte ich immer nur reagiert.“ Sie sei am Erforschen: „Ich weiß immer noch nicht, wer ich bin.“ Weiter zu planen als ein oder zwei Jahre sei überwältigend.

Die Rigidität aus ihrer Familie sei nicht mehr da. „Es gibt viele Möglichkeiten. Die Regeln waren nicht real … Illusion von Kontrolle.“

Sie beschreibt die Erfahrungen der KAP-Sitzungen mit dem kreativen Prozess: „Sich hinzugeben zu etwas, das größer ist als du selbst". Manche Momente in den Sitzungen mit Ketamin seien extrem überwältigend gewesen, aber bekannt. Sie habe an andere herausfordernde Situationen anknüpfen können wie z. B. die Geburt ihres Kindes. „You have to surrender.“

In der ersten Ketaminsitzung sei sie sehr nervös gewesen. Zu viele Farben und Formen, aber gleichzeitig gab es auch die Künstlerin in ihr, die fasziniert und neugierig war. Das half, dazubleiben und zu schauen, was passiert. Sie glaube auch, dass ihr geholfen habe, in einer sehr chaotischen Kultur (Südamerika) aufgewachsen zu sein, in der Chaos nicht als etwas Schlechtes angesehen werde. In der nichts so laufe, wie man das wünsche oder plane. Sie versuche, nicht zu planen, ein Tag nach dem anderen. „Weisheit kommt von anderswo her. Nicht aus mir. Ich höre nur zu.“ Sie sei immer überzeugte Atheistin gewesen. Nun habe sie die Erfahrung von Bewusstseinserweiterung gemacht. „There‘s a larger design.“

POLYVAGALTHEORIE UND SPIEL: ANGEWANDTE IMPROVISATION

Veränderungsprozesse mit Ketamin-gestützter Psychotherapie verlaufen nicht linear und erfordern vom Psychotherapeuten Improvisationsfähigkeit und Kreativität. In dem veränderten Bewusstseinszustand mit Ketamin ist der Prozess nicht voraussagbar und chaotisch. Es braucht Souveränität im Umgang mit Unsicherheit, sich als Therapeut auf den Moment einzulassen und von vorgefertigten Konzepten zu lösen. Mithoefer (2017) beschreibt im Behandlungsmanual für Psychedelika-assistierte Psychotherapie diese Haltung als „beginners mind“. Der Zustand von Nicht-Wissen ist ein kreativer, offener Zustand. Gleichzeitig kann der Therapeut souverän und vertrauensvoll mit allem, was auch immer sich zeigen mag umgehen. Diese Sicherheit im Therapeuten gibt dem Patienten Halt.

In veränderten Bewusstseinszuständen werden feste Denk- und Verhaltensmuster gelockert und neue, widersprechende Information kann zugelassen werden. Neues Verhalten und Denken wird möglich. Das finden wir in Hypnose, in Trance, in Ketamin-gestützter Psychotherapie und im Spiel. Mit Übungen aus dem Improvisationstheater werden der Umgang mit Unsicherheit, Spontaneität, Imagination sowie Kreativität, und damit Veränderungskompetenz trainiert. Diese Übungen lassen sich sowohl in der Weiterbildung in Ketamin-gestützter Psychotherapie für Psychotherapeuten als auch in der Ketamin-gestützten Psychotherapie mit Patientengruppen nutzen.

Winnicott (1985) betont die Wichtigkeit von Spiel, Fantasie und Kreativität: Ein stabiles Selbstwertgefühl und eine sichere Identität als Antwort auf die Frage „Wer bin ich?“ kann sich nur im Spiel entfalten.

Bessel van der Kolk (2016) betont die Wichtigkeit körperorientierter Methoden aus dem Theaterbereich: Von wesentlicher Bedeutung ist die Entwicklung von Imagination, um aus alten Mustern auszusteigen, etwas Neues zu erfahren und überhaupt in der Fantasie neue, andere Möglichkeiten von sich und der Welt zu entwickeln (van der Kolk, 2016). Fantasie erlaubt uns, aus unserem Körper herauszugehen und an andere Orte zu reisen, andere Dinge zu tun, sich ein anderes Leben vorzustellen, in die Zukunft zu projizieren. Gedankenspiele und Imagination öffnen den Raum für das, was sein könnte, und helfen dabei, nicht stehen zu bleiben bei dem, was ist.

Nach traumatischen Erfahrungen bleiben Menschen manchmal wie in der Vergangenheit „stecken“ und sind nicht in der Lage, präsent und aktiv in der Gegenwart zu sein. Sie haben Schwierigkeiten, gewohnte Denk- und Verhaltensmuster zu verlassen, neue Erfahrungen zu machen und auch, von neuen Erfahrungen zu lernen. Der Kern von Traumata sind Übermächtigung und Kontrollverlust mit der Folge, sich ohnmächtig, hilflos, abgetrennt und isoliert zu fühlen. Um so wichtiger sind Behandlungsansätze, die Selbststärkung, Selbstwirksamkeit und Verbundenheit fördern. Sich komplett lebendig zu fühlen im Hier und Jetzt. Miteinander spielen, Musik machen, tanzen und singen sind gekennzeichnet durch synchrone und reziproke Bewegungen sowie einem gemeinsamen Rhythmus und stellt die Basis für Verbundenheit und Co-Regulation dar.

Beim Zusammenspielen wird nach Porges (2017) die Voraussetzung für einen physiologischen Zustand geschaffen, der Sicherheit und damit Verbundenheit, Neugier und Veränderung ermöglicht. Im Spiel kann man sich sicher fühlen und öffnen, ohne verletzt zu werden, was als sehr befreiend erlebt wird. Folgen traumatischer Erfahrungen sind Übererregung (Hyperarousal), die sich in Form von Angst und Unruhe äußern oder in dem Versuch, sich empfindungslos zu machen (Hypoarousal). Porges (2017) erklärt, wie es im Spiel zu einer Mobilisierung kommt, ohne dass Kampf- oder Fluchtverhalten ausgelöst wird. Spiel ermöglicht, sich darin zu üben, in Beziehungen die Wahrnehmung von Sicherheit und Gefahr zu unterscheiden. Im Spiel entsteht Spannung, ein Anstieg von Energie und Risiko bei gleichzeitigem Wahrnehmen von Verbundenheit.

Wenn man sich nicht sicher fühlt, befindet man sich permanent im Verteidigungsmodus. Durch den sicheren Kontext der Interaktion im Spiel wird die Bindungssicherheit aktiviert und dadurch das Verteidigungssystem gehemmt. Damit ist die Voraussetzung gegeben, sich auf andere Menschen einzulassen.

Mit Übungen und Spielen aus Improvisations- oder Bewegungstheater und Schauspiel wird die Beziehung zu sich selbst, zwischen den inneren Anteilen sowie zu anderen verbessert. In andere Rollen zu schlüpfen sowie Rollen zu wechseln, aus sich herauszutreten und die Kontrolle aufzugeben, weil man weiß, man kann sich auf den anderen verlassen. Beziehung ermöglicht erst Freiheit. Die Spiele aus dem Improvisationstheater sind nie gegeneinander, sondern immer miteinander. Aktiv zu sein, etwas zu verändern und zu bewirken, führt zu mehr Selbstwirksamkeit, Selbstregulation, Glaube an die eigene Kraft und Stärke. Mithilfe der Übungen, mit denen Schauspieler trainieren, werden Flexibilität, Improvisation und Kreativität trainiert. Spiel hat tiefe Wirkung ohne Schwere. Man kann sich wieder leicht, sicher und frei fühlen. Es wird trainiert und damit gespielt, Veränderung zuzulassen.

ZUSAMMENFASSUNG

In dem Zeitfenster erhöhter Neuroplastizität, das durch Ketamin entsteht, sind mit unterstützenden, positiven Kontextbedingungen positive Veränderungen und Heilung möglich. Dieses Zeitfenster muss für Psychotherapie und konkrete Veränderungen genutzt werden, um langfristige Wirkung zu erzielen.

Jeder Patient ist anders und braucht etwas anderes. Es ist nie vorhersehbar, was in dem Prozess, in dem Zustand von verändertem Bewusstsein, passiert. Der Therapeut ist präsent, offen, aufmerksam, zugewandt und lässt sich auf das ein, was kommt.

Das Konzept der inneren Heilungsweisheit, eingeführt von Stan Grof, das den sich selbst entfaltenden Prozess leitet, als allen Lebewesen innewohnende Kraft, wenn die entsprechenden Bedingungen gegeben sind, sich selbst zu heilen und danach zu Streben, das eigene Potential zu entfalten. Rogers (2016) beschreibt das als Selbstaktualisierungstendenz: Das Streben nach Selbstaktualisierung ist das grundlegende menschliche Bedürfnis, sich auszuweiten, auszudehnen, zu entwickeln, autonom zu werden, zu reifen.

Verletzungen geschehen meist innerhalb Beziehungen. Die Betroffenen beschreiben Isolation und Entfremdung, sie sind „aus der Welt gefallen“. Behandlung und Heilungsprozesse brauchen Beziehung, um sich wieder mit sich selbst und der Welt verbunden zu fühlen. Patienten müssen sich sicher, verstanden, gesehen und unterstützt fühlen. Es braucht Resonanz, um in Beziehung wachsen zu können. Vonseiten des Therapeuten erfordert es, zu berühren und sich berühren zu lassen, sich verändern zu lassen.

„Das Zusammentreffen von zwei Persönlichkeiten ist wie die Mischung zweier verschiedener chemischer Körper: Tritt eine Verbindung überhaupt ein, so sind beide gewandelt.“ (Jung, 2001, S. 26)

LITERATUR

1 Meine Arbeitsweise beruht u. a. auf meiner Weiterbildung bei Phil Wolfson (Ketamine Training Center) und Gita Vaid, Veronika Gold (Polarisinsight) sowie Dr. Bob Grant und Jessica Katzman (HealingRealms Center).

2 Die Psychotherapie mit der Patientin fand in englischer und spanischer Sprache statt. Übersetzung der Aussagen der Patientin durch die Autorin.