KAH – Ketamin-assistierte Hypnotherapie

Sophie-Charlotte Alice Adler

EINLEITUNG

In den letzten zwei Jahrzehnten wird Ketamin in zunehmendem Maße in subanästhetischen Dosen als Off-Label-Behandlung bei verschiedenen chronischen behandlungsresistenten psychischen Erkrankungen wie Depression, Alkoholismus, Substanzabhängigkeit, posttraumatische Belastungsstörungen, Zwangsstörungen und andere psychiatrische Diagnosen angewendet (Das et al., 2019; Ivan Ezquerra-Romano et al., 2018; Krupitsky et al., 2002; Memon et al., 2020; Moghaddam, 2021; Taylor et al., 2018). Auch in der Schmerzmedizin wird es zur Behandlung chronischer Schmerzen vielversprechend eingesetzt (Jansen, 2001; Sinner & Graf, 2008).

In diesem Artikel wird die innovative Therapiemethode KAH (Ketaminassistierte Hypnotherapie) überblickartig dargestellt.

Zwischen dem dissoziativen Zustand bei Verabreichung von Ketamin und der „hypnotischen Trance“ fallen viele Parallelen auf, deren hypnotherapeutisches Potential hier aufgezeigt werden soll.

Angestrebt wird ein tieferes Verständnis für das Potential der Hypnosetherapie in Kombination mit einer Ketamintherapie, um weitere neue Perspektiven für die Behandlung schwerer, chronischer Krankheitsbilder in Psychiatrie und Psychotherapie zu erschließen. Die Praxisbeispiele stammen aus mehrjähriger klinischer Erfahrung mit psychiatrisch divers diagnostizierten Klient:innen/Patient:innen. Dargestellt wird deren bemerkenswerte Veränderung in Denken, Fühlen und Handeln durch die Behandlung mit KAH. Dieser spezielle Therapieprozess erfordert Kenntnisse aus Bereichen der Medizin, Psychiatrie, Pharmakologie und Psychologie.

KETAMIN – WIRKUNGEN UND NEBENWIRKUNGEN

Ketamin ist ein dissoziatives Anästhetikum, welches in der Human- und Veterinärmedizin eingesetzt wird, wobei man zwischen dem sogenannten „R-Ketamin“ und dem „S-Ketamin“ sowie der Mixtur dieser beiden Molekülvarianten, dem Ketamin Racemat (R/S) unterscheiden muss (Passie et al., 2021). Bei KAH verwenden wir das Ketamin Racemat, welches als Infusion über einen Zeitraum von 40 bis 50 Minuten verabreicht wird.

Je nach Dosierung und Anzahl der Sitzungen variieren Ketamin-Erlebnisse deutlich und jede Klient:in/Patient:in reagiert individuell unterschiedlich auf die Substanz. Deshalb sollte stets auch nach Erfahrungen mit Narkosen oder Unfällen gefragt werden, bei denen eventuell bereits ein Kontakt mit der Ketaminwirkung stattgefunden haben könnte (Park et al., 2019).

Ketamin erzeugt eine Veränderung des psychischen Erlebens, des Körperempfindens und des Bewusstseins. Die Wirkung kann unterschwellig sein und mild, als Anregung, Entspannung oder angenehme Stimmungsänderung erlebt werden. Das Bewusstsein der Klient:in/Patient:in kann sich erweitern oder das Erleben sich auf andere Weise positiv verändern. Ketamin beeinflusst die Sensorik, die Empfindlichkeit gegenüber Geräuschen und Licht nimmt zu. Des Weiteren wirkt sich Ketamin verändernd auf Motorik und Sprache aus (McGirr et al., 2015).

Unerwünschte Nebenwirkungen, abhängig von der Dosis, sind Anspannung oder Angstzustände. Ebenso kann es zu Krampfanfällen, Ängsten, Panik, Gedächtnis- oder Bewusstseinsstörungen kommen (Park et al., 2019).

Im Detail kann eine angstvolle Ich-Auflösung (AIA), also auch die Angst, verrückt zu werden, erlebt werden. Die Veränderung des Denkens und der Wahrnehmung sowie das Verschwinden von Zeit und Raum entziehen sich gänzlich gewohnter Kontrolle und Autonomie. Paranoia und Denkstörungen können bei dem Erleben des Verlusts von Kontrolle über das Geschehen auftreten. Dies erfordert u. U. eine anschließende psychotherapeutische Behandlung (Adler & Scheib, 2020).

Aktuell ist ein Anstieg von Ketamin-Kliniken weltweit zu beobachten. Oftmals findet bei den klassischen Ketamininfusionen keine weitere therapeutische oder psychologische Begleitung während des bewusstseinsveränderten Zustands der Klient:innen/Patient:innen oder in einer Nachbearbeitung statt (Bennett, 2020).

Hierbei besteht, neben den beschriebenen Nebenwirkungen, die Gefahr, dass der oder die Klient:in/Patient:in sich negativen Erlebnissen und Emotionen oder überwältigenden starken Gefühlen, Erwartungen und Ängsten hilflos ausgeliefert fühlt und dabei alleingelassen wird (Bennett, 2020). Das folgende Zitat von einem 50-jährigen Schweden mit schweren Depressionen beschreibt den Unterschied zwischen einer ersten Ketamininfusion, durch die er selbst ging, und einer zweiten, mit Hypnose begleiteten Ketamininfusion:

“The first Ketamine session without guidance was dark. I lost control and been confronted with shadows. The second session with your guidance was light. Super relaxed. I was floating and zoomed out in the middle. Time went so fast. I knew what was coming and could flow with the process. Letting go was way easier. After the second session I feel in a very relaxed state and feel better!”

Die Erfahrungen mit den klassischen Ketamininfusionen ohne therapeutische Begleitung haben dazu geführt, die „Ketamin-assistierte Hypnotherapie“ zu entwickeln.

DIE KOMBINATION VON HYPNOSE UND KETAMIN: KAH (KETAMIN-ASSISTIERTE HYPNOTHERAPIE)

Diese Methode stellt eine spezifische Kombination aus Hypnose- und Ketamintherapie dar. Sie wurde 2018 aufbauend auf der Recherche zu dem Buch über Psilocybin-assistierte Psychotherapie (Adler, 2020) in der psychosomatischen Klinik „Instituto Dr. Scheib“ auf Mallorca als sogenanntes „Ketamin Hypnose Paket“ (KHP) entwickelt, zur KAH weiterentwickelt und wird seitdem vielversprechend eingesetzt (Adler & Scheib, 2020).

KAH schafft eine therapeutische Erfahrung rund um die ca. 40-minütige Ketamininfusion. Dabei basiert jede KAH-Sitzung nach entsprechender Vorbereitung (s. Vorbereitung KAH) auf folgenden Pfeilern:

Wir empfehlen mindestens sechs Wiederholungen der individualisierten KAH-Sitzungen (aan het Rot et al., 2010; Feder et al., 2021; Phillips et al., 2020; Zhou et al., 2022). Bei der Planung und Gestaltung der Behandlung orientieren wir uns stets an den Bedürfnissen der Patient:innen/Klient:innen. KAH kann als Intensiv-Behandlung über einen Zeitraum von zwei bis drei Wochen oder als alltagsbegleitende Unterstützung stattfinden.

Sie sollte als hilfreicher Katalysator bei einer laufenden Psychotherapie verstanden werden und kann, gerade bei langjährigen Depressionen, ein Zeitfenster für wertvolle therapeutische Interventionen öffnen.

Hilfreich ergänzt der durch Hypnose evozierte Trancezustand den dissoziativen Ketaminzustand. Im veränderten Bewusstseinszustand, frei von üblichen Denkstrukturen, Überzeugungen und Emotionen, bereichert durch völlig neue Erfahrungen, Möglichkeiten und Erlaubnisse, können festgefahrene Lebensmuster leichter wahrgenommen, erkannt und verändert werden.

Gemeinsame Schnittmengen

In den 1960er- und 1970er-Jahren wurden einige wenige Studien veröffentlicht, die sich mit phänomenologischen Gemeinsamkeiten von hypnotischer Trance und durch psychoaktive Substanzen wie LSD, Meskalin oder Psilocybin evozierten veränderten Bewusstseinszuständen beschäftigen (Barber, 1970; Grünholz, 1971; Gubel, 1962; Halpern, 1961; Krippner, 1964; Levine et al., 1963; Levine & Ludwig, 1965, 1966).

Die positiven Auswirkungen der KAH sind wechselseitig und es gibt viele hilfreiche gemeinsame Schnittmengen beider Therapien, die im Folgenden aufgezeigt werden.

Sowohl „Hypnotherapie“ als auch „substanz-assistierte Therapie“ nutzen „veränderte Bewusstseinszustände“ um einen Wandel im psychischen Erleben der Klient:innen/Patient:innen herbeizuführen. Dabei evoziert Hypnose ein Trance-Erleben mit Hilfe verbaler Suggestionen. Angestrebt wird eine Dissoziation vom kognitiven Erleben, adressiert wird das „Unbewusste“ und das „Unterbewusstsein“, wobei die Sprache symbolisch und bildhaft ist. Genutzt werden weiterhin u. a. Metaphern, Symbole und hilfreiche Geschichten, um seelisches Erleben, Wahrnehmung, Kognitionen und begleitende Affekte zu verändern (Revenstorf & Peter, 2015).

Auch Ketamin bietet durch seine dissoziative und transformative Qualität ein hohes Potential für solche Veränderungen. Es ermöglicht in kurzer Zeit einen Zugang zu inneren Bildern, die, hilfreich verarbeitet, in das weitere Leben getragen werden können. Die Entstehung und Integration innerer und äußerer Bilderwelten wird erleichtert durch die aufgrund des Ketamins erhöhte Neuroplastizität (Wolfson, 2014). Diese kann auch die Wirkkraft posthypnotischer Aufträge und Suggestionen verstärken.

Bei beiden Zuständen ist das Körpererleben im Allgemeinen deutlich verändert. Während der Ketamin-Infusion verändern sich Sinneswahrnehmungen und Körpererleben. So werden Geräusche und Gerüche viel intensiver und/oder andersartig wahrgenommen, z. B. lauter, verzerrter, intensiver oder weiter weg. Viele Klient:innen/Patient:innen fühlen sich zum Beispiel körperlich ganz leicht, schweben, fliegen (Ketamin) oder erleben ein Gefühl von angenehmer Schwere (Hypnose).

Das Narkosemittel Ketamin wird gerade in der Behandlung von Schmerzen in Kombination mit Benzodiazepinen sehr erfolgreich und sicher eingesetzt. Dabei dienen die Benzodiazepine zur Reduktion der sonst auftretenden Ängste. So wird auch Hypnose sehr häufig zur Erzeugung einer Lokalanästhesie oder Analgesie angewandt und wurde schon in mehr als 1800 chirurgischen Eingriffen eingesetzt. Gerade aus der Medizin ist bekannt, dass Hypnose Ängste der Klient:innen/Patient:innen lindert, Blutungen verringert, Schmerzen reduziert und postoperative Heilungsvorgänge beschleunigt (Stewart, 2015).

Wiederum kann hirnphysiologisch durch eine Art Fragmentierung oder Zerstückelung der bisherigen Denkmuster und Denkansätze eine Neuordnung des alten Bezugsrahmens und aller damit zusammenhängenden Gefühle und Bewertungen durch begleitende Hypnose und Psychotherapie erreicht werden. Aktuelle Forschungen zeigen die Herabsenkung der Aktivität des sogenannten „Default Mode Networks“ (DMN) während der hypnotischen Trance wie auch des substanzinduzierten veränderten Bewusstseinszustands. Dabei zeigen sich bei der Untersuchung verschiedener Hirnareale nochmal Unterschiede in der Ausprägung der veränderten Netzwerkaktivität (Carhart-Harris et al., 2013; Deeley et al., 2012; Revenstorf, 2012).

Ketamin scheint, wie andere psychoaktive Substanzen auch, die Suggestibilität zu erhöhen (Patterson et al., 2018, siehe auch den Beitrag von Jensen in diesem Band), eröffnet damit auch den Zugang und den Kontakt zum Unbewussten. Man kann Ketamin, genauso wie Psilocybin, LSD oder MDMA, als Katalysator für das Auftauchen unbewussten Materials bezeichnen und einsetzen (Adler, 2020). Dies gilt auch für die Hypnosetherapie. Hier eröffnen sich weitere Anwendungsfelder, wenn man die Theorien von Psychoanalytikern wie z. B. C. G. Jung miteinbeziehen würde, was jedoch in diesem Kapitel nicht weiter ausgeführt werden kann.

Des Weiteren zeigen Beobachtungen aus der Praxis, dass die Kombination niedriger Ketamin-Dosen mit Hypnosetherapie anscheinend zu einer transformativen Erfahrung, dem sogenannten mystischen Alleinheitsgefühl, führen kann, wie dies sonst nur bei höheren Dosierungen (ab 1.0 mg/ KG) beschrieben wird. Ein 38-jähriger Mann mit schweren Depressionen, PTBS und ADHS nach seiner vierten KAH-Sitzung: „I am Love. I am pure Love. All is one. Pure light … during the session I was able to release something! I came back to the source and one with everything. I found my truth and I am full of gratitude.”

Als weiterer Vorteil hat sich in der Arbeit mit Zwangspatient:innen gezeigt, dass diese mittels Ketamin besser zu hypnotisieren waren als ohne Ketamin. Beispiel hierfür ist ein 56-jähriger Mann mit der Zwangshandlung, hunderte Mal am Tag nach seiner verstorbenen Mutter zu rufen. Er hat über 10 Jahre Psychotherapie-Erfahrung und hält sich nicht für hypnotisierbar, da er keine inneren Bilder habe und nicht loslassen könne. Nach der zweiten Sitzung berichtet er, dass er weniger nach ihr rufe: „Die Schwelle, wo ich in die Zwangshandlung reinkomme, ist höher geworden und ich kann ohne Angst ins Bett gehen.”

Es scheint, dass Ketamin die Symbolisierungsfähigkeit steigern kann, womit neue Möglichkeiten für schwer zu hypnotisierende Klienten zu eröffnen wären. Für vorher Unaussprechliches und nicht Einzuordnendes können plötzlich Bilder auftauchen.

Ein 42-jähriger Mann mit schweren Zwangsgedanken und akuten suizidalen Impulsen wurde intensiv mit KAH behandelt. Auf diesen Reisen traf der „einsame kleine Junge“ zuerst einen Tiger, den er als schutzgebendes Krafttier erlebte. Im unwegsamen Dschungel fand er ein Zaubermedaillon und ein magisches Schwert. Sein Glaubenssatz: „Ich bin verloren, mir kann nichts und niemand helfen“ trat in den Hintergrund. Von Sitzung zu Sitzung nahmen Mut und Zuversicht sowie Selbstsicherheit zu. Dies wurde in den Integrationssitzungen verstanden und vertieft.

In den Jahren der Anwendung konnte beobachtet werden, dass die Klient:innen/Patient:innen, welche Ketamin mit Hypnose erhalten haben, einen niedrigeren Blutdruck nach der Infusion hatten als vor Beginn der Infusion. Das ist bemerkenswert, da Ketamin den Blutdruck normalerweise erhöht. Dieses Phänomen wurde auch bei dem oben beschriebenen Patienten beobachtet.

Viele Klient:innen/Patient:innen erleben während der Ketamintherapie bildhafte Reisen, in denen Sie Farben, Formen oder ganze Szenen visualisieren. Ein depressiver Patient, der meinte, er sehe nie Bilder mit geschlossenen Augen oder träume nicht, erlebte während der KAH bildhafte Reisen voller Farben und Formen, wie er sie noch nie gesehen hatte. Als Architekt inspirierte ihn diese Erfahrung zutiefst und er begann zu malen. Um diese inneren Reisen sicher zu navigieren, bietet gerade die Hypnose einen Schatz an therapeutischen Werkzeugen.

Hypnose nutzt Atemtechniken zur Regulierung der Atmung für eine Vertiefung der Trance. Zu meinen Klient:innen/Patient:innen sage ich oft: „Ihre Atmung ist ihr Anker und führt Sie sicher durch ihre ganz individuelle Reise“. Gerade in herausfordernden Situationen ist die Atmung ein wichtiges Element zur Regulierung der Intensität der Erfahrung. Die Atmung könnte man wie einen Rettungsring betrachten ”wenn das Wasser wild wird und die Wellen höher und höher werden”.

Das spezifische Potential der KAH

Ketamin selbst zeigt vielversprechende therapeutische Vorteile, kann aber bei alleiniger Verabreichung für viele Klient:innen/Patient:innen eine zu große Herausforderung darstellen.

Die Vorteile der KAH im Vergleich zur alleinigen klassischen Ketamininfusion liegen in den geführten Erfahrungen, die die therapeutische Wirkung der Behandlung verstärken und vertiefen. Bei spezifischen Problemen, die in den Vorbereitungssitzungen ermittelt und festgelegt wurden, können Klient:innen/Patient:innen so gezielt begleitet und unterstützt werden.

Das durch Ketamin ausgelöste und durch Hypnose gesteuerte Erleben wird ganz anders verarbeitet als eine kognitive Bearbeitung. Dies wird begleitet von signifikanten Stoffwechsel- und Hirnstoffwechselveränderungen durch eine Fluktuation zwischen bewussten Schwerpunkten, die vorher besprochen wurden und unbewussten Erfahrungen. Es handelt sich also um emotionsfokussierte und erfahrungsaktivierende Wirkfaktoren. Rigide Netzwerke mit eingefahrenen Mustern können aufgelockert und verändert werden. Das Gehirn ist in dieser Situation sehr empfänglich für neue Botschaften. So können auch hypnotische Suggestionen eine besondere Wirkung entfalten und das Unbewusste kann die gewünschte Veränderung einleiten.

Es hat sich gezeigt, dass dieser Ansatz bisher verschlossene Bereiche der Psychotherapie eröffnen und die Genesung enorm beschleunigen kann.

Behandlungskonzeptuelle Faktoren der KAH

KAH wurde bisher bei den folgenden Störungsbildern erfolgreich angewandt: Depressionen, Suizidgedanken, Ängste, Zwänge, Trauma, PTBS, Essstörungen, Sucht und Schmerzen (Adler & Scheib, 2020). Es gelten dieselben Ein- und Ausschlusskriterien wie bei einer klassischen Ketamintherapie.

Vorbereitung einer KAH-Sitzung

Zunächst findet eine medizinische und psychiatrische Untersuchung statt, um die Indikation oder Kontraindikation festzustellen. Weiterhin ist eine Anamneseerhebung zur Vorgeschichte unentbehrlich. Erfüllt die Klient:in/Patient:in die Voraussetzungen für eine sogenannte „off-label“ Ketamintherapie, kann die eigentliche Behandlung beginnen.

Ein klarer Rahmen sowie eine umfassende Aufklärung stellen sicher, dass beide Seiten über die innere Ausrichtung, die Erwartungen, Ziele, Wünsche, Ängste, Sorgen, Ressourcen, das Setting und die medizinischen, physischen und psychischen Bedingungen informiert sind.

Jede KAH-Behandlung beginnt für die Klient:in/Patient:in mit einer

  • psychologischen Anamnese,
  • Bestimmung der Eignung,
  • Diagnostik, sowie einer
  • psychiatrisch-medizinischen Untersuchung
  • Psychoedukation
  • Aufklärung über Hypnose und Ketamin

Die Arbeit mit psychoaktiven Substanzen erfordert, die Klient:in/Patient:in auf diese bewusstseinsverändernde Erfahrung vorzubereiten, die eine der bedeutsamsten Erfahrungen ihres Lebens sein könnte. Viele Klient:innen/Patient:innen verspüren Ängste und Unsicherheit vor ihrer „Ketaminreise“. Schon hier wird Hypnose ausgesprochen hilfreich eingesetzt, indem sie einen tiefen Entspannungszustand anregt. „Dein Unterbewusstsein ist voller Weisheit, wenn du es einfach geschehen lässt“. Das kritisch-rationale Denken tritt in den Hintergrund, während die bildhafte Informationsverarbeitung einsetzt und Ideen auf allen Sinneskanälen aktiviert werden. Die Aufmerksamkeit konzentriert sich auf das innere Erleben, während die Wahrnehmung der Außenwelt in den Hintergrund tritt. Ängste lassen nach oder verschwinden und ein Gefühl der Sicherheit und des Vertrauens kann wachsen. Ruhe und Sicherheit sind optimale Vorbedingungen für die bevorstehende Ketaminreise.

Wichtig ist die Explorierung der Klient:in/Patient:in hinsichtlich Erfahrungen mit veränderten Bewusstseinszuständen, Dissoziationen oder Drogenerfahrungen.

Desweiteren sollten die Erwartungen der Klient:in/Patient:in eventuell dahingehend realistisch korrigiert werden, dass deutlich wird, dass diese Behandlung kein Wundermittel ist. Es gilt zu bedenken, dass für viele Klient:innen/Patient:innen eine Ketaminbehandlung ihre letzte Hoffnung nach vielen fehlgeschlagenen Therapieversuchen darstellt.

Oftmals haben die Klient:innen/Patient:innen große Angst vor Kontrollverlust und dem Loslassen, wie das folgende Zitat von einer Patientin verdeutlicht, die zuerst hypnotisiert wurde und erst in Trance das Ketamin erhielt: „Everything was white light. I was in another dimension, in the Matrix, like in the movies. With you I had the feeling that I am absolutely safe there and don’t need to worry. I was able to just watch what happened. I feel much better than before, I am relaxed”. Ihre BDI-II Werte reduzierten sich von 44 auf 29. Natürlich haben dabei eine vertrauensvolle Beziehung und das Gefühl der Sicherheit großen Einfluss auf das Ketaminerlebnis selbst. Einzelne Hypnosesitzungen können dabei helfen, die Klient:innen/Patient:innen auf einen veränderten Bewusstseinszustand vorzubereiten und vorherrschende Ängste zu reduzieren. Eine ängstliche Patientin z. B. hatte große Sorge vor der Ketamininfusion, weshalb mit ihr zuerst eine einzelne Hypnose durchgeführt wurde. Die folgende Aussage veranschaulicht den Effekt der Hypnose, um Klient:innen/Patient:innen, die sich vor Kontrollverlust fürchten, beim Loslassen zu helfen: „Seit langer Zeit habe ich mich nicht mehr so wohl gefühlt wie heute! Mir geht‘s gut! Ich bin sehr gut in die Entspannung gekommen. Losgelöst von meinem Körper. Losgelöst sein fühlt sich gut an. Ich empfand nichts Unangenehmes!“

Die Behandlungsergebnisse sollten stets systematisch als Verlaufskontrolle verfolgt werden.

Set und Setting bei KAH

Das sogenannte „Set“, abgeleitet von „Mindset“, beschreibt die mentale Verfassung der Klient:in/Patient:in und gilt bei der gesamten Vorbereitung als wichtiger Faktor. Vor jeder KAH-Sitzung sollte genügend Zeit zur Evaluation der tagesaktuellen mentalen Verfassung der Klient:in/Patient:in eingeplant werden.

Welche Vorstellungen, Intentionen, Erwartungen und Stimmungen bringt die Klient:in/Patient:in mit? Welche Angst oder Stimmung ist aktuell vorherrschend? Wie hat sich die Klient:in/Patient:in auf die Behandlung vorbereitet und in welches Umfeld kehrt er oder sie nach der Behandlung zurück? Wie ist die körperliche Verfassung? Es gilt zu beurteilen, ob die Klient:in/Patient:in zu labil oder psychisch stabil genug ist für eine bewusstseinsverändernde Erfahrung. Manche Klient:innen/Patient:innen haben schon Erfahrungen mit aktiv induzierten, bewusstseinsveränderten Zuständen, für andere ist es eine gänzlich neue Erfahrung. Hinzu kommt, dass die Klient:in/Patient:in stets nach der KAH-Behandlung abgeholt werden muss, was sich auch auf den Nachklang der Ketaminreise auswirkt. Von großem Vorteil sind ein sicheres Umfeld und Unterstützung durch Bezugspersonen.

Da man unter Ketamin geräusch- und lichtempfindlicher wird, empfiehlt sich das Tragen einer Augenmaske. Für einige Klient:innen/Patient:innen ist es aber auch wichtig, selbst entscheiden zu können, ob sie ihre Augen offen oder geschlossen halten. Die Beleuchtung so wie die Gestaltung des Raumes haben einen deutlichen Einfluss auf das Ketaminerlebnis und sollten stets berücksichtigt werden. Ein Klient entdeckte während der Ketaminreise Schatten an der Wand und „spielte” damit. In der Integrationssitzung stellte sich heraus, dass er als Kind vernachlässigt wurde und Schattenspiele machte, um sich zu beschäftigen, da er sonst keinerlei Spielsachen hatte. Dies ist nur ein Beispiel dafür, wie der Raum als weitere Ebene Einfluss auf den Therapieprozess bekommen kann.

Außengeräusche werden unter Ketamin wesentlich intensiver erlebt und können zu großen Irritationen führen. Gerade dabei hilft die Hypnose mit passenden Suggestionen, die Geräusche zur Vertiefung der Entspannung zu nutzen, statt sie als störend zu empfinden.

Hypnotherapeutische Begleitung während der KAH-Sitzung

Ziel der Begleitung ist Hilfe bei der Navigation des bewusstseinsveränderten Zustands. Das plötzliche Auftauchen von Erinnerungen, möglicherweise auch alter Traumata, die Wiederbelebung alter Muster und Überzeugungen wird begleitet von verändertem Denken mit eventuellem Gedankenabriss oder schnellem Vergessen. Auch Halluzinationen können auftreten, begleitet von intensiven Gefühlen aller Art. Diese können einhergehen mit Lachen, Weinen, Schweigen, auch intensiver Scham oder Ängsten sowie Traurigkeit. Eine erschwerte Artikulation sowie ein verändertes Körpererleben sind häufig. Sehr berührend oder erschütternd kann auch das Erleben tiefer Einsichten sein.

Um die Begleitung zu gestalten, bietet der Ablauf einer Hypnosesitzung Orientierung. Im Allgemeinen sind sowohl direkte wie indirekte Hypnosetechniken geeignet. Zuerst wird ein Rapport aufgebaut: Der Klient:in/Patient:in wird Zeit zum Ankommen gegeben, Ängste können abgebaut und positive Erwartungen aufgebaut werden. Mit Pacing und Leading auf verbaler und nonverbaler Ebene können die Atmung der Klient:in/Patient:in gesteuert und körperliche Phänomene für die Förderung von Entspannung und Sicherheit sowie die Konzentration auf die Erfahrung genutzt werden. Hierbei wird generell nicht nach einem festen Schema vorgegangen, sondern prozessorientiert am Erleben der Klient:in/Patient:in. Dies kann während einer Ketaminreise sehr stark variieren und fordert Flexibilität seitens der Therapeut:in. Zuvor herausgearbeitete Ressourcen können während der KAH-Sitzung Unterstützung bieten bei Konfrontationen mit herausfordernden Erfahrungen. Auch können neue Ressourcen zutage treten, vertieft und hypnotisch geankert werden. Ericksonsche Hypnosetechniken sowie das Erzählen von Geschichten oder Metaphern, das Einführen von Symbolen und das Aufgreifen eigener Worte der Patient:in/Klient:in sind für die Gestaltung dieses einzigartigen Prozesses sehr gut geeignet. Wie auch bei der formalen Ericksonschen Hypnotherapie, sollte also der Fokus besonders auf der Utilisierung liegen, dem Maßschneidern der Bilderwelten, Metaphern und Symbole auf den Patienten oder die Patientin. Vielen Klient:innen/Patient:innen fällt das Sprechen unter Ketamin oder Hypnose anfangs schwer. Dennoch ist eine dialogische Hypnotherapie möglich, wodurch die erlebte Bilderwelt des Patienten/der Patientin gemeinsam erkundet und zielorientiert gestaltet werden kann. Das folgende Praxis-Beispiel verdeutlicht eine solche dialogische Sitzung:

Eine Patientin, Ärztin mit drei Kindern, erlebte eine schlimme Trennung von ihrem Ehemann und hatte Angst, dass sie ihre Kinder verlieren würde, wobei sie eine schwere Depression entwickelte. Sie hatte sehr große Angst vor Kontrollverlust und Angst vor Panik sowie einem Horrortrip unter Ketamin. Dementsprechend aufgeregt war sie vor ihrer ersten KAH-Sitzung, und es fiel ihr sehr schwer zu atmen. Ich bot ihr eine Zugfahrt an, wobei der stetige Rhythmus des Zuges auf den Gleisen als Orientierung für eine ruhige tiefe Atmung diente. Während sie im Zug saß, fragte ich sie, was sie sehe, wenn sie aus dem Fenster schaue, und sie beschrieb einen wunderschönen Birkenwald, der immer lichter wurde. Sie befand sich in der sibirischen Eisenbahn und erinnerte sich plötzlich an ihre Reise in die Mongolei, die sie mit 21 nach ihrem Abitur unternommen hatte. Sie erlebte wieder die gesamte abenteuerliche Reise und fühlte sich so wie damals, als sie eine starke, junge, unabhängige und abenteuerlustige Frau war. In der Integrationssitzung reflektierten wir gemeinsam ihre Erfahrung und sie sagte:

„Das war eine richtig gute Erfahrung. Ich konnte ja doch gut loslassen. Es war gut, dass ich frühzeitig auf die Reiseerinnerung gekommen bin, weil mir die gut tat. Durch das Altaigebirge und dann nur die zwei Klöster, die übrig geblieben sind in der Mongolei und damit die kulturelle Identität, das wenige, was übrig geblieben ist nach der Zerstörung – so wie bei mir nach der Trennung jetzt. Die Gebetsmühlen waren so beruhigend und beständig. In meiner Beziehung zum Mann habe ich mich so aufgelöst, wer bin ich denn überhaupt. Jetzt habe ich erkannt, dass ich wertvoll bin, da ist noch was da, etwas was ich Eigenes habe. Meine eigenen Erlebnisse. Ich werde mal mein Reisetagebuch herausholen. Wenn man was will, dann findet man auch einen Weg. Ich möchte wieder mehr erleben. Vor dieser Behandlung hatte ich das Gefühl, ich stecke so fest, wie ein emotionales Knäuel, voller Trauer und Verleugnung.“

Als begleitende Therapeut:in gestaltet man also die Interaktion mit einem außergewöhnlichen Bewusstseinszustand. Die Klient:in/Patient:in befindet sich in einer gänzlich anderen Welt, während die Therapeut:in sie oder ihn sicher durch das neue und unbekannte Erleben führen sollte. Dementsprechend sollte die Therapeut:in stets für Schwankungen und extrem positive und / oder negative Emotionen im raschen Wechsel gewappnet sein. Diese Arbeit fordert totale Präsenz und Schwingungsfähigkeit seitens der Therapeut:innen, eine wertfreie Haltung, die nicht pathologisierend ist, fußend auf einer tragfähigen und authentischen Beziehung. Diese Arbeit ist eine prozessorientierte und kreative Arbeit, bei der jede Sitzung einzigartig ist. Immer leitet die Stimme der Therapeut:in unterstützend.

KAH-Reorientierung

Nachdem die Ketamininfusion beendet ist, befindet sich die Klient:in/Patient:in noch in einem veränderten Bewusstseinszustand, und das Körperempfinden ist noch für mindestens 15 Minuten verändert. Gerade das Zurückkommen in den Körper stellt einen wichtigen Teil der Erfahrung dar und kann durch eine Trance-Ausleitung angenehm gestaltet werden. „Achte darauf, wie gut und angenehm es ist den eigenen Körper wieder zu spüren. Diese durchströmende wohltuende Energie, Kraft und Stabilität. Wie gut es sich anfühlt, einen Körper zu haben, der stets mit dir und für dich da ist“. Die Rücknahme der Trance hilft bei der Erdung, Orientierung und der Rückkehr ins Hier und Jetzt. Posthypnotische Aufträge unterstützen die positive Weiterverarbeitung der Erfahrung.

KAH-Integration

Nach der Ketamininfusionssitzung folgt als wichtiger Teil der Therapie die Integration des Erlebten in Form einer 50-minütigen Therapiesitzung. Dies sollte innerhalb eines Zeitfensters von 24 Stunden erfolgen. Dieser Zeitrahmen nutzt die dann noch aufgelockerten neuronalen Strukturen, um aus dem Erlebten schöpfen zu können und den neuen Raum im weiteren Leben sinnvoll zu gestalten.

Elemente der Integration:

  1. Sich an das Erleben und die Erkenntnisse erinnern,
  2. sich eventueller Veränderungen bewusst werden,
  3. der Erfahrung einen Sinn geben als Teil von Heilung und Wachstum,
  4. eventuell Verknüpfung mit einer laufenden Psychotherapie.

Weitere Hypnose-Sitzungen können die Aufrechterhaltung der positiven Effekte auch in der Langzeitfolge begünstigen, um die gewonnen Erkenntnisse in den Alltag zu integrieren. Techniken aus der substanzgestützten Psychotherapie wie das sogenannte „Journaling“, Zeit in der Natur, Zeit für sich und Erholung, Meditation und gesunde Ernährung gelten auch für KAH.

Fallgeschichte

32-jährige Frau mit schweren Depressionen und Suizidgedanken. Selbstständig, verheiratet und Mutter von zwei Kindern. Sieben KAH-Sitzungen mit jeweils 0.5 mg / KG.

Seit circa 15 Jahren leidet die Patientin unter einer schweren Depression, und jeder neue Tag stellt für sie eine große Herausforderung dar. Des Weiteren leidet Sie unter den Nachfolgen eines Bandscheibenvorfalls und regelmäßiger Migräne. Die Patientin hat bereits eine langjährige Psychotherapie und mehrere Klinikaufenthalte hinter sich. In diesen Behandlungen habe sie viel an sich gearbeitet, wobei sich an ihrer Depression nichts geändert habe. Seit einiger Zeit probiere sie im Selbstversuch Microdosing Psilocybin aus, wodurch ihre Stimmung mehr schwanke. Es gebe einige gute sowie einige sehr schlechte Tage. Trotz ausreichendem Schlaf sei sie stets antriebslos.

Als Kind habe sie durch einen Pfleger sexualisierte Gewalt erlebt, woran sie sich erst 35 Jahre später erinnerte. Ihre Eltern kümmerten sich kaum um sie und in der Schule wurde sie gemobbt. Das Zeigen von eigenen Gefühlen und von Schwäche falle ihr sehr schwer, und sie habe das Gefühl, als würde sie sich vor sich selbst verstecken. Das tiefe Gefühl der Einsamkeit und Traurigkeit begleite sie seit Jahren, und sie fühle sich ihr Leben lang im Stich gelassen. Sie sei oft auf sich allein gestellt, was dazu führe, dass sie am liebsten alles allein tue. Sie habe den Wunsch, Kopf und Herz zu verbinden. Wenn sie von ihren Emotionen überflutet werde, reagiere sie aggressiv. In solchen Phasen komme es öfter dazu, dass sie sich von ihrem Ehemann trenne.

Alltagsbegleitend erhielt die Klientin über einen Zeitraum von zwei Monaten sechs KAH-Behandlungen mit zwischenzeitlich einzelnen Hypnosesitzungen. Trotz Unsicherheiten und Bedenken fühlte sich die Patientin nach der ersten KAH-Behandlung deutlich besser gelaunt, was auch ihre Familie bemerke. Sie erlebte sich als selbstwirksamer und gelassener. „Es war wirklich schon zum ersten Mal warm und angenehm. Ganz langsam. Keine Angst. Ruhe. Als ob die Glut nie ausgeht. Es ist sicher.“

Einige Tage nach der ersten KAH-Sitzung überkommt die Klientin Angst, dass der positive Effekt nicht lange anhalten könnte.

Wir beginnen die Sitzung mit einer Entspannungsinduktion. Angekommen in einem angstfreien und entspannten Zustand, frage ich sie, wo sie sich befinde. „In einer sehr trockenen und heißen Landschaft. Ähnlich wie im Yosemite Park in den Staaten. Die Erde ist rotbraun, und weit und breit gibt es keinen Menschen.“ Wir explorieren diese Landschaft und stellen fest, dass es hier nicht viel für sie gibt und sie sich gerne auf den Weg machen würde. Da taucht ein alter schwarzer Cadillac auf. Dieser gefällt ihr sehr gut, und ich schlage ihr vor, damit loszufahren. Doch leider springt er nicht an. Ich lade sie dazu ein, um das Auto herumzugehen und nachzuschauen, ob sie herausfinden kann, was an dem Auto defekt ist. Sie entdeckt viel Rost und veraltete Schläuche. Wir machen die Motorhaube auf und inspizieren den Motor. Dieser ist zwar alt, doch noch funktionstüchtig. Sie entdeckt, dass der Benzintank leer ist, so dass sie nicht losfahren kann. Daraufhin biete ich ihr einen Wolf an, der sie zur nächsten Tankstelle tragen kann. Sie begegnet dem schwarzen Wolf, mit dem sie sich langsam vertraut macht, und lässt sich von ihm zur nächsten Tankstelle tragen. Mit dem gefüllten Kanister kommen die beiden zurück zu ihrem Cadillac, und sie beginnt die Fahrt durch die einsame Landschaft. Der Wolf fährt sogar mit. Langsam wird es Abend, sie sieht, wie sich der Himmel in einen funkelnden Sternenhimmel verwandelt und der Mond ihr den Weg leuchtet. Sie entscheidet sich, zu einer Werkstatt zu fahren. Dort wird ihr geliebter Cadillac versorgt und sie lässt ihn reparieren.

In der Integrationssitzung erkennt die Patientin die Wichtigkeit, sich darum zu kümmern, dass ihre Batterien rechtzeitig aufgeladen werden und der Tank voll ist, bevor sie sich in die Arbeit stürzt oder sich um andere kümmert. In den folgenden KAH-Sitzungen taucht mal das Auto oder mal der Wolf auf. Gemeinsam erkunden sie unterschiedlichste Wegstrecken. Tiefe Schluchten werden überquert und sehr kurvige Gebirgsstraßen befahren, bei denen die Bremsen getestet werden.

Der Effekt der zweiten KAH-Sitzung hält deutlich länger an, und die Patientin wird selbstbewusster. Bemerkenswert ist der Rückgang ihrer Suizidgedanken. „Ein unfassbarer Unterschied. So wie in der letzten Woche ging es mir schon lange nicht mehr! Ich habe keine Suizidgedanken mehr. Das mir etwas hilft bei Suizid ist unglaublich. Es war wirklich toll!“

Sechs Wochen nach Beginn der Behandlung ist die Klientin noch immer symptomfrei und sagt: „Ich hatte noch nie so einen Effekt ohne Nebenwirkungen“. In der fünften Sitzung erfährt sie eine sogenannte “Alleinheitserfahrung”. Sie fühlt sich eins mit dem Universum, der Welt und sich selbst. Diese Verbundenheitserfahrung wirkt sich auch positiv auf den Umgang mit ihren Eltern aus, denen sie nun gelassener begegnen kann. Auch gegenüber ihren Kindern habe sie mehr Geduld und Freude daran, sich mit ihnen zu beschäftigen: „Stellen Sie sich vor, ich saß in Ruhe mit meinem kleinen Sohn da und habe ihm geholfen, sein Armband wieder aufzufädeln, ohne die Geduld zu verlieren!“ Sie bemerkt, dass sie immer zuverlässiger und ruhiger wird: „Je mehr Geduld ich habe, desto besser geht es mir.“ Trotz der vielen positiven Veränderungen im Fühlen, Erleben und Verhalten zieht sie sich noch manchmal aus sozialen Situationen zurück und flüchtet. Alte Denkmuster tauchen auf und sie fühlt sich überfordert und gestresst angesichts eines neuen Projekts bei der Arbeit. Die Sorge, dass die Behandlungen nicht mehr anschlagen könnten, macht sich breit und Zweifel tauchen auf. In der sechsten KAH kommt es zu einem Durchbruch. Sie kommt in tiefen Kontakt mit ihren Gefühlen und kann sich ihre Scham und Schuld eingestehen. Tränen der Befreiung fließen und Sie beginnt, sich zu vergeben. Ihre Schuldgefühle können gesehen werden und müssen nicht mehr durch Wut und Aggression verdeckt werden: „Es darf genau jetzt kommen. Es hat sich alles zusammengefügt. Es war sicher, sicher zu sein. Ich war meiner Seele ganz nah. Ich spüre eine ganz besondere Quelle der Kraft, Intuition, Liebe und Frieden. Alles ist in Ordnung, alles ist richtig (…) Ihre Therapie ist der Anschub, der es mir ermöglicht etwas anzufangen.“

Feedback nach einem Jahr:

Liebe Frau Adler,

Es ist jetzt ziemlich genau ein Jahr her, seit wir uns kennengelernt haben. Und ich möchte Ihnen nochmal von Herzen danken: In diesem Jahr ging und geht es mir so gut wie seit vielen Jahren nicht mehr! Es hat sich in meinem Leben schon so viel zum Positiven geändert!

KAH-FORTBILDUNGSPROGRAMM UND SUPERVISION

Als Therapeut:innen ist die bestmögliche Versorgung unserer Klient:innen/Patient:innen für uns eine ethische Pflicht. Das wachsende Interesse an der Ketamintherapie erfordert eine verstärkte Aufklärung, den Austausch und vor allem die Weitergabe des gesammelten Wissens zwischen allen Beteiligten. Angesichts des sich rasant entwickelnden Marktes rund um die „Ketamintherapie“ und einer Vielzahl von begleitenden therapeutischen Methoden wird eine fundierte Fortbildung auch aus berufsethischer Sicht dringlicher und eine kontinuierliche Begleitung der Klient:innen/Patient:innen immer wichtiger (Singh et al., 2017).

Um diesem Anspruch gerecht zu werden, bieten wir seit 2020 ein Fortbildungsprogramm in der Arbeit mit Ketamin und Hypnose für Ärzt:innen, Psycholog:innen und Therapeut:innen an. Das KAH-Programm zielt darauf ab, die Bereiche Medizin, Psychologie und Hypnose enger mit dem Ansatz zu verknüpfen und praktische Fähigkeiten in der Arbeit mit veränderten Bewusstseinszuständen zu entwickeln.

Die KAH-Fortbildung ermöglicht es Ärzt:innen, Therapeut:innen und Psycholog:innen nicht nur, ihre Ausbildung zu vertiefen und den Stand der aktuellen Forschung einzubeziehen, sondern auch, Selbsterfahrungen mit Ketamin und den dadurch ausgelösten Bewusstseinszuständen zu sammeln. Ziel ist es, Kolleginnen und Kollegen anzuleiten, diese Therapie in der Praxis, z. B. in der medizinisch-psychologischen Zusammenarbeit, durchführen zu können. Wenn diese bereits Erfahrung mit der Ketamintherapie haben oder überlegen, diese einzusetzen, bietet diese praktische Fortbildung einen guten Überblick und eine Plattform zum Austausch. Darüber hinaus können neue Werkzeuge und Fähigkeiten erworben werden.

Lesen Sie hier einen Kommentar von einem unserer Seminarteilnehmer, der als Klient seine erste Ketamininfusion von 0.5 mg / KG erhielt und hypnotherapeutisch begleitet wurde:

„Ich war Klient und aktuell fühle ich mich ziemlich wohl, weil es eine sehr positive Erfahrung für mich war… Es war ein schöner Prozess… Da war diese Ebene von Erkennen und Erleben, beides gleichzeitig. Ich war überrascht, dass das unter dem Ketamin auch so geht. Hypnose ist mir vertraut. Ich konnte wirklich gut arbeiten damit, hatte zuvor zwei, drei Fragestellungen für mich überlegt und konnte dem nachgehen. Dabei war die Hypnosebegleitung richtig spannend. Ich hab das, was ich erlebt habe, dann auch für mich echt hilfreich umdeuten können. Ich muss sagen, ich bin echt beeindruckt, wie gut man das zusammen auch als Werkzeug benutzen kann. Ich bin da auch wirklich mit zwei, drei neuen Lösungen rausgegangen.“

Im Anschluss daran empfehlen wir eine Nachbetreuung der Teilnehmer des KAH-Programms über sechs Monate, in denen wir selbst durchgeführte Ketamin-Behandlungen supervidieren.

KAH-FORSCHUNG

Bisher gibt es wenig Forschung zum Potential von Hypnosetherapie in Kombination mit der substanz-assistieren Psychotherapie (Lemercier & Terhune, 2018). KAH bietet Orientierung und Hilfe in diesem hochinteressanten, aber immer noch umstrittenen Bereich der Forschung und der praktischen Anwendung. Es gilt, sich vor Augen zu halten, dass jeder Anwendungsfehler bei einer der in der Therapie eingesetzten Substanzen zu einer pauschalen Ablehnung, Verurteilung und Kritik aller anderen substanz-gestützten Therapien führen kann.

Es ist noch unscharf, welche Vorteile von Hypnose, welche von Ketamin oder welche von der Kombination beider Verfahren kommen. Auch gilt es zu erkunden, wie sich die Persönlichkeit der Therapeut:in auf den Behandlungsverlauf auswirkt.

Unsere Beobachtungen aus der Praxis zeigen eine deutliche Reduktion der BDI-II Werte bei Vorher-nachher-Messungen sowie Follow-ups nach bis zu einem Jahr (Adler & Scheib, 2020).

Um die Wirksamkeit der KAH zu erforschen, wird aktuell das Forschungsprojekt „Keta-Mentalis” an der Universität Innsbruck geplant.

LITERATUR