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Giggino

Der Maat kommt in die Kombüse, wo wir gerade den Abwasch machen. Ich bete meinen Rosenkranz der guten Sachen herunter, wie es mir der Comandante aufgetragen hat: Friarielli, Scapece, Pasta mit Sardinen, Milch nach portugiesischer Art … Der Maat drückt mir die Hand auf die Schulter, dass es fast weh tut, und sagt: »Gnocchi, Giggino! Befehl vom Comandante!« Und schon ist er wieder verschwunden.

Also hab ich’s mir richtig vorgestellt: An Gibraltar sind wir vorbei, wir sind im Atlantik, und gleich fangen wir an, die guten Sachen zu essen. Ich hab meinen Gehilfen Bicienzo in den Arm genommen, vielmehr den Armen Bicienzo, wie wir ihn alle nennen, im Unterschied zum anderen Bicienzo, dem Maschinist und Korallenfischer. Der ist heut früh im Taucheranzug rausgegangen und nicht mehr zurückgekommen. Ein Held, hat ihn der Comandante genannt, ohne sein Opfer wären wir alle gestorben. Er kriegt nachträglich die Goldmedaille. Doch obwohl der andere Bicienzo nicht mehr da ist, bleibt mein Gehilfe nach wie vor der Arme Bicienzo, denn er ist Analphabet und hat einen ganzen Stall voll jüngerer Geschwister, die hocken alle in einem Kellerloch aufeinander, und vor allem hat er keine Mutter, das ist für mich das größte Unglück, was es gibt. Er kann das Alphabet bis G, ab dem H kann er sich nichts merken: Er ist langsam und außerdem ein bisschen schwerhörig. Er ist neunzehn Jahre alt.

Gnocchi!, hat er gerufen, Gnocchi! Er war überglücklich, er, der noch vor einer halben Stunde über den Tod das anderen Bicienzo geheult hat. Es war ihm ernst damit, und jetzt ist es ihm auch ernst, und das macht es auch mir leichter. Auch ich hab heut Morgen geheult, und trotzdem bin auch ich jetzt glücklich. Er muss sich deshalb nicht schämen, und ich ebenso wenig. Heut Morgen war ich traurig, jetzt bin ich fröhlich. Ich bin am Leben. Koche Gnocchi. Ich werde die beste Tomatensoße der Welt machen.

Ich fahr hinaus aufs weite Meer

Da trotz ich Tod und Untergang

Auf einmal ertönt die Hymne der U-Boot-Fahrer aus den Lautsprechern. Auch das auf Befehl des Comandante, sagt der Maat, als er an der Kombüse vorbei wieder hinausrennt. Und wenn der Comandante das Abspielen unserer Hymne anordnet, dann heißt das zugleich, dass wir mitsingen, und zwar wir alle, egal, wo wir gerade sind. Es ist so schön …

Den Feind schlagen und begraben

Wo immer man ihn trifft

Das ist das Leben des Matrosen

Er pfeift auf Feind und Gegner

Denn er weiß, der Sieg ist sein!

Singend stürzt sich der Arme Bicienzo auf die Kartoffeln, die bis dahin verboten waren, während ich, ebenfalls singend, schon an die Soße denke: Zwiebel, Sellerie, geschälte Tomaten, Parmesan. Ich kann es schon schmecken, so wie damals, als ich im Lazarett in La Spezia meine Anna kennengelernt hab und ihre Lippen schon auf meinen gespürt hab, als sie mir das erste Mal zugelächelt hat.

Unter dem grauen Dunstschleier in der Morgendämmerung

lauert ein Geschützturm auf seine Beute!

Schnell und unfehlbar

gerade und sicher schießt

der Torpedo aus dem U-Boot

und pflügt donnernd durchs Meer!

Den elektrischen Lesa-Plattenspieler, auf dem die Hymne abgespielt wird, hat der Comandante persönlich an Bord gebracht. Aber er gehört ihm nicht. Der Comandante ist nicht reich, er kann es sich nicht leisten, Sachen zu kaufen. Reich macht ihn sein Talent, immer das zu bekommen, was er von den Leuten haben will.