31. Kapitel
Ödel 1.psd
Blue
Rede bloß weiter, rede verdammt noch mal weiter. Wenigstens hat sie bisher nicht versucht, dir die Eier abzureißen.
Aber irgendwann ist alles Relevante kurz und knapp zusammengefasst. Ich werde nicht versuchen, die beschissene Gesamtlage mit jeder Menge Adjektiven zu verwässern.
Das sind die Fakten, entscheide dich jetzt, Sally. Du bist ein freier, mündiger Mensch, es ist allein deine Entscheidung.
Sie hat mir mit großen Augen und leicht zur Seite geneigtem Kopf zugehört und nagt die ganze Zeit auf ihrer Unterlippe herum.
Diese verdammte Unterlippe. Mein Blick wird immer wieder dorthin gezogen, dabei will – muss – ich mich konzentrieren.
Wenn sie nur nicht so ein Vamp wäre.
Selbst jetzt, wo sie überhaupt nicht sexy sein will.
Vielleicht gerade deshalb.
Und dann ist sie auch noch nackt … total. Da blitzt nicht hin und wieder ein bisschen unter dem Laken hervor, sie ist überall zu sehen. Ihre kleinen heißen Titten, zum Beispiel, und …
Mit aller mir zur Verfügung stehenden Macht konzentriere ich mich, während mir klar wird, dass ich noch viel weiter gerannt wäre, um sie zu finden. Wahrscheinlich hätte ich zur Not auch etliche Ozeane überquert – schwimmend –, um zu ihr zu kommen. Aber all das gehört nicht hierher, würde sie mir sowieso nicht abnehmen, ihr Blick kann nicht lügen. Verkauf es ihr als Vernunftssache, so wird sie es eher verstehen, und dann kannst du ihr nach und nach klarmachen, was sie dir wirklich bedeutet.
Immer scheibchenweise …
Ja, so werde ich es machen. Aber erst muss sie einwilligen, Ja zu sagen. Ich schwöre schon mal hier, dass sie es niemals bereuen wird.
»Also du musst eine Evans heiraten?«, erkundigt sie sich im Plauderton und das Laken rutscht ein paar Zentimeter. Direkt unter ihrer linken Brust hat sie übrigens ein kleines Muttermal.
Ich liebe dieses verdammte Muttermal.
»Sieht so aus«, erwidere ich vorsichtig.
»Und wir sollten das demnächst machen.«
»Nicht demnächst, sondern bevor wir nach New York zurückkehren, also heute.«
Sie schiebt die Lippen vor und ich muss lächeln, weil es an den Schmollmund eines kleinen Mädchens erinnert.
Dann blinzelt sie, stellt ihre Augen wieder scharf. »Okay … aber das läuft nur unter einigen Bedingungen.«
»War mir klar.« Wenn sie jetzt »kein Sex« fordert, erschieße ich mich.
»Ist ja nichts Geringes, worum du mich bittest.«
Dazu sage ich lieber nichts …
»Also …« Sally holt tief Luft und mustert mich entschlossen. »Zuerst mal will ich was essen.«
»Okay.«
»Hamburger, Fritten, Milchshake – alles in XXL, jede Menge Fett.«
»Geht klar.«
»Dann will ich Klamotten, ich gehe keinen Schritt weiter in diesen widerlichen … Geschmacksverirrungen.«
»Besorge ich.«
»Kein Auto, ich will diese BMW … ist das deine?«
»Leider nicht, aber … ich werde alles versuchen, damit sie es wird.«
Sie nickt … und spitzt wieder so heiß die Lippen. Das Haar trocknet langsam, bauscht sich um ihren Kopf, bildet unzählige kleine Locken, mit denen sie wild und natürlich und unbezwungen wirkt. Genau wie sie ist. Diese Frisur sollte sie behalten. Ich habe schon vorher bemerkt, dass der Sitecut inzwischen fast rausgewachsen ist … vielleicht belässt sie es dabei. Und wenn nicht … ehrlich, es wäre mir fuckegal.
»Dann will ich Schokolade. Ungefähr acht Tonnen.«
»Ich bestelle einen Truck.«
»Und ich will …« Hier strauchelt sie erstmalig, und als sie mich ansieht, glimmt dieses Funkeln in ihren Augen, mit dem ich gerade nicht gerechnet habe.
»Sex«, flüstert sie, ihre Tonlage ist eine Nuance tiefer, insgesamt klingt sie rau. »Ich will verdammt heißen Sex.«
Im nächsten Moment hat sie sich auf mich gestürzt. Ich war nicht vorbereitet, knalle nach hinten, auf den Boden. Und sie liegt auf mir, ihre roten Kirschlippen nur Millimeter von mir entfernt.
»Krieg ich den?«, flüstert sie, und wartet keine Antwort ab, küsst mich stürmisch, ihre Hände wühlen in meinem Haar und ich kann mich mit Mühe von ihr lösen. Übrigens die größte Heldentat meines Lebens.
»Sally, das ist keine gute Idee.«
»Warum nicht?«, murmelt sie und nestelt bereits an meiner Hose. Der Reißverschluss ist offen, der Knopf auch … und hier hört sie nicht auf.
»Weil es dir nicht gut geht.«
»Klar, ich hab ja auch keinen Sex.« Mit ihren flachen Händen fährt sie über meinen nackten Oberkörper, zieht mir flink die Hose aus – okay, ich hebe die Hüften, aber was soll ich auch sonst machen? –, und ich trage keine Boxershorts. Sie sieht zu mir hoch und lächelt. »Wenn du mich wirklich heiraten willst – was ich übrigens für total mutig halte –, dann musst du dich aber noch mächtig steigern. Ich hab schließlich Bedürfnisse.«
Eine Sekunde später hat sie ihn im Mund, lässt ihre Zunge spielen, lässt ihre Finger arbeiten, besonders aber die Lippen, saugt und leckt mich binnen Sekunden außerhalb jeder Denksphäre. Kapitulierend schließe ich die Augen, meine Hände in ihrem Haar, gebe ihr den Rhythmus vor, erst noch sanft, zurückhaltend, gentlemanlike, dann saugt sie weiter, ich höre ihr Stöhnen und gebe der Leine mehr Spiel. Bald stoße ich so tief wie möglich in die Seidigkeit ihres Mundes, es ist zu lange her, ich fühle es bereits kommen. Und als sie auch noch meine Eier umfasst, als sie sie über ihre Handfläche rollen lässt, komme ich mit einem halb erstickten »Fuck!« in ihren Mund und weiß, dass es nicht genug ist, dass es nicht genug sein kann.
Ein Blick in ihre erwartungsvollen Augen sagt mir, dass ich damit genau richtig liege … ich richte mich auf, umfasse ihre Arme …
Sally
… und zieht mich auf sich, sodass ich breitbeinig auf ihm sitze, nur Zentimeter von dem entfernt, was ich in mir will.
Er scheint meine Gedanken gehört zu haben. »Das willst du?«
»Ja.«
Blue packt die Haare an meinem Hinterkopf, dreht mein Gesicht ein wenig, mustert mich fast skeptisch, bevor er grinst. »Kannst du haben. Deckt sich mit meinen … äh, Bedürfnissen.«
Meine Augen sind groß. »Echt?«
»Ja, echt«, flüstert er, bevor er meine Lippen mit seinen verschließt, mich in einen geistlosen, hemmungslosen Kuss zieht. Es scheint ihm egal zu sein, dass er sich selbst schmeckt, und das macht ihn nur noch sexiger. Ich schließe die Augen, umfasse ihn, bewege meine Hand an ihm auf und ab, sorge dafür, dass er wieder hart und bereit ist, und er stöhnt in meinen Mund. Seine Finger in meinem Haar werden zur Faust. Er bewegt die Hüften, löst sich von mir und blickt mich mit lustverhangenen, wunderschönen Augen an, die Lippen geteilt und ein bisschen feucht, die schattigen Wangen, das zerzauste Haar. Er ist …
Perfekt.
Seine großen Hände umfassen meine Hüften, setzen mich auf ihn, und ich lasse mich langsam auf ihn sinken, vergrabe meine Zähne in der Unterlippe, koste das Gefühl aus, spüre fast, wie er an meinen Nerven vorbei rutscht, bis ich auf ihm sitze, bis er so tief wie möglich in mir ist.
Uns beiden stockt im gleichen Moment der Atem, es ist so perfekt wie immer, wie es von Anfang an war.
Darüber muss ich grinsen, packe seine Schultern, grabe meine Finger tief in seine Haut und beginne mich zu bewegen. Er hebt im Gegentakt die Hüften, das Ganze steigert sich binnen Sekunden fast bis zum Orkan, fast bis Ultimo, nur dass dies mit jedem Herzschlag neu erfunden wird. Immer schneller bewege ich mich, höre nur unser beider Atem, seine Hände auf meiner Hüfte erhöhen noch mal den Takt. Und mir geht viel zu schnell die Luft aus, ich fühle, dass ich aus der Übung bin, keine Kondition habe. Aber mein Blick, der mit seinem verbunden ist, das Gefühl, wenn er immer und immer wieder in mir ist, mobilisiert ungeahnte Kräfte. Ich zögere es hinaus, weiß, er tut das Gleiche, zwinge den Punkt immer wieder nach vorn, bleibe dabei, halte durch, bis er meine Seiten fester umfasst und mich …
Blue
… nach vorn lege, ich bleibe in ihr, und sie schlingt sofort die Beine um mich, öffnet sich für mich noch weiter, während ich mich, einen Arm neben ihrem Kopf aufgestützt, nur noch tiefer in ihr vergrabe, immer weiter in sie hineinstoße, ihr noch mehr den Atem raube. Ich liebe es, wenn sie nach Luft schnappt, wenn sie sich hastig die Lippen benetzt, liebe ihre feuchte Enge, liebe es, wenn sie zu vibrieren beginnt, liebe es zu sehen, wie sie sich heftig auf die Lippen beißt, um noch nicht loszulassen, wie sie mit sich kämpft, wie sie es noch nicht enden lassen will. Mit der anderen Hand umfasse ich ihre Brust, fühle die kleine, harte Spitze und beschleunige nochmals, das ist wie Therapie, das ist wie …
Sie lässt meine Schulter los, legt einen Arm um meinen Hals und zieht mich runter, auf ihre Lippen, beginnt den nächsten Kuss und kommt unter mir, kommt so heftig, dass auch ich loslasse, dass ich nicht anders kann.
Unser Stöhnen landet im Mund des anderen, es ist wie ein Versprechen, wie der Schwur, den ich gebraucht habe, der so wichtig war, um mir die erforderliche Zuversicht zu geben, das durchzustehen, was uns unter Umständen erwartet.
Und um zu wissen, dass sie die Eine ist, die Eine, die das Schicksal für mich vorgesehen hat, sollte es diese launige Erfindung überhaupt geben.
Sie ist es …
Sie war es von Anfang an.
Und ich wusste es von Anfang an.