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M ilton achtete genau auf seine Umgebung, als er durch die Tür in das Gebäude dahinter schritt. Sie waren noch immer außerhalb des Hauptgebäudes, dicht genug am Gefängnishof, den er gesehen hatte, um die Geräusche eines aufspringenden Basketballs und einiger Dutzend Stimmen zu hören. Jeder Schritt vorwärts führte ihn weiter weg von seiner Freiheit, aber er hatte den Punkt verpasst, an dem er irgendetwas dagegen hätte tun können.
Er war in Ketten gelegt und die Wachen bewaffnet – welche Wahl hatte er also?
Dieses Gebäude diente offensichtlich dazu, neue Gefangene zu erfassen. Ein Mann hinter einem Schreibtisch nahm Miltons Akte entgegen. Er schaute hoch und musterte Milton, bevor er ihm mit einer abschätzigen Handbewegung zu verstehen gab, dass er in den düsteren Raum nebenan weitergehen sollte.
Eine Wache stieß Milton von hinten, und er wäre beinahe gestolpert. Die Kette klirrte, als sie sich spannte und dann wieder lockerte. Die Männer folgten dicht hinter ihm, als er einen weitläufigen Raum betrat. Er sah einen langen Tisch mit Haufen von Gefängniskleidung in Plastikbeuteln. In der Mitte des Raums befand sich ein Haufen Schuhe, jedes Paar an den Schnürsenkeln zusammengeknotet. An einer Wand hing ein Spiegel und gegenüber ein zusammengerollter Feuerlöschschlauch mit tropfender Düse.
Er wurde in die Obhut von zwei weiteren Wachen gegeben. Diese waren ebenfalls bewaffnet, in Hüftholstern trugen sie Pistolen. Einer der beiden ging um Milton herum und löste die Fesseln an Miltons Armen und Beinen. Die Ketten klirrten, als er sie zusammenlegte und wegbrachte. Milton nutzte die Gelegenheit, um seine Handgelenke zu massieren.
Die ihm am nächsten stehende Wache sah ihn mit unverhohlener Abscheu an.
„Kleidung aus.“
Milton wusste, dass ihm kaum eine Wahl blieb, als zu gehorchen. Er öffnete die Knöpfe seines Hemds und zog es aus. Dann folgten die Hose und Unterwäsche. Die Leibesvisitation ließ er stoisch über sich ergehen. Der Mann machte eine Pause und betrachtete die Tätowierungen auf Miltons Körper – und vielleicht war er ein bisschen eingeschüchtert von Miltons Furchtlosigkeit und Gelassenheit. Er befahl Milton, die Beine zu spreizen und sich nach vorn zu beugen. Mit geübten Griffen versicherte er sich, dass Milton nichts in das Gefängnis einschmuggelte.
Milton hatte den tropfenden Schlauch schon gesehen und wusste, was nun folgen würde.
Die Wache zeigte mit dem Finger und befahl: „An die Wand.“
Milton durchquerte den Raum. Der Boden war nass, und die Farbe war von den Wänden geplatzt. Der Mann nahm den Schlauch und zielte damit direkt auf ihn, dann betätigte er den Hebel. Eine Flut eisigen Wassers schoss heraus. Es traf Milton mit voller Wucht gegen die Brust, trieb ihm die Luft aus den Lungen und versetzte ihn in einen regelrechten Kälteschock. Milton bis die Zähne zusammen – er war nicht bereit, diesen Männern das Vergnügen zu bereiten, sich offenkundig unwohl zu fühlen. Sie lachten dennoch, und der Mann mit dem Schlauch zielte erst auf Miltons Genitalien und dann auf sein Gesicht. Er schloss die Augen und drehte sich weg, damit der Wasserstrahl nur die Seite seines Gesichts traf.
Der Hebel wurde wieder umgelegt, und der Wasserstrahl versiegte. Milton blieb stehen, wo er war, und ließ das Wasser seinen Körper hinablaufen. Seine Haut prickelte.
Die Wache schätzte Miltons Größe ab, suchte eine Tüte mit passender Kleidung aus dem Haufen und warf sie vor ihm auf den Boden.
„Anziehen.“
Die Kleidung war orange. Milton riss die Tüte auf und holte die beiden Kleidungsstücke darin hervor: eine Hose und ein kurzärmeliges Hemd. Beide waren aus grobem Stoff und kratzten auf seiner nassen Haut, als er sie überzog. Die Wache betrachtete Miltons Stiefel, machte einen Witz mit seinen Kollegen und stellte sie zur Seite. Milton vermutete, dass er sie nicht wiedersehen würde. Dann nahm die Wache ein Paar der Schuhe aus dem Haufen und warf sie ihm zu. Sie waren alt, hatten Löcher an der Oberseite und Risse an den Nähten. Milton zog sie über. Sie waren etwas zu klein, aber nicht unerträglich; er beschloss, das lieber durchzustehen, als den Männern die Gelegenheit zu geben, ihm ein noch unbequemeres Paar zu geben.
Es lagen noch andere Dinge auf dem Tisch, und sie forderten Milton auf, jeweils eines davon zu nehmen: eine Baumwolldecke, eine durchgewetzte Schlafmatte aus gewebtem pandan , einen Teller und eine Tasse, beide aus billigem, nachgiebigem Metall.
Die Wache packte ihn an der Schulter und stieß ihn vorwärts. „Hier lang.“