M
ilton klopfte Hicks auf die Schulter.
„Gute Arbeit“, sagte er.
„Ich habe nichts gemacht. Das waren alles Josie und Ziggy.“
Milton drehte sich zur Rückbank um. Ziggy schenkte ihm ein selbstzufriedenes Grinsen.
„Gut, dich wiederzusehen“, sagte Milton.
„Das hat Spaß gemacht“, sagte Ziggy. „Bist du beeindruckt?“
„Du beeindruckst mich jedes Mal.“
Milton kannte Ziggy gut genug, um zu wissen, dass er am umgänglichsten war, wenn man sein Ego streichelte. Er konnte zwar extrem anstrengend sein, aber er hatte nun mal nicht nur eine große Klappe, sondern war tatsächlich so gut, wie er immer behauptete. Ziggy hatte Milton geholfen, sich ins Mossad-Hauptquartier zu hacken. Was er heute getan hatte, war nur der neueste Beitrag in einer langen Reihe beeindruckender Demonstrationen.
Milton sah Josie an. „Sind Sie okay?“
„Mir geht es gut. Danke, dass Sie mich geholt haben. Sie hätten auch …“
„Nein“, unterbrach er sie. „Ich danke Ihnen
. Ohne Ihre Hilfe wäre ich immer noch da drin.“
„Ich habe sonst niemanden, an den ich mich wenden kann.“
„Was ich gesagt habe, meinte ich auch so.“
„Also werden Sie mir helfen?“
„Erst müssen Sie mir helfen. Erzählen Sie mir alles.“
Josie hatte Milton bereits von ihren Vermutungen berichtet, es wäre aber nützlich, wenn sie sie noch einmal wiederholen würde. Milton und Hicks hörten aufmerksam zu, als sie erneut die Einzelheiten von Miltons Verhaftung darlegte und wie sie zu der Überzeugung gekommen war, dass man ihn reingelegt hatte. Sie erzählte vom Tod des Barbesitzers und der Rolle, die ihr Vorgesetzter bei Miltons Verlegung von Manila nach New Bilibid gespielt hatte, wo er de Lacey komplett ausgeliefert war. Und sie erinnerte an die Drohungen, die ihre Mutter erhalten hatte, hinter denen er ihrer Ansicht nach ebenfalls steckte.
„Er war heute im Gefängnis“, sagte sie. „Darum konnte ich nicht raus. Er hat mich festgehalten.“
„Wo ist er jetzt?“
„Ich habe ihm in den Schritt getreten und bin geflohen. Ich weiß nicht, was danach mit ihm passiert ist.“
„Wie heißt er?“, fragte Milton.
„Bruno Mendoza.“
„Ziggy?“
„Bin schon dran.“
Milton sah zu, wie Ziggy rasend schnell auf seiner Tastatur herumtippte. Er hatte seinen Laptop an sein Handy angeschlossen, und da sie jetzt weiter nördlich vom Gefängnis waren, hatte er auch ein ausreichendes Signal, als er eine Reihe von Befehlen eingab.
„Was tun Sie da?“, wollte Josie wissen.
„Ich finde raus, wo er wohnt.“
„Wie?“
„Ich hacke mich in die Polizeidatenbank.“
„Vielleicht ist es hiermit einfacher“, sagte sie und hielt ihm das Handy hin, das sie Mendoza entwendet hatte.
„Ist das seins?“
Sie nickte.
„Her damit“, sagte er.
Josie gab es ihm. Ziggy schloss es an einen seiner Laptops an und begann, es zu untersuchen.
„Falls er die Adresse findet …“
„Gefunden“, unterbrach Ziggy sie. „Er lebt in Makati City.“
„Gut“, sagte sie. „Wir wissen, wo er wohnt. Was machen wir jetzt?“
„Ihm einen Besuch abstatten“, antwortete Milton.
Sie biss sich auf die Lippe.
Als Milton sah, dass ihr das nicht behagte, fragte er: „Was ist los?“
„Mache ich das Richtige? Ich weiß es nicht. Vielleicht sollte ich mich an den Chief Inspector wenden. Ich könnte ihm erzählen, was ich herausgefunden habe.“
„Wissen Sie denn, wie weit nach oben die Korruption reicht?“, fragte Hicks.
„Hicks hat recht“, sagte Milton. „Sie wissen, dass das riskant wäre. Vielleicht sogar gefährlich. Und es würde viel Zeit in Anspruch nehmen. Wir müssen heute handeln. Wenn Mendoza herausfindet, was passiert ist und dass ich entkommen bin, flüchtet er vielleicht. In jedem Fall wird er es uns deutlich schwieriger machen, ihn in die Finger zu bekommen. Und dann sind auch Sie nicht mehr sicher.“
„Und wenn wir ihn finden? Was dann?“
„Dann fragen wir ihn, wer sonst noch in der Sache mit drinsteckt.“
„Glauben Sie, er hat Ihre Freundin ermordet?“
„Nein, vermutlich nicht. Ich habe einen Verdacht, wer das war. Aber Mendoza kann mir vermutlich helfen, ihn zu finden.“
„Und dann?“
Milton wusste, was sie meinte: Wie gedachte er, sie in Sicherheit zu bringen?
„Da gibt es zwei Möglichkeiten …“
„Ich will nicht … Ich will nicht, dass er stirbt“, warf sie ein.
„Dann müssen Sie Beweise finden, die ihn eindeutig belasten.“
Langsam dämmerte Josie, wie groß ihr Problem war, denn es war offensichtlich. Sie könnte genügend Beweise finden, aber das würde sie niemals allein schaffen. Sie brauchte Hilfe von Vorgesetzten, denen sie vertrauen konnte. Und Milton sah ihrem Gesichtsausdruck an, dass ihr kein hochrangiger Polizeibeamter einfiel, dem sie sich anvertrauen konnte. Vielleicht kannte sie auch niemanden so weit oben auf der Leiter gut genug, um sicher zu sein, dass er einer jungen Polizistin mehr Glauben schenken würde als ihrem Vorgesetzten. Milton wusste bereits, dass Josie einem strengen Kodex folgte – deshalb hatte sie ihn trotz aller Risiken für sich selbst aus dem Gefängnis befreit –, doch jetzt wurden ihre Prinzipien auf eine harte Probe gestellt. Milton würde zu seinem Wort stehen und alles in seiner Machte Stehende tun, damit sie in Sicherheit war. Er teilte ihre Bedenken nicht, und sein Weg wäre sicherer als jeder andere. Sich ans Gesetz zu halten barg große Risiken. Aber sie war es, die die Entscheidung treffen musste. Milton würde sich ihren Wünschen beugen.
Er musterte sie, während sie aus dem Fenster schaute und unsicher auf ihrer Lippe kaute.
„Wohin fahren wir?“, fragte Hicks.
Ziggy nannte ihm eine Adresse in Makati City. „Eine Mietwohnung“, fügte er hinzu.
„Wie weit?“, fragte Milton.
Hicks wartete, bis das Navi die Route berechnet hatte. „Nicht weit“, sagte er, als sich die grüne Linie über die Karte gelegt hatte. „Wir können in einer Stunde dort sein.“