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M ilton und Mendoza fuhren nach Norden, mitten in einen wütenden Sturm hinein. Hicks und Josie folgten ihnen im Mietwagen. Der Regen hatte eingesetzt, als sie an Santa Rosa vorbeigefahren waren, zunächst nur als leichtes Nieseln, doch in San Pedro und Muntinlupa war er stärker geworden, bis Mendoza hatte langsamer fahren müssen, um auf der Straße zu bleiben. Regelmäßig wurde der dunkle Himmel von grellen Blitzen durchzuckt, und der Donner krachte so gewaltig, dass er das Röhren des Boxster-Motors übertönte.
Milton befahl Mendoza, auf der Schnellstraße in die Stadt zu fahren. Der Polizist besaß eine Prepaid-Karte, mit der er an der Mautstelle die Schranke öffnen konnte. An der Seite einer kleinen Kabine für die Mautkontrolleure war eine Kamera befestigt, und Milton achtete darauf, hineinzuschauen, als sie vorbeifuhren.
Tondo lag im Norden Manilas und war berühmt für den Smokey Mountain, einen riesigen Müllberg, der von einigen verarmten Stadtbewohnern durchsucht wurde, um sich hier ein karges Leben zusammenzukratzen. Es gab Gruppen von Kindern in Shorts und T-Shirts, die trotz der späten Stunde und des biblischen Regens dort unterwegs waren. Ein kleines Kind, kaum älter als fünf Jahre, zog eine heruntergekommene Karre voller Plastikflaschen hinter sich her. Ein anderes Kind stand vor einer Wand aus aufeinandergestapelten Plastiksäcken und starrte sie an, als sie vorbeifuhren. Es war barfuß und sein Gesicht so schmutzig, dass der Regen Spuren darin hinterließ. Seinen Namen verdankte dieser Ort den Feuern, die an seinen Rändern brannten. Die Bewohner verbrannten Reifen und Holz, und trotz des Regens drang der beißende Gestank des Rauchs in den Wagen und hinterließ einen sauren Geschmack auf Miltons Zunge und in seinem Rachen.
Der Inspector fuhr vorsichtig. Milton saß neben ihm und hielt die Pistole auf ihn gerichtet, die er in seinem Schlafzimmer gefunden hatte.
„Ich kann überhaupt nichts sehen“, klagte Mendoza und machte eine Geste in Richtung der Scheibenwischer, die vergeblich versuchten, die Sicht frei zu halten.
„Fahren Sie weiter.“
Milton warf einen Blick in den Rückspiegel. Das zweite Fahrzeug war dicht hinter ihnen, Hicks fuhr, Josie saß auf dem Beifahrersitz. Milton hatte gründlich darüber nachgedacht, wie sie am besten vorgehen sollten. Am liebsten hätte er den Inspector allein zu dem Treffen begleitet. Dort hätte er gewartet, bis er und Logan nebeneinanderstanden, hätte sie dann in die Enge getrieben, die Informationen besorgt, die er brauchte, und sie erschossen. Er hatte für keinen der beiden weitere Verwendung und war nicht an Gnade interessiert. Aber Josie hatte darauf bestanden, dass sie Mendoza festnehmen wolle, und schließlich hatte Milton zugestimmt. Sie hatte sich in Gefahr gebracht, um ihn aus dem Gefängnis zu befreien, und dafür schuldete er ihr etwas. Und zu seiner eigenen Überraschung stellte er fest, dass er sie mochte. Es wäre ihm lieber, wenn er sein wahres Ich, so wie er selbst sich wahrnahm, möglichst lange vor ihr verbergen könnte. Milton war ein Killer, und auch wenn er das mit allen Techniken, die er bei den Meetings der AA lernte, zu unterdrücken versuchte, würde er immer einer bleiben.
Er würde ihr Mendoza überlassen.
Für Logan konnte er keine derartigen Versprechungen machen. Er würde nicht so viel Gnade erfahren. Hicks und Josie konnten Mendoza mitnehmen, wenn Milton Logan hatte. Milton wollte allein mit ihm sein.
Sie fuhren durch ein verrostetes Tor, über dem BRGY 105 TEMP HSG stand. Dahinter lagen Behelfsunterkünfte, denen nichts Vorübergehendes mehr anhaftete und die längst so endgültig wirkten, dass man sie nur noch mit Bulldozern hätte beseitigen können. Hier waren noch mehr Menschen, vom Schlamm der Straßen bedeckt und vom unaufhörlichen Regen durchtränkt. Der Geruch veränderte sich und trug eine Mischung aus Urin, Schweiß, Rauch und Verwesung ins Auto.
Mendoza fuhr nach Nordwesten zu den Docks. Auf einem Schild stand NAVOTAS FISH PORT COMPLEX. Bevor sie dort ankommen konnten, bog er von der Hauptstraße ab in ein Gewirr schmaler Straßen, die bis ans Wasser führten. Eine Reihe klappriger Hütten stand längs des Ufers, einige standen auf krummen und durchgebogenen Stützen und ragten bis ins Wasser hinaus. Dieses war schmierig und schmutzig, bedeckt von flockigem, gelbem Schaum, der sich in der Brandung hob und senkte.
Mendoza stellte den Wagen ab. Der Boxster kostete siebzigtausend Dollar und passte überhaupt nicht hierher. Hicks parkte hinter ihnen.
Der Regen prasselte auf das Stoffverdeck und rann in Bächen die Windschutzscheibe hinab.
„Hier ist es“, sagte Mendoza.
Milton sah auf die Uhr. Sie waren gut durchgekommen und früher eingetroffen als erwartet. Logan war ein Profi und würde ebenfalls früher kommen. Milton konnte nur hoffen, dass sie es vor ihm geschafft hatten.
Er schaute nach links und rechts, schätzte die Umgebung ein und rief dann Hicks an.
Was soll ich tun? “, fragte Hicks.
„Bleib außer Sicht und erkunde das Areal. Finde raus, ob du auf die andere Seite des Docks kommst.“
Verstanden.
Der Innenraum von Mendozas Wagen wurde von den Scheinwerfern des Mietwagens erhellt, als Hicks um sie herumfuhr und in eine Seitenstraße einbog, die vom Wasser wegführte.
Mendoza ließ die Hände auf dem Lenkrad. „Was soll ich tun?“
„Wie lief Ihr letztes Treffen hier mit ihm ab? Wo genau haben Sie sich getroffen?“
„Hier.“
„Er kam zum Auto?“
Mendoza nickte.
„Und dann?“
„Er stieg ein, wir unterhielten uns, er gab mir mein Geld. Dann ist er gegangen.“
„War er allein?“
„Ich habe niemand anderes gesehen.“
Milton packte die Pistole etwas fester. „Sie werden Folgendes tun. Sie bleiben hier. Ich werde an einer Stelle warten, an der er mich nicht sehen kann. Sie werden sich genau so verhalten wie beim letzten Mal. Verstanden?“
Mendoza nickte.
Milton drückte Mendoza die Mündung seiner Waffe an die Schläfe. „Ich würde Sie nur zu gern erschießen und ins Hafenbecken schmeißen, aber Officer Hernández möchte das nicht. Sie möchte, dass Sie angeklagt werden und Ihnen der Prozess gemacht wird. Ich schulde ihr etwas, also habe ich zugestimmt.“ Er drückte mit der Waffe zu, bis er sah, dass sich die Sehnen in Mendozas Nacken spannten. „Aber wenn Sie wegrennen oder falls irgendetwas geschieht, das Logan warnt, bin ich von dieser Abmachung befreit. Und dann mache ich Sie fertig.“
Milton nahm die Waffe weg, öffnete die Tür und stieg hinaus in die Sintflut. Der Geruch war überwältigend: verrottender Fisch in Kombination mit dem Gestank der nahen Deponie. Milton würgte, schluckte den Brechreiz hinunter und lief über die Straße zu einer Reihe alter Frachtcontainer. Sie mussten seit Monaten hier stehen, riesige Rostflecken breiteten sich immer weiter auf ihnen aus wie Weinranken. Die Türen waren aufgebrochen und die Ladung, was auch immer das gewesen war, längst geplündert und fortgeschleppt. Der Sturm umtoste das Metall, ein beständiges Trommeln, das Milton in den Ohren dröhnte. Er drehte sich um und schaute zurück. Der Container war ein hervorragender Beobachtungsposten, und solange er im Inneren blieb, war er unsichtbar.
Er schloss die Faust um den Griff der Pistole und ließ sie sinken, bis sie neben seinem Schenkel ruhte.
Es gab keine Garantie, dass Logan zu dem Treffen erscheinen würde. Offensichtlich war er ein äußerst vorsichtiger Mann. Er und Mendoza hätten sich überall treffen können, doch dieser Ort bot Privatsphäre und etliche Fluchtrouten, was es schwer machen würde, ihm zu folgen, sollte er beschließen, dass er verschwinden musste.
Milton konnte nur hoffen, dass die Nachricht seiner Flucht aus Bilibid ausreichte, um Logan aus seinem Versteck zu locken.
Er sah durch den Vorhang aus Regen, der vom Containerdach herabrann. Sein Blick fiel auf das Dock und das Auto. Im Inneren glühte ein schwaches Licht auf, als Mendoza sich eine Zigarette anzündete und den Rauch zum Fenster rausblies.
Milton konnte nur warten.