Ich lernte beinahe
gern
.
Fuck, was war nur aus mir geworden? Ein selbstironisches Grinsen zuckte an meinen Lippen, während ich eine wissenschaftliche Abhandlung über die Vor- und Nachteile des Transports mit Containerfrachtschiffen im Vergleich zu Flugzeugen las.
Zac: Warum kann ich heute Abend nicht in den Club?
Pixie: Einer von vier Collegestudenten hat eine beim Sex übertragene Infektionskrankheit. Viel Spaß dabei, im Club jemanden kennenzulernen!
Kaum dass ich ihre Antwort gelesen hatte, verzog ich das Gesicht. Natürlich war mir die Lust, auszugehen, sofort vergangen. Plötzlich war lernen deutlich attraktiver. Und genau deswegen war Pixie perfekt. Ihr Wissensschatz an verrückten Fakten war enorm, keine Ahnung, wo sie die alle hernahm.
Zac: Danke, kleiner Kampfzwerg.
Pixie:
Damit wollte sie mich wohl an ihren Plan, sich einen Chemiker anzulachen, erinnern. Für einen Moment wütete ein dunkles Gefühl in mir, was ich erstens schleunigst unterdrückte und wogegen ich mich zweitens weigerte nachzudenken. Nachdem ich das Handy beiseitegelegt hatte, konzentrierte ich mich wieder auf die Recherchearbeit für die Hausarbeit, die fünfundzwanzig Prozent meiner Note ausmachen würde, was natürlich bedeutete, dass sie verdammt wichtig war. Ich hatte genau zwei Chancen, um meinen Schnitt zu verbessern – die Hausarbeit und die Abschlussprüfung.
In den anderen Fächern war ich auch nicht sonderlich gut, aber wenigstens fiel ich nicht durch, Statistik war jedoch meine Achillesferse. Zum Glück hatte ich nun diese kleine, verrückte Frau, die wie ein Drillsergeant in ihren Army-Stiefeln mathematische Formeln in mein Hirn hämmerte und mir einen Tritt in den Hintern verpasste, wenn ich mich hängen ließ. College war bald vorbei, es wurde langsam Zeit, dass ich mich zusammenriss und mich auf die wichtigen Dinge konzentrierte. Seltsamerweise interessierte mich keiner der Groupies auch nur noch annähernd, sonst hatte ich mich immer allzu gern verführen lassen, war lieber in eine Bar gegangen oder hatte eine der Frauen in meine Wohnung eingeladen, anstatt mich an den Schreibtisch zu setzen.
Vielleicht hatte sich das geändert, weil mir der Coach und Professor Smith die Pistole auf die Brust gesetzt hatten …
Bestimmt
, versicherte ich mir selbst im Stillen, während ich überprüfte, ob Pixie mir noch eine weitere Nachricht geschrieben hatte.
Pixie: Guck nicht auf dein Handy, lerne! Vielleicht bekommst du dann morgen auch einen meiner Donuts.
Schmunzelnd lächelte ich wie ein Vollidiot mein Smartphone an. Als mir bewusst wurde, was ich tat, zuckte ich zusammen und legte es beiseite. Besser hörte ich auf meinen persönlichen, kleinen, sexy Drillsergeant, indem ich weiter die wissenschaftliche Abhandlung las.
Moment. Sexy?
„Und?“ Angespannt betrachtete ich Pixie, die gerade dabei war, meine Hausarbeit zu lesen. Sie schien auf der letzten Seite von dreißig angekommen zu sein, danach folgten nur noch Quellenangaben – ganze elf Seiten lang! Ich glaubte, noch nie so viel geschrieben oder recherchiert zu haben, doch ich hatte mich eben so richtig ins Zeug gelegt. Zu meiner eigenen Überraschung war es mir leichtgefallen, alles auszuformulieren, meine Probleme hatte ich hauptsächlich mit dem rechnerischen Teil der Arbeit gehabt. Doch nachdem Pixie und ich uns beinahe täglich getroffen hatten und sie Stunden damit verbracht hatte, mir alle möglichen Auswertungsverfahren beizubringen und unter welchen Bedingungen welches davon eingesetzt wurde, glaubte ich, dass meine Hausarbeit ganz gelungen war.
Zumindest hoffte ich das.
Fuck, wenn ich das verbockte, dann würde ich in Statistik durchfallen, die Punkte brauchte ich jedoch für meinen Bachelor-Abschluss. Wenn ich den Kurs im nächsten Semester wiederholen müsste, würden sie mich nicht mehr Eishockey spielen lassen. Ganz davon abgesehen, dass ich dann ohnehin nicht mehr genug Zeit hätte, um alle meine Kurse zu besuchen
und
beim Training mitzumachen.
„Pixie, spann mich nicht so auf die Folter.“
Ihr rechter Mundwinkel zuckte, als sie den Hefter schließlich beiseitelegte – offensichtlich quälte sie mich gern. „Es ist wirklich gut.“
Ich spürte geradezu, wie mir ein Stein vom Herzen fiel … eher eine ganze Gerölllawine brach los. „Gut?“, hakte ich noch einmal nach.
„Wirklich gut“, bestätigte sie, stopfte sich einen Donut in den Mund und nuschelte: „Sogar so gut, dass ich den Wetteinsatz erhöhen will.“
Sofort setzte ich mich aufrechter hin. War sie so sehr davon überzeugt, dass ich eine tolle Note bekommen würde?
Nachdem sie geschluckt hatte, fuhr sie fort. „Wenn du eine
zwei
oder besser schreibst, muss ich eines deiner Spiele live ansehen und dabei Fanartikel anziehen.“
„Fanartikel?“, frage ich schmunzelnd.
„Na, du weißt schon!“ Ungeduldig gestikulierte sie mit den Händen. „So einen Schaumstofffinger, vielleicht ein Trikot.“
„Mein Trikot“, schoss es sofort aus mir heraus.
„Brauchst du das nicht selbst?“, hielt sie dagegen, grinste frech und nahm sich noch einen Donut. Das war schon ihr vierter. Mir war es unerklärlich, wie eine so kleine, zierliche Frau so viel essen konnte. Erstens hatte ich keine Ahnung, wie sie so viel Platz in ihrem kleinen Magen haben konnte, zweitens wohin die Kalorien verschwanden und drittens, wieso ihr bei der ungesunden Ernährung nicht schon die Haare ausgefallen waren oder Ähnliches. Gefühlt ernährte sie sich ausschließlich von Donuts und Kaffee.
„Du wirst ein Trikot mit meiner Nummer darauf tragen und einen Salat essen.“ Kaum hatte ich es ausgesprochen, fragte ich mich, ob bei mir noch alle Tassen im Schrank waren. Seit wann sorgte ich mich um die Gesundheit irgendeiner Frau – abgesehen von meiner Familie natürlich?
„Einen Salat?“ Angewidert verzog sie das Gesicht. „Du willst mich quälen, oder?“
„Genau, Baby, ich will dich quälen“, wiederholte ich kopfschüttelnd. „Und was muss ich tun, wenn meine Note schlechter als eine zwei wird?“
„Mit mir einen der
Star Trek
-Filme angucken – deine Bildungslücke muss wirklich geschlossen werden.“
„Ohne dich würde mein Hirn verkümmern.“ Mein Ton war ironisch, während ich mich auf meinem Stuhl vorlehnte, die Ellenbogen auf meine Oberschenkel stützte, um Pixie genau betrachten zu können. Wir saßen an einem abgelegenen Tisch in der Bibliothek, der Geruch alter Bücher lag in der Luft, der überraschend angenehm war.
„Du armer, dummer Sportler, gut dass du einen Freak wie mich kennst, der dich in die Welt von
Star Trek
und Superhelden einführt.“
„Superhelden?“ Ich zog die Brauen nach oben.
„Darüber sprechen wir bei der nächsten Wette.“ Grinsend lehnte sie sich in ihrem Stuhl zurück, sodass ich das Motiv auf ihrem Pullover erkennen konnte. Diesmal war es Thor, dessen berühmter Hammer mit weihnachtlichen Lichterketten geschmückt war.
„Wo zum Teufel bekommst du bloß deine Klamotten her?“
„Liebhaber-Shops“, sagte sie sichtlich selbstzufrieden.
„Das klingt irgendwie pervers.“ Lachend schüttelte ich den Kopf. Nun, da sie mir eine Einschätzung für meine Hausarbeit gegeben hatte, fühlte ich mich leicht und unbeschwert, konnte zum ersten Mal seit zweieinhalb Wochen auch an etwas anderes als an wirtschaftliche Fakten oder statistische Methoden denken. Vielleicht fiel mir deshalb auf, wie hübsch sie im weichen Licht der Bibliothek war. Eigentlich mochte ich langes Haar bei Frauen, sodass ich meine Hände beim Sex darin vergraben konnte, aber Pixie stand der kurze Schnitt ausgezeichnet, ließ sie trotz ihrer ganzen Bravade zerbrechlich wirken.
„Du denkst zu viel an Sex.“
Für einen Moment zuckte ich wie ertappt zusammen, erst eine Sekunde später fiel mir wieder ein, dass sie sich auf meinen Kommentar zu den besagten Liebhaber-Shops bezog und nicht meine Gedanken lesen konnte. Denn als mein Blick an ihrem schmalen Hals hinabwanderte, konnte ich mir wirklich nur zu gut vorstellen, wie ich meine Nase an ihrer Kehle vergrub, ihren zweifellos süßen Duft einatmete, sie dort küsste oder an ihrer Haut knabberte.
Mist, so sollte ich wirklich nicht über sie denken
, aber ich konnte mir nicht helfen.
„Zac?“
Abgelenkt blinzelnd sah ich ihr in die Augen.
„Du bist gar nicht so schlimm, wie ich angenommen hatte.“
„Und du bist noch einmaliger, als du den Anschein machst.“
Sie zog die Nase kraus, konnte sich offenbar nicht entscheiden, ob ich sie soeben beleidigt oder ihr ein Kompliment gemacht hatte. Durch ihren verwirrten Gesichtsausdruck sah sie in meinen Augen nur noch süßer aus, sie war eine irre Mischung aus niedlich, herausfordernd, freaky und sexy. Nie im Leben hätte ich gedacht, dass ausgerechnet jemand wie sie mich derart um den Verstand bringen könnte. Doch wie ich hier saß, konnte ich kaum noch einen klaren Gedanken fassen, wollte ihr die Verwirrung vom Gesicht küssen.
Ruckartig stand ich auf. „Danke, kleiner Kampfzwerg, dann sehen wir uns morgen bei Professor Smith!“
Der Ärger, der bei ihrem Spitznamen durch ihre Augen huschte, ließ mich lächeln. Ehe ich mich davon abhalten konnte, beugte ich mich vor und presste einen Kuss auf ihre Wange. Dicht an ihrer Haut flüsterte ich: „Bis morgen, Baby.“ Danach schnappte ich mir meine Hausarbeit und eilte davon. Nachdem ich die Hausarbeit abgegeben hatte, stand mir noch die letzte Trainingseinheit vor dem Spiel bevor.