Kapitel 15
Pixie
Glocken, Hochzeit, Weihnachten, Hochzeitssuite, Schmuck
Wärme umhüllte mich, als mich der wunderbare Geruch nach Zimt und Äpfeln sanft aus meinem Schlaf aufweckte. Tief atmete ich die Luft ein. „Sind das Donuts?“ Vor Unglauben weiteten sich meine Augen, gierig atmete ich noch einmal tief ein, der Duft nach frischem Gebäck war auch zu köstlich.
„Müssten Apple Cider Donuts sein“, brummte jemand hinter mir, sodass ich erstarrte.
Moment. Schlagartig fiel mir wieder ein, wie Zac mich mitten in der Nacht geweckt hatte. Ich erinnerte mich an unser Lachen, das Gefühl des eiskalten Schnees auf meiner nackten Haut und wie der Schnaps meine Kehle hinunterbrannte, aber vor allem die Wärme seiner starken Arme, als ich mich an ihn gekuschelt hatte.
Ähnlich wie in diesem Augenblick.
Ruckartig drehte ich mich auf der Matratze herum, sodass ich mich von Angesicht zu Angesicht mit Zac wiederfand. Wir hatten im selben Bett geschlafen, das hatte etwas Intimes. Ich wartete darauf, dass sich Bedauern darüber in mir breitmachen würde, doch es störte mich nicht. Ihm nah zu sein, fühlte sich viel zu gut dafür an.
„Morgen, Baby.“ Eine seiner Hände legte sich an meine Wange, umrahmte mein Gesicht.
Neugierig sah ich mich um, wir befanden uns nicht im Gästezimmer. Ich ließ meinen Blick durch den Raum wandern, Eishockeyschläger hingen überkreuzt an einer Wand, daneben Poster von ein paar Profis, einen erkannte ich sogar als einen Spieler der Philadelphia Punchers , der durch seine Eskapaden ständig in der Klatschpresse landete. Ein Regal war über und über mit Trophäen gefüllt. Im Gegensatz zu mir schien Zac es nie aufgegeben zu haben, es mit all seinen Errungenschaften zu füllen.
„Hast du mich gestern Nacht ins Bett getragen?“, fragte ich, denn ich konnte mich nicht mehr erinnern, wie wir von dem Sessel im Wohnzimmer in den ersten Stock gekommen waren.
„Du warst so müde, dass ich dich nicht wecken wollte.“ Sein Daumen strich auf meiner Wange hin und her.
„Danke.“ Ohne darüber nachzudenken, drehte ich den Kopf und küsste die Innenfläche seiner Hand. Da fiel mir ein, was er zuvor gesagt hatte, als ich noch zu verschlafen gewesen war, um darauf zu reagieren. Der leckere Geruch in der Luft ließ meinen Magen knurren. „Hast du vorhin Apple Cider Donuts gesagt?“ Das traditionell weihnachtliche Gebäck wurde unter anderem mit Apfelwein hergestellt und war verdammt lecker.
„Ich könnte meiner Mutter ganz zufällig erzählt haben, dass du ein kleiner Donut-Freak bist.“ Er grinste schief, ihm schien die Schwere seiner Worte nicht einmal bewusst zu sein.
„Und deine Mom hat sie … wegen mir … extra zum Christmas Morning gebacken?“ Ich versuchte, mir nichts anmerken zu lassen, doch in meinem Innern herrschte mit einem Mal Chaos – Unglauben und Rührung kämpften miteinander.
Zac nickte. Ich konnte kaum begreifen, wie seine Mutter sich für mich, eine völlig Fremde , so viel Mühe gemacht hatte, nur um mir eine kleine Freude zu bereiten. Plötzlich musste ich gegen Tränen anblinzeln, wandte mich schnell von Zac ab, damit er die Feuchtigkeit in meinen Augen nicht sah.
Auf dem Bettrand sitzend, hatte ich mich wieder genug im Griff, um noch einmal zurückzusehen und ihm ein Lächeln zu schenken. „Deine Familie ist klasse.“ Und weil ich nun mal ich war, fügte ich hinzu: „Bist du adoptiert?“
Schneller als ich gucken konnte, hatte er sein Kopfkissen in meine Richtung geschleudert, das mich an der Schulter traf. Lachend schüttelte er den Kopf über mich. „Du bist einmalig, Pixie Wolf, und ich bin beinahe froh, dass ich fast durch Statistik geflogen bin.“
Sonst hätten wir uns nicht getroffen.
Seine ehrlichen Worte zerrten noch ein bisschen mehr an meinem Herzen, und ich glaube, es ist längst zu spät für mich. Zu spät, versuchen zu wollen, mich gefühlsmäßig zurückhalten, mein Innerstes zu beschützen, denn wie ich hier saß, vermutlich mit einer schrecklich zerzausten Bettfrisur, und Zac in die dunklen Augen sah, wurde mir klar, dass ich mich längst in diesen arroganten, unverbesserlichen, so humorvollen, fürsorglichen Mann verliebt hatte.
„Ich bin auch froh“, gab ich leise zu.
Zac
Frisch geduscht und angezogen gingen wir die Treppenstufen nach unten, ich fühlte mich gänzlich entspannt, nachdem ich mit Pixie in meinen Armen aufgewacht war. Nun führte ich sie direkt ins Wohnzimmer, wo der Rest meiner Familie bereits auf uns wartete.
Jordan hing über einer Tasse Kaffee, als würde sie ohne das Koffein tot umfallen. Sie war ein kleiner Junkie, was das anging, noch viel schlimmer als Pixie. Meine Eltern hatten sich unterhalten, unterbrachen sich aber, als wir eintraten. Das wissende Lächeln auf ihren Gesichtern bewirkte, dass Pixies Gesicht knallrot anlief, was sie in meinen Augen nur noch süßer machte.
„Guten Morgen, ihr zwei, und frohe Weihnachten!“
„Frohe Weihnachten“, wiederholten Pixie und ich beinahe gleichzeitig. Nachdem ich meine Eltern umarmt hatte, sah ich dabei zu, wie sie Pixie beinahe erdrückten und diese vor lauter Schock große Augen machte. Belustigt zwinkerte ich ihr über den Rücken meiner Mutter zu. Gewöhn dich dran , sagte mein Blick, denn wenn es nach mir ginge, würde mich Pixie von nun an häufiger zu meiner Familie begleiten. Inständig hoffte ich, sie von diesem Plan überzeugen zu können.
Während meine Eltern Geschenke verteilten, Jordan zombieartige Geräusche von sich gab, bis sie die Hälfte ihrer Tasse Kaffee geleert hatte und langsam ins Reich der Lebenden zurückkehrte, ließ ich Pixie nicht aus den Augen. Sie schien alles zu beobachten, so etwas wie Verwunderung und Ehrfurcht lag in ihrem Blick. Wie sagte man so schön? Wie ein Kind an Weihnachten.
Ich konnte mir nur vorstellen, wie ihre Weihnachtsfeste seit dem Tod ihrer Mutter gewesen sein mussten. Ob ihr Vater die Feiertage überhaupt mitbekommen oder im Suff verschlafen hatte? Zwar gab ich mir Mühe, ihm keine Schuld zu geben, es wie Pixie zu sehen, denn Alkoholismus war eine Suchterkrankung, aber es fiel mir verdammt schwer.
Sie hatte ein beschissenes Los im Leben gezogen, umso mehr wollte ich meine Wette erfüllen und ihr wirklich und wahrhaftig das ultimative Weihnachtserlebnis schenken. Mittlerweile hatte ich begriffen, warum sie mit ihrem schwarzen Humor immer von tieferen Gefühlen ablenkte, niemanden zu nah an sich heranließ … Sie war von den wichtigsten zwei Menschen in ihrem Leben verlassen worden, etwas, was ich mir kaum vorstellen konnte, wo ich mich doch immer darauf hatte verlassen können, dass meine Familie mich auffing.
Pixie vertraute nicht leicht, umso stärker wollte ich ihr beweisen, dass sie sich immer auf mich verlassen konnte. Ich würde für sie da sein, nicht nur für die paar Tage über Weihnachten, sondern solange sie mich ließe. Deswegen hatte ich mir ein ganz besonderes Geschenk für sie ausgedacht.
„Das ist für dich.“ Damit drückte ich ihr ein eher schlecht als recht verpacktes Paket in die Hände.
Ihre Augen weiteten sich sogar noch mehr, als hätte sie nicht erwartet, selbst auch Teil des Geschenkeöffnens zu werden. „Ich habe gar kein Geschenk für dich“, stieß sie aus.
„Natürlich hast du das: Du bist mit mir hierhergekommen.“ Damit beugte ich mich zu ihr und presste meine Lippen auf ihre. Darum ging es schließlich an Weihnachten: das Zusammensein, Liebe, Geborgenheit, nicht Geschenke.
Nachdem ich mich wieder aufgerichtet hatte, schenkte ich ihr ein aufmunterndes Lächeln. „Komm schon, mach es auf.“
Sichtlich verunsichert sah sie zu mir auf, setzte sich aber schließlich auf den Boden, um das Geschenkpapier aufzureißen. Jordan, die ihre Kaffeetasse mittlerweile vollständig geleert hatte, saß im Schneidersitz auf dem dicken Teppich und hatte ihre eigenen Päckchen bereits geöffnet. Offenbar neugierig rutschte sie an Pixies Seite.
Raschelnd fiel das Papier zur Seite, zögernd hob Pixie schließlich den Deckel der Geschenkbox. Als sie erkannte, was sich darin befand, schoss ihr Blick sofort zu mir. Etwas in ihren Augen veränderte sich, wurde ganz weich, und ich hätte schwören können, genau die Gefühle in ihr zu erkennen, die ich auch für sie hatte.
„Oje, hat mein Bruderherz es verbockt? Was soll das denn sein?“ Mit kritischem Blick warf Jordan einen Blick in die Box. „Ist das … ist das ein Thor-Kostüm?“ Ungläubig starrte sie mich an, brach dann in schallendes Gelächter aus. Allerdings kümmerte es mich reichlich wenig, von meiner kleinen Schwester ausgelacht zu werden, alles, was zählte, war die Liebe in Pixies Augen.
„Für die Comic Con nächstes Jahr.“ Meine Stimme war fest, ich wollte ihr zeigen, dass das zwischen uns für mich keine schnelle Nummer, sondern etwas Dauerhaftes war. Deswegen hatte ich sie meinen Eltern schließlich auch als meine und nicht nur eine Freundin vorgestellt.
Stumm stand Pixie auf, schien ausnahmsweise keine Worte zu haben, aber sie musste auch gar nichts sagen, denn ich konnte es in ihren himmelblauen Augen lesen. Als sie die Arme um meinen Oberkörper schlang, legte ich meine fest um ihren Körper und zog sie an mich.
„Und wenn ich da ein Spiel habe, das ich nicht ausfallen lassen kann, können wir das Kostüm bestimmt anderweitig verwenden …“ Kaum dass sie den Kopf hob und mich ansah, wackelte ich anzüglich mit den Brauen. Das reichte ihr offenbar, um ihren Biss wiederzufinden.
„Dann hättest du besser ein Loki-Kostüm für dich kaufen sollen“, sagte sie, woraufhin meine Schwester brüllend auflachte. Vermutlich werde ich mir das ewig von ihr anhören dürfen, aber das war Pixie mir wert.
„Loki, hm?“, wiederholte ich. „Ich dachte, du stehst nicht auf Player?“
„In manchen Situationen schon.“ Diesmal war sie es, die anzüglich grinste, sodass ich nur den Kopf schütteln konnte. Gott, ich liebte diese Frau und ihren verdrehten Humor!