Zurückweisung und Erfolg

Der Business-Guru Dan Kennedy hat einmal gesagt: »Je besser der Umgang mit dem Scheitern, desto mehr Umgang wird man mit dem Erfolg haben.«

Die schärfste Zurückweisung meines Lebens erfuhr ich in Austin, Texas, wahrscheinlich war es im Winter 2007. Ich war am späten Freitagabend mit einem Freund unterwegs. Da sehe ich zwei süße Mädchen alleine tanzen. Ich nähere mich, berühre die eine sanft an der Schulter und spreche sie an.

Sie wirbelt herum: »LASS DEINE DRECKSPFOTEN VON MIR! FASS MICH BLOSS NICHT AN!«

»Hey, ganz ruhig, ich hab doch nichts gemacht!«, rutscht es mir zwischen ihren Schreien heraus. Sie hört mich gar nicht. Kreischend schubst sie mich von sich. Ich stoße ihre Arme weg, um mich zu schützen.

Die Ohrfeige trifft schnell und mit Wucht. Völlig unverdient. »HAU AB, DU SAU! FASS MICH BLOSS NICHT NOCHMAL AN!«

Ehe ich mich versehe, zerren mich die Türsteher aus der Bar.

»Ich hab nichts gemacht. Ich kenne sie gar nicht.«

»Schon klar, Freundchen«, meint der Türsteher. Als ich draußen stehe, kommt mein Freund hinterher. »Alter, was für'n Scheiß hast du denn zu der gesagt?«

»Nichts hab ich zu der gesagt.« Er schaut skeptisch. »Ganz im Ernst, gar nichts.«

»Schon klar.«

Ein anderer Abend, eine andere Bar. Wahrscheinlich irgendwann 2006. Ich rede mit einer supersüßen Blondine. College-Mädchen. Studentenverbindung. Dumm wie Brot und unheimlich nervig. Die Art von Mensch, die einen ständig unterbricht und jedes beliebige Gespräch auf irgendein dämliches Thema bringt, das mit ihr zu tun hat. Waterboarding in Form von Smalltalk.

Aber scharf ist sie. Und ich bin jung und bedürftig und notgeil und habe ehrlich gesagt nichts Besseres zu tun. Also rede ich mit ihr, leider.

Während ich insgeheim überlege, ob ich mich selbst oder lieber sie mit Alkohol abfülle, ob ich mir selbst oder lieber ihr eine abgebrochen Bierflasche ins Gesicht ramme . kommt sie mit folgendem Klopper:

»Übrigens danke dafür, dass du nicht hässlich bist.«

Ich ignoriere das Kompliment und höre nur das Oberflächliche, Unreife heraus. Das kann ich einfach nicht so stehen lassen.

»Wie bitte?«, frage ich.

»Ich hab gesagt: danke dafür, dass du nicht hässlich bist.«

Jetzt fällt mir die Kinnlade herunter (zumindest in der Erinnerung). Aber sie bemerkt mein Befremden gar nicht und fährt mit ihrem Monolog fort (Monologe sind ihr Ding):

»Ich mein jetzt nicht dich, aber es ist so langweilig, in Bars mit Typen zu labern. Heute haben mich nur voll hässliche Typen angelabert und mir Drinks ausgegeben. Aber du bist wenigstens nicht hässlich.«

Wenigstens?

Sie fährt fort: »Ehrlich gesagt, kann ich hässliche Leute nicht ausstehen. Tut mir echt in der Seele weh, wenn ich hässliche Leute sehe. Ich krieg echt körperliche Schmerzen, wenn ich jemand Hässlichen angucken muss.«

Ich kann mich nicht mehr zurückhalten: »Dann hast du bestimmt keinen Spiegel zu Hause.«

Im Verlauf einer halben Sekunde huschen nacheinander Unglauben, Schreck und Wut über ihr Gesicht - und schon kommt ihr klebriger Cocktail auf das meine zugeflogen, gefolgt von einer zierlichen Ohrfeige.

»Arschloch!«

Und sie stürmt zurück zu ihren Freundinnen.

Als ich anfing, auszugehen und Mädchen zu treffen, hatte ich eine Heidenangst vor solchen Szenen. Eine Ohrfeige abzubekommen, mit einem Getränk beworfen oder aus einer Bar geschmissen zu werden - das waren Albträume. Schon beim Gedanken daran wäre ich ins Zittern gekommen. Womöglich geht es dir jetzt auch so.

Aber an beide Erlebnisse erinnere ich mich glasklar und gern, denn sie gehören zu den wichtigsten Erfahrungen mit Frauen, die ich je hatte - wichtiger als viele meiner Erfolge.

Schwer zu glauben, aber aus den Ohrfeigen habe ich mehr gelernt als aus anderen Flirt-Erfahrungen. Zuallererst, dass die Ohrfeige einer Frau nicht das Ende der Welt bedeutet, auch nicht unbedingt das Ende des Gesprächs. Sie ist nur eine sehr emotionale Reaktion. Und als solche ist sie mir hundertmal lieber als Gleichgültigkeit oder Langeweile. Sie bedeutet Polarisierung. Und es ist wichtiger, Frauen zu polarisieren, als ihnen zu gefallen.

Geohrfeigt zu werden lehrte mich auch, dass man die Reaktionen von Menschen nicht immer unter Kontrolle hat. Manche Menschen drehen eben durch oder handeln völlig unangemessen. Das lässt sich nicht verhindern. Man hat nicht jede Situation unter Kontrolle. Je eher man das einsieht, desto besser kommt man zurecht.

Manchmal wird man zu Recht zurückgewiesen. Manchmal zu Unrecht. Ich bereue nicht, was ich zu der College-Schnepfe gesagt habe, auch wenn ich rückblickend einsehe, dass ich nicht so grob zu ihr hätte sein müssen. Wenn mir heute so etwas passierte, würde ich einfach 'tschuldigung sagen und weggehen.

Wie bei jeder Art des Scheiterns muss man erst genügend oft abgewiesen worden sein, ehe man kapiert, dass es eigentlich egal ist und man sich völlig unnötig Sorgen gemacht hat und man sich lieber so verhält, wie man will.

Dass Männer Zurückweisung fürchten, liegt daran, dass sie sich nach der Wahrheit anderer richten, nicht nach der eigenen. Männer, die Zurückweisung fürchten, kennen sogar oft ihre eigene Wahrheit gar nicht, denn wenn sie ihre eigenen Wünsche, Bedürfnisse und Werte kennen würden, hätten sie ja nichts zu befürchten. Dann könnten sie ja ungehemmt ihre Verletzbarkeit zeigen.

Die meisten Männer, die nicht mit ihrem wahren Wesen im Reinen sind, träumen davon, nie zurückgewiesen zu werden. Das ist nicht nur ein Zeichen ihrer Bedürftigkeit, sondern auch weltfremd. Zurückweisung erspart so viel Zeit und Aufwand. Wenn ich mit jeder Frau ausgehen müsste, die ich halbwegs attraktiv finde, würde ich ja wahnsinnig werden.

Meistens liegt es nicht an dir

Hast du erst einmal begriffen, dass es zu 95 Prozent gar nicht an dir liegt, ob eine Frau dich attraktiv findet, kannst du endlich ohne Zögern und Zaudern das machen, was du wirklich willst.

Wenn du ausgehst und viele Frauen kennenlernst, wirst du merken, dass du oft »zur falschen Zeit die Richtige« triffst. Wie oft habe ich schon tolle Frauen kennengelernt, aber irgendwas kam dazwischen. Das passiert ständig. Womöglich ist sie auf Reisen und fliegt morgen 3000 Kilometer nach Hause. Oder sie hat sich gerade mit ihrem langjährigen Freund versöhnt und möchte sich das nicht versauen. Oder ihr ist nicht nach Plaudern zumute, weil ihr Hund gerade gestorben ist. Oder sie will in Ruhe gelassen werden, weil ihr Ex gerade Telefonterror macht. Oder sie ist neulich mit einem Dreckskerl ausgegangen, der sie begrabscht hat, und der genau so heißt wie du.

Es gibt Millionen äußere Umstände, auf die man keinerlei Einfluss hat, und bei einem Großteil der Frauen, die man kennenlernt, liegt wahrscheinlich einer davon vor. Dann lässt man es eben sein und sagt sich: Liegt nicht an mir.

Deshalb umwerben wir Frauen mit unserer Wahrheit. Deshalb polarisieren wir bei Frauen so bald wie möglich. Deshalb achten wir bei Frauen darauf, ob sie unseren Werten und Bedürfnissen entsprechen, und nicht umgekehrt.

Die meisten Männer denken: »Hoffentlich mag sie mich« oder »Hoffentlich weist sie mich nicht ab, das wäre peinlich«. Als ob es nur um sie selbst ginge. Wenn dann nichts daraus wird, nehmen diese Männer es persönlich. Sie ärgern oder grämen sich darüber, dass ein dahergelaufener Mensch mit Brüsten nicht über ihren dummen Witz lacht.

Statt dich zu fragen »Ob sie mich wohl mag?«, solltest du lieber denken: »Was ist sie wohl für eine?«

Statt dich zu sorgen »Hoffentlich weist sie mich nicht ab«, solltest du lieber denken: »Hoffentlich kriege ich heraus, ob sie was für mich ist«.

Das Schöne ist: Egal, ob sie sich in dich verknallt oder dir ihr Getränk an den Kopf wirft - du hast es geschafft. Du hast die Wahrheit gefunden. Deine Neugier ist gestillt, und du kannst entscheiden, ob damit Schluss ist oder nicht.

Ich sehe in jeder Zurückweisung eine Form von Inkompatibilität. Egal, ob sie mich schrecklich findet; ob sie mich toll findet, aber am anderen Ende der Welt lebt; ob sie gerade furchtbar gelaunt ist, wenn ich sie einlade; oder ob sie mich süß findet, aber ganz andere Werte und Interessen hat als ich - egal aus welchem Grund mich eine Frau zurückweist, es liegt letztlich daran, dass wir nicht kompatibel sind. Die Inkompatibilität mag permanent sein oder temporär. Aber wenn die Frau mich ausreichend mag, wird sie dafür sorgen, dass es zwischen uns klappt. Und wenn nicht, dann ist sie eben die Falsche - oder die Richtige zur falschen Zeit. Und das ist in Ordnung.

In diesem Sinne brauchst du entweder ein »Verdammt nochmal, ja!« oder ein »nein«. Und wenn ich kein »Verdammt nochmal, ja!« kriege, ist mir ein »nein« lieber als ein »Na ja, okay.«

Erfolg umdefinieren

Heutige Flirtratgeber gehen von einer verqueren Vorstellung von »Erfolg« aus. Einerseits spielen da traditionelle Rollen und Regeln hinein - hübsche Freundin finden, heiraten usw. -, andererseits aber auch unrealistische Erwartungen und Zwänge vonseiten anderer Männer - etwa dass ein »echter Kerl« Dutzende von Frauen haben muss, nie zurückgewiesen wird, Models vögeln muss usw. Männer machen einander jede Menge Druck und Scham, was Zurückweisung angeht, und dadurch entsteht ein ungesunder Männlichkeitskult, der mehr mit Bedürftigkeit zu tun hat als mit echtem Selbstausdruck.

Wie wir Erfolg bei Frauen definieren, ist von höchster Wichtigkeit. Wer sich falsche Ziele setzt, verschwendet Monate oder Jahre damit, ihnen vergeblich nachzujagen.

Männer, die ihren Erfolg beispielsweise daran messen, mit wie vielen Frauen sie schlafen, verschwenden ihre Zeit damit, Frauen rumzukriegen und zu manipulieren, an denen sie gar keine Freude haben, oder die sie nicht einmal besonders attraktiv finden, nur damit sie ihren selbst definierten »Erfolg« erlangen.

Wir sind hier aber nicht beim Entchenangeln. Hier geht es um unsere emotionale Gesundheit. Unsere Beziehungen zu Frauen und unsere emotionale Gesundheit sind ein und dasselbe. So wie wir unsere Beziehungen zu Frauen gestalten, gestalten wir auch unsere emotionale Gesundheit.

Wenn du deinen »Erfolg bei Frauen« danach beurteilst, welche Frau dich erwählt oder mit wie viel Geld du sie versorgen kannst - nun, dann wirst du wahrscheinlich ziemlich einsam bleiben und irgendwann bei der Erstbesten landen, die dich dauerhaft erträgt.

Beurteilst du deinen »Erfolg bei Frauen« nach deiner Beischlafquote oder sonst einem statistischen Messwert, dann wirst du dein Liebesleben genauso verdinglichen wie deine Partnerinnen, und auch wenn deine Eroberungen auf dem Papier gut aussehen, wird jede emotionale Qualität fehlen.

Ich definiere Erfolg nicht quantitativ, sondern qualitativ: als maximales Glück mit der bevorzugten Partnerin/den bevorzugten Partnerinnen.

Erfolg = maximales Glück mit der bevorzugten Partnerin/den bevorzugten Partnerinnen

Das mag trivial erscheinen, aber darin stecken ziemlich weitgehende Konsequenzen. Die meisten Männer auf der Welt definieren »Erfolg bei Frauen« nämlich so:

•    verheiratet oder liiert sein.

•    nie zurückgewiesen werden.

•    eine attraktivere Freundin haben als die Kumpels.

•    Mit vielen Frauen ausgehen.

•    Quantität vor Qualität.

•    eine Frau haben, die dem Klischee von »Schönheit« entspricht.

•    eine Frau haben, die den Vorstellungen der Familie entspricht.

Indem wir Erfolg dadurch definieren, Beziehungen mit maximalem Glück zu finden, verändern wir unsere Herangehensweise grundlegend. Anstatt darauf zu warten und zu hoffen, dass uns eine Frau erwählt, anstatt Telefonnummern zu sammeln, anstatt an die Prahlerei vor den Kumpels zu denken, anstatt Zurückweisungen zu meiden, testen wir so viele Frauen wie möglich aus, bis wir die finden, die uns Freude bereitet und der wir Freude bereiten.

Mit diesem Konzept schaden Zurückweisungen unserer Erfolgsquote nicht mehr, sondern nützen ihr. Ein schöner Abend mit einer Frau, die mit dem Sex lieber noch warten will, kann ein weit größerer Erfolg sein als das Durchvögeln einer flüchtigen Bekanntschaft.

Wir testen Frauen, indem wir uns polarisierend verhalten. Wir polarisieren, indem wir ihnen unser wahres Wesen unverblümt offenbaren. Das bringt sie dazu, uns entweder unglaublich attraktiv zu finden oder uns zurückzuweisen. Beides kommt uns nur gelegen.

Bei Frauen, die uns womöglich glücklich machen, umwerben und polarisieren wir nicht nur, wir treiben die Interaktion auch voran. Manche Männer zählen, wie viele Frauen sie küssen oder wie viele Telefonnummern sie einsammeln. Das ist kein Erfolg, denn sie maximieren ihre Beziehungen zu diesen Frauen nicht. Die erreichten Zahlen sind nur Teil des Prozesses. Wer die meisten Telefonnummern besitzt, ist nicht glücklicher als andere. Dadurch findet man Bestätigung, aber keine Erfüllung. So bekommt man keine Freundin, keinen Sex, keine Intimität und schon gar keine feste Beziehung. Also geh lieber aus dir raus und zeig dich. Offenbare dich und finde heraus, was dich glücklich macht. Ja, das bedeutet, dass du wahrscheinlich verletzt wirst. Na und? Glück gibt es nicht umsonst.

Jetzt geht es ans Eingemachte. Bisher haben wir größtenteils Innenschau betrieben und unser Gefühlsleben beleuchtet. Ob wir die eine oder andere Frau bekommen oder nicht, hängt davon ab, ob unser Engagement für uns selbst höher ist als für sie. Das ist Nicht-Bedürftigkeit. Nicht-Bedürftigkeit entsteht aus Verletzbarkeit. Und Verletzbarkeit entsteht, wenn wir wahrhaftig sind.

Wahrhaftigkeit drückt sich auf dreierlei Weise aus. Und mit diesen drei Arten von Wahrhaftigkeit beschäftigt sich der Großteil dieses Buches. Es sind:

1.    Nach Grundsätzen verhalten (leben)

2.    Mit den eigenen Absichten im Reinen sein (handeln)

3.    Sexualität frei ausdrücken (kommunizieren)

Die erste Art der Wahrhaftigkeit verlangt, dass wir eine Lebensweise entwickeln, die uns glücklich macht. Die Zweite erfordert, dass wir mutig sind und unsere Ängste überwinden. Und die Dritte bedeutet, dass wir gut und ohne sexuelle Hemmungen kommunizieren.

Wer eine Lebensweise wählt, die nicht mit den eigenen Werten und Interessen übereinstimmt, ist unehrlich mit sich selbst. Es zeigt, dass man mehr Wert auf andere legt als auf sich selbst. Daher ist es unattraktiv.

Wenn man seinen Wünschen nicht folgt und sich nicht angemessen durchsetzt, zeigt man, dass man mehr Wert auf andere legt als auf sich selbst. Daher ist es unattraktiv.

Wenn man Gedanken, Gefühle und Wünsche nicht offen und deutlich ausspricht, zeigt man ebenfalls, dass man mehr Wert auf andere legt als auf sich selbst. Auch das ist unattraktiv.

Leben, handeln, kommunizieren: Das sind für mich die drei Fundamente.

KAPITEL 6