Es war ein schöner Herbstmorgen Mitte September 2015. Ich machte ausgeschlafen und zufrieden neben dem Bett meine Morgengymnastik, erfüllt von Hochmut und Selbstüberschätzung. Zum damaligen Zeitpunkt lief mein Leben wie am Schnürchen. Ich hatte ein kleines, aber feines Buch geschrieben, die Aufnahmen für die Sendung Heel Holland bakt — Ganz Holland backt (der erfüllendste Job seit langem) waren für diesen Sommer abgeschlossen. Es standen nur noch ein paar Kleinigkeiten an. Ich war mit mir selbst unglaublich zufrieden, schließlich konnte ich einfach alles. Ich war so robust wie Beton!
Die Sonne schien ins Schlafzimmer. Hinter meinen Augen platzte ein Ballon. Berend rief aus der Ferne meinen Namen.
Beton war zu Porzellan geworden.
Zum Glück waren die Nachbarn zur Stelle. Wenige Minuten später ertönte draußen auf der Straße die Krankenwagenmelodie. Ein Fahrzeug bog in die Einfahrt, ich hörte den Kies knirschen. Beschwingte und zugleich ernsthafte Männer trugen eine Trage die Treppe hinauf und kamen ins Schlafzimmer. Ziehen Sie sich am besten etwas über, sagten sie zu Berend.
Mir sprachen die Sanitäter beruhigend zu. Ich war ihnen so dankbar. Ich merkte, dass mit mir irgendwas nicht stimmte, doch ich hatte keine Schmerzen. Alles in Ordnung. Sie legten mich auf die Trage, aber weil ich in der Waagerechten bleiben musste, konnten sie mit mir nicht die Treppe runter. Sie banden die Trage am Haken des Hubrettungsfahrzeugs fest, das nach langem Warten endlich gekommen war und unten auf dem Kies stand, und schoben mich aus dem Fenster. Ich konnte weder das Hubrettungsfahrzeug noch Berend unten sehen. Die Sonne schien. Ich schaukelte ganz für mich allein in der Luft, hoch über dem Kies, wie Moses in seinem Binsenkörbchen. Die Blätter der großen Trauerbirke rauschten wie Schilf. Ich sah aus der Nähe die höchste Etage des Hauses, Dachpfannen, den frisch gestrichenen Giebel. Das fand ich bemerkenswert, dass ich dort hing und all das sah. Ich hatte keine Angst, ich war die Ruhe selbst. Ganz Holland sackt, sagte ich albern zum Sanitäter, kurz bevor mich der Bediener des Hubrettungsfahrzeugs sanft auf den Kies bettete. Ich konnte mich gar nicht mehr bei ihm bedanken, weil ich umgehend zusammen mit Berend in den Krankenwagen verfrachtet wurde. Berend konnte ich danach nicht mehr sehen, weil er nach vorne zum Fahrer musste. Der zweite Sanitäter saß bei mir. Ich gehe davon aus, dass Berend Angst hatte, aber davon bekam ich nichts mit, ich sah nur, wie die Baumwipfel vorbeirauschten, und dachte ein einziges Mal: Ah ja, hier sind wir. Das kenne ich. Das ist Bijlmer. Ich hatte keine Ahnung, dass ich eine Hirnblutung hatte.
Was sie sonst mit mir angestellt haben, weiß ich nicht. Es scheint alles in allem einige Stunden gedauert zu haben, das Warten auf das Hubrettungsfahrzeug mitgerechnet. Doch sobald ich im Krankenwagen lag, ging es schnell.
Durch einen dunklen Höllenkorridor glitt ich ins Krankenhaus. Dort war es eiskalt. Der Anästhesist sagte beruhigend »ich bleibe bei Ihnen« — und ging weg. Nein, ich ging weg, ich fuhr aus meinem Kopf.
Später erzählte mir Berend, dass er mich nur noch »Verdammtescheißeverdammt« hatte sagen hören, deutlich artikuliert.
Und dann bin ich allein. Berend ist auch nicht mehr da.
Vom aufgeheizten Dach eines Hochhauses kratze ich mit meinen rissigen Nägeln angetrocknete Taubenkacke ab, während sie unten mein Aneurysma verschließen — ich bin immer noch der Meinung, dass ich dem Chirurgen eine Handvoll Taubenkacke hätte reichen können, vom Dach aus in den Operationssaal nach unten, wo sie genau in dem Augenblick schwer mit einem regungslosen Geschöpf beschäftigt waren. Doch in der Sekunde, in der sie die unerwartete Re-Blutung so gut wie möglich zu stoppen versuchen, drückt der Rotterdamer Bürgermeister Aboutaleb gelassen den Atombombenknopf. Er steht am Rand des Daches und sieht mich freundlich an. Nicht wirklich, oder? Der nette Aboutaleb!
Man kann sich selbst wirklich alles übelnehmen.
Man kann sich selbst sogar seine eigenen Halluzinationen übelnehmen.
Ein strahlender Atompilz erhebt sich am Horizont, während die Amsterdamer im rosa Morgenlicht zur Arbeit gehen. Die Farben sind niederschmetternd schön. Ich bin die Einzige, die sie sieht, und ich kann es niemandem sagen, obwohl ich es wahrhaftig erlebe.
Aber auch wenn es Beifall gegeben hätte, hätte ich ihn nicht gehört. Denn in jenem Moment lief ich in meinem Kopf in einem riesigen Saal in der Amsterdam Arena herum, die von meinem Zimmer im Uniklinikum aus zu sehen war. In diesem Saal der Wahnvorstellungen lagen unzählige Fußballbonzen und leicht verletzte Fußballer in weichen, breiten Betten und schauten sich wichtige Spiele an. Ich servierte teuren Champagner, schließlich hatten die Leute einiges dafür hingeblättert, um hier ein Bett zu ergattern. Den Champagner schenkte ich aus hauchdünnen Teekännchen aus Porzellan in hauchdünne Tässchen aus Porzellan. Später habe ich immer mal wieder gedacht: Was für eine ausgezeichnete Idee, mit allen zusammen herumlungernd für viel Geld stumpf ein Spiel anzusehen, das muss ich mal jemandem vorschlagen. Aber es wurde jeden Tag weniger erbaulich. Wie schnell vergeht die Zeit während eines Wahns? Wie schnell ist der Wahn selbst? Die Gäste starben, einer nach dem anderen, oder sie wollten nach Hause, doch das durften sie nicht — erst, wenn sie an der Reihe waren. Jeden Tag durfte einer gehen.
Am Ende lag ich selbst im letzten Bett, alle anderen waren schon weg, und ich wollte auch endlich nach Hause. Ich drückte immer wieder die Klingel, um Hilfe zu holen. Nur morgens nach dem Wachwerden durfte man klingeln. Nicht früher, denn dann verdarb man sich den ganzen Tag. Doch immer wieder kam dieselbe Krankenschwester zu mir. Ich flehte sie an, mich da rauszuholen. Morgen dürfen Sie gehen, sagte die Schwester. Morgen.
So wartete ich jeden Tag hoffnungsvoll auf den Morgen. Es wurde schon hell. Und da kam auch endlich die Schwester! Ich hörte ihre Schritte, auf klackernden Schwesterabsätzen.
Morgen dürfen Sie gehen, sagte die Schwester.
Später erzählte ich jemandem davon, und der sagte: Oh, eine sich wiederholende Wahnvorstellung.
Als ich nach Wochen wieder etwas sagen konnte, fragte ich den Chirurgen: »Herr Doktor, wieso bekommt man eine Hirnblutung?« Ohne zu zögern antwortete er: »Zufall.«
Verdammtescheißeverdammt und Zufall, zwei unbedeutende Ausdrücke für ein unbedeutendes Ende. Aber es gibt mich immer noch. Ich dachte: Ich bin hier noch nicht fertig.
Nein, das stimmt nicht. Das dachte ich nicht. Aber so stelle ich es mir gerne vor.