Schattenhelle sah sich unter den Katzen um, die allmählich begriffen, was er damit sagen wollte: dass er freiwillig anbot, in den Wald der Finsternis zu gehen. Ihre Nervosität wirbelte um den Mondsee herum wie dichter, feuchter Nebel.
»Du kannst nicht einfach in den Wald der Finsternis schlendern wie in das Lager eines anderen Clans«, jaulte Häherfeder plötzlich und schnippte Schattenhelle mit dem Schwanz über die Ohren. »Das ist kein Territorium, das man einfach so betritt. Dieser Wald hat eine eigene Macht. Und er kann eine gute Katze in eine böse verwandeln.«
»Deshalb sollte ich es ja sein, der geht«, miaute Schattenhelle beharrlich. Obwohl er leise sprach, richteten sich alle Blicke auf ihn. »Ich bin der Einzige hier, der weiß, wie es im Wald der Finsternis ist. Und ich bin auf das, was mich dort erwartet, vorbereitet.«
Pfützenglanz schüttelte den Kopf. »Das mag ja sein«, gab er zu. »Aber ich hoffe, du hast nicht vor, dazu noch mal Todesbeeren zu fressen?«
»Todesbeeren?«, fauchte Mottenflügel. »Hast du Bienen im Kopf? Keine Katze darf das je wieder versuchen. Das ist viel zu gefährlich!«
»Das weiß ich doch!«, protestierte Schattenhelle. Es war dumm und leichtsinnig von ihm gewesen, Todesbeeren zu schlucken, und er hatte nur mit Glück überlebt. »Ich verspreche, dass ich nicht mal daran denken werde.«
Mottenflügel bedachte ihn mit einem strengen Blick. »Das will ich dir auch raten.«
»Und wie kann eine Katze dann dorthin gelangen?«, fragte Tupfenwunsch.
»Schattenhelle ist nicht die einzige Katze, die den Wald der Finsternis kennt«, erwiderte Hasenstern. »Als wir damals Ärger mit diesem Ort hatten, besaßen ein paar Katzen die Fähigkeit, sich dorthin zu träumen.« Er hielt inne und leckte sich ein paarmal verlegen die Brust. Schattenhelle fiel ein, dass der WindClan-Anführer, als er noch ein Krieger namens Hasensprung gewesen war, zu denen gehört hatte, die von den Katzen aus dem dunklen Wald getäuscht worden waren.
»Es half, wenn man sich auf die Dunkelheit konzentrierte, die in einem selbst steckt«, murmelte Löwenglut voller Unbehagen.
Vielleicht denkt er an seine eigene Zeit dort zurück. Schattenhelle bemühte sich, mit erhobenem Kopf dazustehen und unter dem unfreundlichen Blick der DonnerClan-Katze nicht zusammenzuzucken.
»Wir dürfen den Wald der Finsternis nicht leichtfertig betreten«, fuhr der golden getigerte Kater fort. »Und wenn eine Katze gehen muss, sollte es dann wirklich Schattenhelle sein?«
»Warum nicht?«, gab Tupfenwunsch zurück. Sie rückte näher an Schattenhelle heran und blinzelte ihm aufmunternd zu. »Er war schon mal dort und ist bereit, es trotz der Gefahr erneut zu versuchen.«
Schattenhelle freute sich über die Unterstützung der WolkenClan-Heilerin, aber Löwenglut schien nicht beeindruckt. Er seufzte tief; offensichtlich fiel es ihm schwer, nicht die Geduld zu verlieren. »Sicher, Schattenhelle war schon dort. Aber das bedeutet nur, dass man dort hinkommen kann – und nicht, dass es nur ihm allein möglich ist. Diejenigen unter uns, die sich an den Großen Kampf erinnern, wissen, dass jede Katze sich in den Wald der Finsternis träumen kann, wenn sie sich auf ihre dunkelsten Gedanken konzentriert.«
Kleefuß musterte den goldenen Krieger mit schief gelegtem Kopf amüsiert. »Bedeutet das, du denkst, wir sollten einen Krieger schicken, der den sternenlosen Ort kennt?«
»Nicht unbedingt«, erwiderte Löwenglut. Seine Stimme klang ein wenig zittrig, und in seinen Augen flackerte einen Herzschlag lang etwas, das wie Furcht aussah. »Nur sollte jede Katze wissen, auf was sie sich da einlässt. Außerdem – hat eine von den Katzen hier darüber nachgedacht, dass Schattenhelle sich vielleicht nur deshalb freiwillig anbietet, um seiner verdienten Strafe zu entgehen?«
»Welche ›verdiente Strafe‹?« Kleefuß starrte Löwenglut wütend an und bleckte leise fauchend die Zähne. »Wenn Schattenhelle die Wahrheit sagt, hat er keine Strafe verdient, sondern den Dank aller Katzen in diesem Wald!«
Schattenhelle blinzelte, er war überrascht, dass ihn seine Zweite Anführerin so vehement verteidigte. Nachdem er lange das Gefühl gehabt hatte, alle Katzen wären gegen ihn, selbst in seinem eigenen Clan, machte es ihm nun Mut, dass wenigstens ein paar auf seiner Seite standen.
»Außerdem«, blaffte Häherfeder, »ist ein Ausflug in den dunklen Wald, auch wenn er noch so kurz ist, ganz sicher keine gute Möglichkeit, um einer Strafe zu entgehen. Und wenn Schattenhelle schon dort war, dann weiß er das auch ganz genau.«
Schattenhelle nickte ernst. Er war dankbar, dass die blinde Heilerkatze die anderen auf das Offensichtliche hinwies. Vielleicht begreifen sie jetzt, wie vernünftig mein Vorschlag ist, und lassen mich gehen.
Aber ganz so einfach war es leider nicht. »Ich weiß nicht«, miaute Nebelstern. Ihr zweifelnder Blick wanderte zwischen Schattenhelle und Häherfeder hin und her. »Selbst wenn Schattenhelle einen sicheren Weg findet, wie können wir ihm vertrauen, Eichhornschweif zu finden? Wäre er nicht gewesen, hätte Aschenpelz nicht fliehen können und Eichhornschweif wäre immer noch sicher bei ihrem Clan. Schattenhelle hat sich gegen die Clans und für Aschenpelz entschieden, indem er ihn freigelassen hat.«
Bei den Worten der FlussClan-Anführerin entbrannte der Streit unter den Katzen erneut.
»Und wenn er es nicht getan hätte, wäre Brombeersterns körperliche Hülle jetzt tot«, jaulte Stachelfrost, die sich nicht mehr beherrschen konnte. »Schattenhelle hat das Richtige getan.«
»Aber dafür gibt es keinen Beweis, nur seine eigene Aussage«, fauchte Hasenstern.
Löwenglut funkelte Stachelfrost aus zusammengekniffenen Augen wütend an. »Schattenhelle hat die Anführer daran gehindert, ihren Beschluss in die Tat umzusetzen. Wäre er eine DonnerClan-Katze, würde ich ihn schneller in die Verbannung schicken, als ich eine Maus töten könnte. Wie sollen die Katzen ihm je wieder vertrauen?«
Erlenherz wandte sich mit zorniger Miene an seinen Zweiten Anführer, aber bevor er etwas sagen konnte, legte Häherfeder ihm die Schwanzspitze auf die Schulter. »Sei kein Mäusehirn, Löwenglut«, krächzte er. »Willst du wirklich eine Heilerkatze bestrafen, die dachte, sie würde das Richtige tun?«
Schattenhelle stand inmitten der Katzen und hörte zu, wie die anderen über ihn redeten, als wäre er nicht da. Je mehr Herzschläge verstrichen, desto unbehaglicher war ihm zumute. Ein paar Katzen waren auf seiner Seite, aber die meisten misstrauten ihm nach wie vor, und ihr feindseliger Tonfall zeigte ihm, dass nicht nur Löwenglut nach einem Grund suchte, um ihn in die Verbannung zu schicken.
Oder Schlimmeres. Er erschauderte innerlich. Und ich kann es ihnen nicht mal verdenken. Sie haben ja recht. Wäre ich nicht gewesen, wäre das alles nicht passiert.
Er bemerkte, dass Kleefuß ihn abschätzend musterte. Als er ihrem Blick begegnete, nickte sie ihm zu und wandte sich an die anderen. »Wir dürfen nicht vergessen, wie gefährlich es ist, den Wald der Finsternis zu betreten – nicht nur für den Körper, auch für den Geist«, miaute sie. »Eine Katze muss sich auf die Dunkelheit in ihrem Inneren konzentrieren, um dorthin zu kommen. Viele Katzen haben berichtet, dass der Wald der Finsternis aus einer guten Katze eine böse Katze machen kann.«
Löwenglut knurrte. »Dann sollten wir Schattenhelle vielleicht doch schicken – er müsste sich dazu nicht groß verändern.«
Schattenhelle fuhr zusammen und Kleefuß bedachte Löwenglut mit einem eisigen Blick. »Er hat sich freiwillig gemeldet«, erklärte sie. »Und Schattenhelle hatte schon immer besondere Fähigkeiten … er ist mit dunklen Mächten vertraut und hat die Begegnungen mit ihnen überstanden, ohne sich selbst zu verlieren. Vielleicht wäre er tatsächlich die richtige Katze dafür.«
Die versammelten Katzen verstummten und beäugten Schattenhelle mit einer Mischung aus Bewunderung und Furcht.
»Wir sollten es auf jeden Fall versuchen«, miaute die Zweite Anführerin des SchattenClans. »Er könnte sich dort umschauen und nach Hinweisen suchen, was mit Eichhornschweif passiert ist. Kriegst du das hin, Schattenhelle?«
»Ja, ich –«, erwiderte Schattenhelle, nur um erneut unterbrochen zu werden, dieses Mal von Löwenglut.
»Ich habe doch gesagt, dass ich Schattenhelle nicht traue«, knurrte der golden getigerte Krieger.
»Dann lasst mich gehen.« Mottenflügel sprach, bevor Schattenhelle die Chance hatte, sich zu verteidigen. Sie hob die Stimme, um über die Rufe der anderen Katzen hinweg gehört zu werden. »Nichts gegen Schattenhelle, aber er trägt seinen Heilernamen noch nicht sehr lange. Wenn ihr also denkt, er könnte das schaffen – na ja, dann schaffe ich das auch.« Sie leckte sich lässig die Vorderpfote. »Ich bin zäh; ich kann dem Wald der Finsternis gegenübertreten. Und falls mir doch etwas zustoßen sollte, habe ich vollstes Vertrauen, dass die anderen Heilerkatzen mich wieder zurückholen.«
Ein paar Katzen nickten zustimmend, aber Häherfeder plusterte sich mit einem verärgerten Fauchen auf. »Ich habe wirklich gehofft, dass es nicht dazu kommt«, blaffte er, »aber wenn eine Katze in den Wald der Finsternis gehen sollte, um Eichhornschweif zu retten, dann am besten ich. Ich habe eine stärkere Verbindung zu ihr als du, Mottenflügel. Und ich war, wie Schattenhelle, schon mal dort.«
»Das stimmt«, miaute Kleefuß mit einem beifälligen Nicken.
»Häherfeder wäre auf jeden Fall eine bessere Wahl als Schattenhelle«, fügte Hasenstern hinzu.
Schattenhelle starrte auf seine Pfoten. Wie kann ich ihnen beweisen, dass ich die beste Wahl bin? Noch während er zögerte, murmelten mehrere andere Katzen zustimmend, dann trat Maulbeerglanz vor.
»Ich werde gehen.«
»Was?« Jetzt, wo Häherfeder seine Entscheidung getroffen hatte, schien es ihn zu ärgern, dass eine andere Katze seinen Platz einnehmen wollte. »Warum ausgerechnet du?«
»Die Katzen, die Schattenhelle nicht ganz vertrauen, haben recht«, erwiderte Maulbeerglanz ruhig. Bei diesen kritischen Worten seiner Heiler-Gefährtin sträubte sich Schattenhelles Fell, doch er zwang sich, es glatt anliegen zu lassen. »Er hat Aschenpelz entkommen lassen«, fuhr Maulbeerglanz fort, »und das bedeutet, wenn wir eine Heilerkatze schicken, sollte es eine andere sein. Ich bin keine Clan-Gefährtin von Eichhornschweif oder mit ihr verwandt und genau deshalb sollte ich gehen.«
»Das macht doch gar keinen Sinn«, protestierte Funkenpelz. »Es sollte eine Katze sein, der Eichhornschweif am Herzen liegt.«
»Aschenpelz könnte sich so eine Verbindung zunutze machen«, meinte Maulbeerglanz. Ihre Worte klangen gereizt, als könnte sie sich gerade noch zurückhalten, Mäusehirn hinzuzufügen.
»Wenn es Schwierigkeiten gibt, wird die Katze, die in den Wald der Finsternis geht, eine schwierige Entscheidung treffen müssen: Sie muss sich selbst retten, solange es noch geht, anstatt um Eichhornschweifs willen etwas Dummes zu unternehmen. Das heißt, diese Katze muss einen klaren Kopf behalten und darf sich nicht von ihren Gefühlen überwältigen lassen.«
»Das klingt vernünftig«, bemerkte Kleefuß.
»Ich bewundere Mottenflügels Mut – du weißt, Mottenflügel, wie sehr ich dich schätze«, fuhr Maulbeerglanz fort, »aber du warst nie in der Lage, Kontakt zum SternenClan aufzunehmen. Und deshalb halte ich es für sehr unwahrscheinlich, dass du den Weg zum Wald der Finsternis findest. Nein«, schloss sie entschieden, »ich muss gehen, keine andere Katze kommt dafür infrage.«
Das erregte Gemurmel, das den Worten der kleinen, grau getigerten Kätzin folgte, erstarb, als Nebelstern zu ihrer Heilerkatze trat. Nervös wartete Schattenhelle auf ihre Reaktion. »Das ist sehr mutig von dir, Maulbeerglanz«, miaute die FlussClan-Anführerin, »aber du hast das Ganze offenbar nicht richtig durchdacht. Du bist die einzige Heilerkatze deines Clans. Was sollen deine Clan-Gefährten tun, wenn dir etwas zustößt und du nicht mehr zurückkommst?«
Maulbeerglanz neigte ehrerbietig den Kopf vor ihrer Anführerin. »Ich habe nicht vor zu sterben«, antwortete sie. »Aber falls das Schlimmste doch passieren sollte, wird Mottenflügel vielleicht überlegen, ob sie nicht wieder zu ihrem rechtmäßigen Clan zurückkehrt.« Sie warf ihrer früheren Mentorin einen vielsagenden Blick zu, doch Mottenflügel drehte nur den Kopf zur Seite.
Einen Moment lang herrschte Schweigen, alle Katzen dachten angestrengt über Maulbeerglanz’ Vorschlag nach.
Sehen sie denn nicht, wie mäusehirnig das ist … Schattenhelle hätte sich liebend gern zu Wort gemeldet, aber er fürchtete, sich damit keinen Gefallen zu tun. Zu wenige der Katzen hier vertrauten ihm.
Schließlich ergriff Pfützenglanz das Wort. »Vielleicht hat Maulbeerglanz recht.«
Die übrigen Katzen – Heilerkatzen wie Krieger – wechselten beifällige Blicke und miauten zustimmend. Schattenhelles Herz klopfte laut in seiner Brust, als wäre es ein Stein, der aus ihm herausbrechen wollte, und schließlich konnte er sich nicht länger beherrschen.
»Das ist nicht euer Ernst!«, jaulte er. »Was hier gerade vor sich geht, gab es bisher noch nie«, versuchte er ihnen verzweifelt klarzumachen, »und ich bin die einzige Katze, die weiß, wozu Aschenpelz fähig ist! Maulbeerglanz ist eine mutige Katze, aber sie wird es nicht schaff–«
»In einem Punkt hat er recht: Du musst dich gut vorbereiten, Maulbeerglanz«, miaute Häherfeder. »Sprich mit einer Katze, die sich in den Wald der Finsternis geträumt hat – Hasenstern zum Beispiel.«
»Ich war auch dort«, protestierte Schattenhelle. »Und das ist noch gar nicht lange her. Der Große Kampf liegt dagegen schon viele Blattwechsel zurück! Zudem kenne ich Aschenpelz besser als jede andere Katze, außer vielleicht Eichhornschweif.«
Häherfeder neigte den Kopf. »Das ist so nicht richtig«, wandte er ein. »Viele von uns haben schon gelebt, als Aschenpelz noch als Krieger beim DonnerClan war. Einige kannten ihn sogar als Clan-Gefährten.«
Schattenhelle zuckte mit dem Ohr. »Ja, aber da hatte er seinen wahren Charakter noch nicht offenbart«, beharrte er. »Ihr kennt vielleicht die Katze von damals, aber ich weiß, was für eine bösartige Katze mittlerweile aus ihm geworden ist. Er hat mich getäuscht und glauben lassen, er würde mir Botschaften vom SternenClan übermitteln. Und selbst nachdem wir wussten, wie hinterhältig er ist, musste ich ihm in der Zeit, als ich sein Heiler war, ständig zuhören.« Er erschauerte. »Jedes Wort von ihm war wie Schlangengift, das in einen Teich tropft, aber es hat mir geholfen, ihn zu verstehen.«
Er verstummte. Maulbeerglanz trat zu ihm und legte ihm den Schwanz auf die Schulter. Ihr gelassener Blick ließ ihn verstummen. »Ich verstehe, was du sagen willst, und ich weiß deine Sorge zu schätzen«, miaute sie, »aber die Entscheidung ist getroffen. Ich freue mich über deinen Rat, ob zum Wald der Finsternis oder zu Aschenpelz, aber entweder sagst du mir nun alles, was du weißt, oder du solltest den Mondsee verlassen.«
Der entschlossene Blick in ihren Augen zeigte Schattenhelle, dass er diesen Streit nicht gewinnen konnte. Vielleicht ist es auch arrogant von mir zu glauben, ich sei die einzige Katze, die Aschenpelz verstehen kann. Er unterdrückte ein Seufzen. Maulbeerglanz ist schließlich eine kluge Katze und Mottenflügel hat großen Respekt vor ihr.
Nach einer Weile senkte er den Kopf. »Na gut«, miaute er. »Das Wichtigste, was du über Aschenpelz wissen solltest, ist, dass ihm die Clans wirklich völlig egal sind …«
Schattenhelle öffnete die Augen und hob blinzelnd und benommen den Kopf. Einen Moment lang wusste er nicht, wo er war. Dann erkannte er die Felsen, den Wasserfall und die bleiche Oberfläche des Mondsees im schwachen Schein der Morgendämmerung, die hinter den Hügeln herankroch.
Mit einem Schlag kehrten seine Erinnerungen zurück: die Streitereien der vergangenen Nacht und der Beschluss, dass Maulbeerglanz versuchen sollte, einen Weg in den Wald der Finsternis zu finden. Die Kätzin hatte es unbedingt sofort versuchen wollen, aber Hasenstern war dagegen gewesen.
»Es wird schon dunkel und wir haben alle einen langen Tag hinter uns«, wandte er ein. »Ich finde, die Krieger sollten Beute jagen gehen, und wenn wir gefressen haben, sollten wir uns ausruhen.«
»Wir können doch nicht ausruhen, solange Eichhornschweif in Gefahr schwebt!«, protestierte Funkenpelz. »Jeder Herzschlag zählt.«
»Nein, Hasenstern hat recht«, miaute Kleefuß. »Wie sollen wir eine so wichtige Aufgabe angehen, wenn wir völlig erschöpft sind? Vor allem Maulbeerglanz muss frisch und ausgeruht sein, bevor sie sich dieser Gefahr aussetzt.«
»Aber ich kann mich nur im Schlaf in den Wald der Finsternis träumen«, meinte Maulbeerglanz. »Und wie soll ich schlafen, wenn ich frisch und ausgeruht bin?«
»Ich helfe dir, dich zu entspannen, dann schaffst du das«, erklärte Mottenflügel. »Aber du wirst den Wald der Finsternis nicht ertragen, wenn du zu erschöpft bist. Du musst bereit sein für das, was dich dort erwartet und wogegen du kämpfen musst. Denk daran: Wenn du im Wald der Finsternis verletzt wirst, bringst du diese Verletzung mit in die echte Welt zurück.«
Maulbeerglanz’ Augen wurden groß. »Oh. Du hast recht, dann … sollte ich mich besser ausruhen.«
Dennoch gab es Gemurre, vor allem unter den DonnerClan-Katzen, bis Löwenglut sich zu Wort meldete. »Also, mein Magen ist so leer, dass er schon denkt, ich hätte keine Zähne mehr. Lasst uns jagen gehen.«
Er lief als Erster den gewundenen Pfad hinauf, während Mottenflügel sich an die anderen Heilerkatzen wandte. »Wir sollten reden. Du nicht«, fügte sie an Schattenhelle gewandt hinzu. »Ich denke, du solltest dich aus dieser Sache besser raushalten.«
Ein heißes Gefühl der Demütigung stieg bei Mottenflügels geringschätzigem Ton in Schattenhelle auf, während sich die übrigen Heilerkatzen um die Kätzin scharten. Er zwang sich, nichts darauf zu sagen, und nachdem er sich wieder beruhigt hatte, nutzte er dankbar die Gelegenheit, sich auszuruhen und nach der Rückkehr der Jäger eine Maus mit Pfützenglanz zu teilen.
Schließlich legte er sich schlafen, mit einem kurzen Blick zu Maulbeerglanz, die sich bedächtig und energisch das Fell leckte. Vielleicht wird ihr durch die Verzögerung bewusst, was für ein großes Risiko sie eingeht. Noch hat sie Zeit, es sich anders zu überlegen.
Während der Morgen aufhellte, regten sich allmählich auch die anderen Katzen, stemmten sich auf die Pfoten, schüttelten die Pelze und bogen ausgiebig und genüsslich den Rücken, um sich zu strecken. Schattenhelle sah sich um und entdeckte Maulbeerglanz und Mottenflügel zusammen am Seeufer. Er tappte zu ihnen.
»Hast du dir gemerkt, was ich gesagt habe, Maulbeerglanz?«, fragte er. »Bist du bereit für die Begegnung mit Aschenpelz?«
Weil er gehofft hatte, dass Maulbeerglanz sich anders besinnen würde, enttäuschte ihn ihre Antwort.
»Ja, ich habe alles gut verinnerlicht«, miaute sie schroff und nickte dankend. »Er macht mir keine Angst. Mir wird schon nichts passieren.«
»Ich habe mit den anderen gesprochen.« Mottenflügels Ohren drehten sich zu ihrer Heiler-Gefährtin. »Wir denken, es wäre gut, wenn du deine Gedanken auf die FlussClan-Katzen konzentrierst, die in letzter Zeit gestorben sind. Vielleicht können sie dir helfen, den Übergang zu finden.«
Maulbeerglanz nickte nachdenklich. »Das kann ich versuchen. Weichpelz ist im Kampf gegen Aschenpelz gestorben. Sie hilft mir bestimmt, wenn sie kann.«
»Gut«, miaute Mottenflügel zustimmend.
Die anderen Heilerkatzen versammelten sich um sie; sogar die Clan-Anführer und Krieger kamen über den schmalen Pfad zum Ufer hinunter, um Maulbeerglanz auf ihrem gefährlichen Weg zu verabschieden.
»Denk daran, dass du nur Informationen sammeln sollst«, erklärte Nebelstern. »Finde heraus, wo Aschenpelz Eichhornschweif gefangen hält und wie viele Katzen ihm helfen – falls ihn überhaupt eine unterstützt. Wenn du etwas Nützliches entdeckst, können wir später noch überlegen, wie wir Krieger dorthin schicken.«
Häherfeder schnaubte verächtlich. »Bestimmt wird es genug Freiwillige für so eine Mission geben.«
Schattenhelle fragte sich, ob er dachte, die Krieger würden vor einem Unternehmen, das so offenkundig eine Heiler-Angelegenheit war, zurückscheuen, aber unter den versammelten Katzen war sofort ein bereitwilliges Raunen zu hören.
»Ich wäre stolz darauf, mitzugehen«, verkündete Kleefuß und hob selbstbewusst den Kopf.
»Ich auch« fügte Funkenpelz ebenso selbstsicher hinzu.
»Mag sein, aber ihr solltet nicht so begierig darauf sein«, warnte Häherfeder. »Ich bewundere Maulbeerglanz’ Mut, aber wir müssen es uns gut überlegen, bevor wir den Wald der Finsternis betreten – und wie wir mit dem umgehen, was wir dort finden. Ihr könnt meine Besorgnis gerne als das unnütze Geplapper einer alten, mürrischen Katze abtun –«
»Sicher nicht!«, flüsterte Erlenherz leise.
»… aber ich weiß, wovon ich spreche«, fuhr Häherfeder fort, ohne den Einwurf zu beachten. »Wir wissen nicht, was als Nächstes passieren wird, aber eines ist sicher: Es wird nicht einfach sein.«
Schweigen folgte auf Häherfeders Worte. Schattenhelle sah sich unter den anderen Katzen um, denen nun erst zu dämmern schien, welch beängstigende Aufgabe vor ihnen lag, wenn sie Aschenpelz besiegen und den SternenClan zurückholen wollten.
Schließlich brach Maulbeerglanz das Schweigen. »Das reicht«, miaute sie. »Ich bin mir meiner Aufgabe und der Gefahr wohl bewusst. Es hat keinen Sinn, es noch länger hinauszuzögern.«
Mottenflügel nickte. »Dann lasst uns anfangen.« Vorsichtig zog sie ein großes Blatt mit ein paar Mohnsamen zu sich. »Leck die auf«, wies sie Maulbeerglanz an. »Wenn du sie geschluckt hast, wirst du ungefähr bis zum Sonnenhoch schlafen.« Während Maulbeerglanz den Kopf zu dem Blatt senkte, fügte Mottenflügel hinzu: »Das ist die letzte Gelegenheit, es dir doch noch anders zu überlegen.«
Maulbeerglanz’ Antwort bestand darin, die Mohnsamen aufzulecken und hinunterzuschlucken.
Schattenhelle beobachtete sie mit klopfendem Herzen. Hoffentlich hatte er Maulbeerglanz genug erzählt, dass sie unversehrt zurückkehrte.