Solar Single – Part I

Hannah

Ich war nicht blöd und auch nicht lebensmüde. Ich rannte nicht durch die Ladesäulen, wo sich das autonome Auto bereits abnabelte und den Motor startete. Ich rannte auch nicht zum Monstertruck, den ich nicht einmal hätte fahren können, wenn ich gewollt hätte. Nein, ich rannte in Richtung Solarpark, der gleich neben dem Parkplatz begann, und zwar umzäunt war, aber der Maschendraht reichte mir lediglich bis zur Hüfte. Ich musste nur ein Bein hinüberschwingen.

Natürlich war es nicht ganz so einfach. Nicht für mich. Ich drückte den Zaun mit den Händen runter, aber trotzdem musste ich mir das Bein schier ausrenken, um es mit Ach und Krach über den Maschendraht zu wuchten. Und das war nur das linke Bein. Beim rechten war es noch schwieriger, denn ich konnte keinerlei Schwung holen.

Ich plumpste über den Zaun und als ich mich auf der anderen Seite aufrappelte, sah ich, dass das Auto um die Ladesäule herum in meine Richtung fuhr. Jarrett war nirgendwo zu sehen. Er rief auch nicht nach mir. Alles, was ich hörte, war der nahezu lautlose Elektromotor meines Jägers.

Ich rannte an dem Spalier aus Solarmodulen entlang, bis ich so etwas wie einen Wartungsgang zwischen den Modulen fand: breit genug für mich, nicht breit genug für das Auto, das sich allein vom Zaun vermutlich nicht aufhalten ließ. Wenn ich das einzige Ziel war, das es geortet hatte, versteckte sich Jarrett wohl noch im Sunoco-Shop, verdrückte Schokoriegel und ließ die naive, weltfremde Hannah Pöltl den Köder spielen. Um dann, wenn mein Jäger weit genug weg war, mit seinem vollgepackten Rucksack das Weite zu suchen.

Singleplayer, Hannah. Du hast es selbst so gewollt.

Hatte ich. Und trotzdem taumelte ich schluchzend durch das Solarfeld. Als es hinter mir laut wurde, drehte ich mich um. Das Auto war durch den Zaun gebrochen, genau, wie ich es erwartet hatte. Doch ich hatte nicht erwartet, dass es weiterfahren würde. Wie ein Bulldozer pflügte es durch die zu beiden Seiten des Wartungsganges aufgestellten Solarmodule. Berstend brachen ihre Glasplatten.

Ich fuhr herum und rannte. Ich war immer noch traurig und zornig, doch vor allem hatte ich Angst, panische Angst.

Die Autoscheinwerfer leuchteten mir den Weg. Es ging beständig bergab, den Hügel hinunter, was meinem Tempo zugutekam. Trotzdem leuchteten die Scheinwerfer immer mehr des Ganges vor mir aus, denn offensichtlich hielten Solarmodule meinen Jäger nicht auf. Ich schaute über die Schulter, wollte sehen, ob sein Kühlergrill verbeult war oder seine Reifen platt. Ich musste dringend Hoffnung tanken, aber die Scheinwerfer blendeten mich.

Der Lichtkegel eilte mir immer mehr voraus und panisch stach ich vom Wartungsgang zwischen die Solarmodule. Der Kegel folgte mir, der Krach schwoll zu ohrenbetäubender Lautstärke an. Jetzt, da wir beide vom Weg abgekommen waren, musste das Auto noch mehr Hindernisse plätten, und tatsächlich: Es wurde etwas langsamer, der Lichtkegel schwächer. Auch seine Form hatte sich verändert und da das Licht nicht mehr ganz so grell war, erkannte ich, dass es nur noch aus einem Scheinwerfer stammte. Der Elektrojäger zeigte Zeichen von Schwäche, aber er war ja auch ein Auto, kein Panzer. Irgendwann musste er zu beschädigt sein, um mich weiter zu verfolgen.

Doch noch fuhr er und mein Vorsprung wuchs einfach nicht. Dadurch, dass ich nicht mehr bergab, sondern parallel zum Hang lief, war auch ich langsamer geworden. Und es gab noch ein Problem: Das Solarfeld war zwar riesig, aber nicht unendlich. Wenn ich am Ende angelangt war, musste ich es zügig über den Zaun schaffen, der eine echte Hürde darstellte. Und selbst wenn ich das irgendwie hinkriegte – auf dem freien Feld würde ich leichte Beute sein.