Scheiß Rollator!

»Ich sitze ja nun im Rollstuhl. Am Anfang fand ich das sehr scheiße, hab damit gehadert und das Ding verflucht. Heute seh ich das als Quittung für das, was ich alles so gelebt habe. Heute versuche ich, etwas gesünder zu leben. Als ich in den Rollstuhl reinmusste und nicht mehr so konnte, wie ich wollte, hab ich mit dem Rauchen und Trinken erst einmal aufgehört. Dann habe ich wieder mit dem Trinken angefangen, ein bisschen, dann habe ich wieder aufgehört und so weiter.

Glücklich bin ich nicht damit. Aber: Ich habe ein so exzessives Leben geführt, mit Alkohol, mit Drogen, Zigaretten und wunderbaren Frauen. Da ist der Rollstuhl jetzt die Strafe. Ich habe es sechzig Jahre krachen lassen. Jetzt hat der liebe Gott entschieden, dass ich den Rest meines Lebens im Rollstuhl durch die Gegend fahre. Aber ich bin zufrieden mit dem, was ich habe, denn: Ich lebe noch! Und andere leben nicht mehr. Das ist das Wichtigste. Ich lebe noch!

Und ich weiß, dass sich viele Menschen um mich sorgen. Ich würde ja auch gerne noch meinen Fans ein paar neue Filme schenken. Bei dem Gedanken ärgere ich mich oft, wie viele schöne Altersrollen ich jetzt spielen könnte, und es geht nicht. Ich hätte die ja alle weggefiedelt. Alle, die jetzt da noch irgendwo rumdaddeln in meinem Alter. Die hätte ich alle plattgemacht.

In den letzten Jahren bin ich ein paarmal in meiner Wohnung aus dem Rollstuhl rausgefallen und konnte mich keinen Millimeter mehr bewegen. Ich konnte es nicht bis zum Telefon schaffen. Das war ein Sonntag. Und Marion hatte sich erst für Montag angemeldet. Doch Marion kam Gott sei Dank früher, weil sie irgendetwas holen wollte. Ganz zufällig. Die kommt ganz selten einfach so in die Wohnung …

Und ich Sturkopp hab nicht mal ein Handy. Aber jetzt habe ich einen Notrufknopf. Da haben Marion und meine Freunde drauf bestanden. Marion hatte ja damals den Schreck ihres Lebens gekriegt, weil sie schon dachte, ich wäre tot. Und da hat der Arzt auch gesagt: ›Noch ein paar Stunden länger, und die Nieren hätten versagt.‹

Ich will aber weiter allein leben. Und mein Körper kann ganz schön was ab … Klingt wie in dem Boot: ›Das muss das Boot abkönnen …‹. Aber bei mir ist manchmal ganz schön schwere See!

Und ich will, dass Marion es gut hat. Dass sie das Leben in vollen Zügen wirklich lebt! Sich was gönnt. Hab’ ich ja auch gemacht. Letztens zum Beispiel, da hab’ ich zusammen mit meinem Freund Uwe die Cap San Diego gekapert, also gemietet, dieses berühmte Schiff da unten am Hafen. Zwölf Leute waren wir. Einmal die Elbe rauf und runter.

Wenn ich noch einen Wunsch frei hätte, würd ich gern einmal noch nach Helgoland fliegen. Aber diese privaten Charterflüge haben die eingestellt. Und deswegen überlege ich, ob wir mal mit dem Orientexpress losfahren sollten.

Als Schauspieler bin ich es aber gewöhnt zu warten. Das gilt nun auch für mein Leben außerhalb des Films. Draußen ist schöner Sommer. Und du möchtest gerne mal ein Eis essen gehen, und du sitzt nur da wie ein Vollidiot … Aber ich kann mich deswegen nicht beschweren. Das ist alles allein meine Schuld.

Ich werde nie wieder richtig gehen können. Obwohl sie es versuchen mit dem scheiß Rollator. Mit dem bin ich auch schon ein paarmal umgekippt und habe mir ein paar Rippen und die Hüfte gebrochen und noch ein paar Sachen … Aber wer weiß, vielleicht schaffe ich das irgendwann, noch so zwei, drei Meter zu gehen. Das langt auch. Ich könnte ja auch sagen, ich höre jetzt mal auf und genieße das jetzt alles. Aber dafür ist noch zu viel Unruhe in mir.

Ich hatte lange schon einen schlimmen Fuß. Mit dem hab ich immer weitergedreht und es so noch weiter verschlimmert. Das gesamte Knochenbett des Fußes unten war zertrümmert, alles gebrochen, kaputt. Dann waren wir bei sieben Professoren, und keiner hat erkannt, was es ist. Und dadurch wurde alles weich wie Butter, und dann brach alles zusammen. Danach haben wir endlich einen der besten Spezialisten gefunden. Gott sei Dank war der in Hamburg. Der hat sich das angeguckt, hat gesagt: ›Sie setzen sich da jetzt auf das Bett und bewegen sich keinen Millimeter mehr. Ich werde Sie morgen operieren.‹ Und dann dachte ich: ›Es ist alles vorbei, ich kann nie wieder drehen.‹

Schlimm fand ich auch aber auch das Schicksal vom Motorradpolizisten vom Großstadtrevier, Kay Sabban. Der hat genauso gelebt wie ich, also an beiden Enden angezündet, die Kerze. Volle Kanone. Dann ist er ins Krankenhaus gefahren, weil er Schmerzen bekam. Da sagten sie: ›Na ja, wollen wir mal gucken. Ist aber nicht so schlimm. Wir haben auch gar kein Bett hier im Moment, kein Zimmer. Geht schon wieder besser?‹ – ›Jajaja.‹ – ›Dann fahren Sie mal wieder nach Hause. Und kommen Sie morgen, weil, ist sowieso kein Arzt da.‹ War mitten in der Nacht, um elf oder was. Und um zwölf, eins, ging das wieder los. Ist er wieder hingefahren oder hat sich fahren lassen. Und dann haben sie gesagt: ›Oh, ein bisschen schlimmer.‹ Haben sie ein Bett geholt und haben ihn auf den Flur gestellt und ihm gesagt: ›Um acht kommt der Arzt. Vorher können wir sowieso nichts machen.‹ Und dann ist er gestorben, auf dem Flur. Lungenembolie. Ich hatte auch eine. Ich habe es überlebt. Zu seiner Beerdigung kamen hundert seiner Motorradfreunde. Die mussten aber schon um sieben in die Kirche kommen, weil wir an dem Tag drehen mussten. Das taten die. Alle Mann.

Es hätte mir ähnlich ergehen können. Es kommt halt irgendwann ein Punkt, wo mir alles scheißegal ist. Und dann muss ich mir das langsam wieder zurückholen. Aber es ist dann auch sehr, sehr schwer, weil, es geht dir dreckig, du hast alle Knochen gebrochen, du hast dieses, du hast jenes. Und da musst du dich erst mal wieder nach vorne kämpfen. Erst mal wieder langsam nach vorne kommen. So wie ich das auch immer hier in der Reha versuche. Heute bin ich schon zweimal die Treppe hoch und runter. Das sollte ich täglich versuchen. Ich weiß das, ich weiß das, ich weiß das – und ich mache es trotzdem nicht. Das ist der kleine Teufel in mir: Das ist Mr. Hyde.

Dieser Kampfgeist hilft mir immer. Den habe ich einfach. Auch bei meinen Bestrahlungen, als sie Mundhöhlenkrebs diagnostiziert haben. Die haben mir ja erst mal gar nicht richtig gesagt, dass das Krebs ist. Das war vielleicht gut so, weil ich sonst verzweifelt gewesen wäre oder panisch. Die Bestrahlungen waren dennoch das Schlimmste, was ich je in meinem Leben erlebt habe. Ich konnte zum Schluss nicht mal mehr den Telefonhörer hochnehmen, weil ich keine Kraft mehr hatte. Und dann sagt dir der Professor, dass er dir bei der letzten OP ein Drittel der Zunge rausgenommen hat.

Bei den Bestrahlungen wirst du festgeschnallt, und dann wirst du fixiert mit so einer Haube. Die habe ich ja auf dem Bauernhof aufbewahrt. Na ja, und dann wirst du fixiert, der Mund wird aufgemacht, und um keinen Millimeter darf sich das verschieben – weil, dann kommt der Strahl. Und wenn das danebengeht, ist das verbrannt, dann ist das weg. Ich kann dir Fotos zeigen, wie es danach aussah. Alles bläulich verfärbt. Aber ich habe mich aus jeder Krankheit und jedem Bruch wieder nach oben gekämpft. Unglaublich, was so ein Körper alles abkann! «