Ein Mensch von einem anderen Kontinent reist, mit der Bahn aus Österreich kommend, nach Berlin. Im südlichen Deutschland betreten vier junge Männer das Abteil des dunkelhäutigen Ausländers. Die vier beginnen, den Fremden erst mit Witzen, dann mit blöden Drohungen zu belästigen. Sie schlagen ihn, im Zug, wo er nicht fliehen kann, und sie schlagen ihn noch auf dem Bahnsteig in Berlin-Lichtenberg, wo ihm niemand hilft, auch die Polizisten in der Nähe nicht.

Solche Geschichten passieren täglich, wenige stehen in der Zeitung, und auch die mag man ja nicht mehr lesen. Jeder hat so etwas mal beobachtet oder von Bekannten gehört. Die Reaktion ist meistens eine mit Achselzucken gemischte Empörung über die nach Schema Nazi beurteilten Skins. Die Bösen, das sind die anderen. «Ich bin öfter verprügelt worden», sagt der Geprügelte, ein Bürger aus den USA, «aber bei uns zu Hause bilden sich schnell zwei Parteien. Da gibt es sofort welche, die zu dir halten oder dazwischengehen. Aber hier in Berlin: Da stehen die Leute um dich rum, im Sicherheitsabstand – und keiner verteidigt dich. Du bleibst allein. Das ist der Unterschied.»

Ein kleiner Unterschied mit großen Folgen. Viel wird darüber spekuliert, ob und wie Berlin nun zur großen europäischen Metropole wird. In der Tat begeistert es viele Leute, auch mich, dass Berlin, aus dem Zustand der künstlichen Idylle entlassen (so die West-Perspektive), den so rauen wie herzlichen Wind einer Weltstadt zu spüren bekommt. Aber manchmal beschleicht einen der Verdacht, dass uns Berlinern für die Rolle der Weltstädter noch die eine oder andere Kleinigkeit fehlt. Der verprügelte Amerikaner hat mich wieder darauf gebracht. Was uns fehlt,