August 1961

Beinah zwei Jahre schon war ich der Heimlichkeit des Gedichtschreibens verfallen, als am 13. August 1961 in Berlin die Mauer gebaut wurde. Das Ereignis verfolgte ich am Radio, die ersten grobgerasterten Fotos waren am 14. August in der Lokalzeitung zu sehen. Ein Gedicht ist erhalten, das noch am gleichen Tag geschrieben wurde und das mit der vierten Strophe so endet: «morgen werden die Tage / den gestrigen Tag beim Schopfe ergreifen / weil der keine Sorgen sich machte / und ob das Ob im Morgengrauen siegen wird oder nicht / – worüber man lieber nicht spricht – / die Vereinigung für Volksmusik / wird das zweitletzte Wort behalten.»

Dunkel ist der Rede Sinn, doch zumindest am Anfang und am Schluss ist die Ahnung des Achtzehnjährigen über die Bedeutung des Mauerbaus spürbar. An meine Empörung über Ulbricht und die Mauerbauer erinnere ich mich noch gut. Was heute erst auffällt: Diese Empörung flieht weder in politische Floskeln, noch sucht sie Gewissheit in einer deutlichen politischen Haltung. Das Gedicht wehrte sich gegen die naheliegenden, normierten politischen Gefühlswallungen.

Etwas weniger unbeholfen und im Bewusstsein etwas deutlicher, wie auf ein historisches Ereignis mit Sprache zu reagieren sei, ist ein anderer Text, ebenfalls vom August

Wenn ich den Autor richtig verstehe, will er den Hörer dazu bringen, selbst aktiv zu werden, dem «verschlingenden Plural» singend zu widerstehen, bei Orakeln, Notsignalen und Uniformierung misstrauisch zu werden. Der Kalte Krieg spitzt sich zu, das Leben wird komplizierter, Meinungen vereinheitlichen sich zu Gesinnungen. Die Fragen müssen immer wieder neu gestellt werden. Bewusst sagt der Autor nichts vom Schicksal der eingemauerten DDR-Bevölkerung, auch ein Name wie Walter Ulbricht fällt nicht. Also die Blindheit des westlichen Linken, der noch gar keiner ist? Nein, der junge Poet wusste einiges über die DDR, kannte dank anderthalb Internatsjahren genügend Schüler, die aus der DDR geflohen waren, auch ihn hatte Wolfgang Leonhards «Die Revolution entlässt ihre Kinder» aufgeklärt. Es wird dem Autor einfach zu läppisch gewesen sein, Ulbricht zu attackieren, der ohnehin von allen westlichen Politikern und Leitartiklern attackiert wurde.

So ist das Gedicht eher die Reaktion auf die Reaktion auf die Mauer im Westen. Die Mauer war ja, als sie am Abend

Einige Monate später entstand «Gruß aus Berlin»: «Mein Freund aus Berlin / hat eine Schwäche für Politik. // Er schrieb in seinem letzten Brief: / Sonst ist / hier in Berlin alles in Ordnung, / auch die Mauer … / So schrieb mein