Vision des Wachmanns Felipe Gerlach, alles wörtlich in «Adenauerplatz» (1984):
«Sie kriegen alles ab, die Schläge, die Aggressionen, den Hass, die Türken fallen am meisten auf, die Zielscheibe, die Stellvertreter, sie sind zahlreich, sie sind wenige, sie sind zu schwach gegen das, was ihnen entgegenschlägt, sie sind zu wenige, wir sind zu wenige, was sind schon viereinhalb Millionen Fremde, wir müssen mehr werden, viel mehr, damit die Deutschen vielleicht einmal verstehen, wie die Welt außerhalb ihrer festen Burg aussieht, nur wir Ausländer können euch Deutschen noch helfen, wir werden euch ein wenig verausländern, aber wir müssen mehr werden, zehn Millionen, dreißig Millionen, sechzig Millionen, warum nicht so viele, wie ihr, wie eure Väter vor vierzig Jahren ums Leben gebracht haben, jeder Asylbewerber soll zwanzig Asylbewerber mitbringen, und wenn das nicht reicht, sollen Einladungen verteilt werden in allen Ecken und Hütten der Welt, und wer will, soll kommen, sie sollen sich aufmachen, die Armen aus den Straßen Kalkuttas, die Landlosen, die Arbeitslosen, die Kranken aus Recife und Santiago und São Paolo, sie sollen, wenn sie noch laufen können, alle kommen, die Frauen und Kinder aus Ghana und Obervolta, die Flüchtenden aus Zaire und Äthiopien und Afghanistan, aus Pakistan und El Salvador, aus allen Erdteilen fallen die Hungerleider millionenstark ein in die reichen Länder, sie besetzen die Flugzeuge und die Schiffe, schieben die Stewardessen und Stewards sachte beiseite und nehmen den Geschäftsleuten und Touristen die gebuchten Plätze weg und schicken sie zurück in die Hotels, sie überrennen die Zöllner und Passbeamten, die nach gültigem Visum fragen, und reißen die Grenzpfähle und Schranken aus, sie überschwemmen die breitwandigen Ankunftshallen und die stillsten Bahnhofsgebäude, voll sind die Landungsbrücken der Häfen mit zerlumpten, dünnen, frierenden Gestalten, kilometerweit die Schlangen, die keine Schlangen mehr sind, die Massen in den Supermärkten, wo sie ihren Anteil zurückholen, wo sie die Regale räumen und die Kassiererinnen auf die Stirn küssen, da sind sie vor den Sozialämtern und Ausländerämtern, in denen die Formulare längst ausgegangen sind und die Beamten an Flucht denken, und wenn die eingereisten Gäste so freundlich sind und überhaupt Anträge stellen, dann beantragen sie politisches Asyl, denn sie wissen besser als jeder Politiker, dass es keine anderen als politische Fluchtgründe gibt, weil sie ihre Armut nicht verschuldet haben, weil sie die Gesetze nicht gemacht haben, weil sie ihre Landesherren und deren Handelspartner nicht gewählt haben, sie sollen alle kommen und ihr Recht auf Leben einklagen, sie sollen kommen, die in Lebensgefahr sind, und über alle Konsulate und Behörden hinwegsteigen und in die USA strömen und nach Spanien und Portugal, sie sollen Frankreich bevölkern und Großbritannien und Skandinavien und die Sowjetunion nicht vergessen, sie sollen, wenn sie wollen, in das Land der deutschen Unschuldslämmer eindringen, die immer noch meinen, an den gegenwärtigen Verbrechen nicht beteiligt zu sein, nur weil sie vor kurzer Zeit selbst die unfasslichsten Verbrechen begangen haben, hierher, in diese Straßen rund um den Adenauerplatz sollen die Fremden kommen mit ihrem ganzen Stolz und alle Wachleute und Polizisten überflüssig machen und nicht nur die Telefonzellen blockieren, sie sollen die Fußgängerzonen verstopfen und die Kaufhäuser einnehmen, den verbotenen Rasen betreten und die Bannmeilen, an den Autobahnen kampieren und vor den Großmarkthallen, sie sollen einmal ihr Recht einklagen, einmal Angst und Schrecken und Einsicht verbreiten allein mit ihrer Anwesenheit, mit einer unübersehbaren Landnahme, sie sollen ihre Welt hereinholen in diese eingebildete erste, Angst und Schrecken und Einsicht, ach!, selbst wenn sie in Massen über die Grenzen strömen, was wird es nützen, die Reichen werden noch perfektere Befestigungsanlagen bauen um ihre Villen und Vorratskeller und Kühlhäuser, jeder bessere Deutsche wird sich bewaffnen, wird jeden Abend den Schäferhund trainieren, Minenfelder und Todeszäune werden das Land durchziehen, und die armen Fremden werden sich auf die halbarmen Deutschen stürzen, Städte und Dörfer werden in Kriegszonen aufgeteilt werden, die Polizei wird mit Wasserwerfern nichts mehr ausrichten, Panzer werden auffahren, ein Mann im Düsenjäger genügt, um den Konvoi mit Schiffen voll Flüchtlingen zu versenken, ein guter Schütze im Cockpit, um ein paar Jumbos abzuschießen, es wird furchtbar werden, wenn die Verdrängten auferstehen, der Aufstand des Südens, die Rache des Nordens, und die große Mehrzahl der Deutschen, der Europäer wird, da kannst du phantasieren, wie du willst, die gerechte Teilung, die große Verbrüderung verweigern und weiter die Herzen stereophon mitfühlend schlagen lassen, alle Menschen werden Brüder, ha!»