Einige der arrogantesten und romantischsten Köpfe meiner Generation schlossen sich in den siebziger Jahren in der RAF, der «Roten Armee Fraktion» zusammen, um mit ein paar Pistolen und Schnellfeuergewehren eine Revolution herbeizuschießen. Terrorismus, Deutscher Herbst 1977, viele Tote, das ist bekannt. Eine aus diesem Kreis, Gudrun Ensslin, hatte ich Jahre zuvor flüchtig kennengelernt, wir hatten 1965 mit anderen Autoren im «Wahlkontor deutscher Schriftsteller» für die SPD Werbesprüche geschrieben, sie war mit Bernward Vesper Verlegerin geworden. Ihr romantisches Talent krönte sie damit, rund zehn Jahre später im Hochsicherheitsgefängnis Stuttgart-Stammheim ihren Genossen Namen und Charaktere aus Melvilles «Moby Dick» zuzuteilen. So wurde Andreas Baader am Ende noch als Kapitän Ahab geadelt, was den Wahn oder den wahnhaften Humor der Gruppe verdeutlicht und was sich der Autor von «Himmelfahrt eines Staatsfeindes» nicht entgehen lassen konnte:
«Ja, sie nannten mich Ahab: unter vielen blöden Namen vielleicht nicht der blödeste, eine Taufe in Ehren als Kapitän der Pequod, hoch auf den Wellen der Südsee zurück in die fiebernden Jungenträume von der Jagd auf Moby Dick: der Kapitän, keine Frage, war ich, und für die ganze mühsam angeheuerte Mannschaft unserer kleinen Armee reichte der Platz auf dem Walfängerschiff –
Sie nannte mich Ahab: Lisa teilte die Namen wie Orden aus: und ich der Kapitän, obwohl nie zur See gefahren, ohne Leidenschaft für Wale und andere Säugetiere, und keine Beinprothese aus Walzähnen: ein Schuss ins Bein immerhin mit anschließender Beförderung zu lebenslänglichem Knast –
Ahab lenkt das Schiff über das wilde Meer: die Gesellschaft, der Staat, der Imperialismus: immer dachten wir an Maos Bild vom Revolutionär, ein Fisch im Wasser des Volkes, überall Freunde und Verstecke im Schwarm, überall im Wasser die zündenden Ideen und Sprengsätze legen –
Also Schiff und Fisch zugleich: ein endloser Wettkampf auf dem Wasser, im Wasser …»