image
image
image

Teil 1 – Der Mann aus Alkatraz

Prolog

image

November 1978

Das Gestänge knirschte leise, als der Sarg hinabgelassen wurde. Die Wände des Grabes warfen tiefe Schatten, sodass die weißen Blumen auf dem Sargdeckel immer dunkler wurden, je tiefer sie sanken.

Es regnete leicht, und es war kaum auszumachen, ob die Nässe auf dem Gesicht des schlanken, hochgewachsenen jungen Mannes, der am Kopfende des Grabes stand, vom Regen oder von seinen Tränen herrührte. Seine dunklen Haare hingen in nassen Strähnen halb über die Stirn. Auf seinem langen Ledermantel liefen Rinnsale hinab. Sein Gesicht wirkte starr wie gemeißelt, und die wenigen Trauergäste wagten nicht, ihn anzusehen. Es war ein trüber Tag, fast schon dunkel, und die Wolken hingen tief, als wollten sie das traurige Begräbnis gnädig verhüllen.

Es gab ein dumpfes Geräusch, als der Sarg den Boden erreicht hatte. Der Mann winkte ab, als die anderen Trauernden näher kommen wollten, um ihm ein letztes Mal zu kondolieren. Sie wandten sich um und verließen das Gelände des Holy Cross Cemetery in Brooklyn. Der einsame Mann blieb noch lange bewegungslos am offenen Grab stehen. In seinen grauen Augen wechselte die Trauer zu Wut und Zorn – und Hass. Und er erinnerte sich ...

... Es hätte ein romantischer Abend mit seiner Freundin in einem angesagten Restaurant in der New Yorker Upper West Side werden sollen, aber es wurde ein Albtraum. Steve McCoy hatte die Schachtel mit dem Verlobungsring auf den Tisch gelegt, und Jill wollte sie gerade öffnen, als mit einer gewaltigen Explosion die halbe Straßenfront des Restaurants weggesprengt wurde. In der Staubwolke bewegten sich einige dunkle Gestalten mit Maschinenpistolen in den Händen. Flammenzungen schossen aus den Läufen. Ihr Ziel war der Tisch links hinter ihnen, an dem einige Männer saßen, denen Steve keine Beachtung geschenkt hatte. Schließlich erforderte sein persönliches Anliegen seine ganze Aufmerksamkeit.

Mit einer hastigen Bewegung griff er nach Jill und riss sie zu Boden. Wie durch einen Schleier registrierte er das Blut, das aus mehreren Schusswunden in ihrem Oberkörper strömte. Die einsetzenden Schreie und das Chaos ringsum nahm er kaum war, ebenso wenig, dass die Schießerei aufgehört hatte.

Er hielt Jill in den Armen und wusste instinktiv, dass es keine Rettung für sie geben würde ...

Am nächsten Tag erfuhr er aus den Medien, dass es sich um eine Auseinandersetzung zwischen verfeindeten Mafiaclans gehandelt hatte, bei der neben drei Gangmitgliedern auch zwei weitere Gäste des Restaurants ums Leben gekommen waren. Die Mörder hatte es nicht gekümmert, dass Unbeteiligte getroffen wurden.

Wenige Tage nach der Beerdigung hatte er seinen Dienst im Third Bataillon des 75th Ranger Regiments in Fort Benning wieder angetreten. Er wusste, dass er sonst an seiner Trauer und seinem Hass auf die Mafia-Gangster zerbrochen wäre. Am Abend des gleichen Tages stand ein älterer Mann in Zivilkleidung vor seiner Tür. Er stellte sich als Colonel Alec Greene vor und bot ihm einen Job an.

Eine Woche später wurde er ehrenhaft entlassen und begann seinen Dienst beim Department of Social Research. Die Abteilung für soziale Feldforschung war allerdings eine Tarnadresse, denn ihre wahre Aufgabe war der geheime Kampf gegen das organisierte Verbrechen, gegen die Mafia. Das Department unterstand dem Justizministerium und arbeitete eng mit dem FBI zusammen. Die Agenten hatten keine polizeilichen Befugnisse, konnten allerdings innerhalb ihrer Ermittlungsarbeit den gesetzlichen Rahmen etwas weiter auslegen als andere Behörden.

Nach einem halben Jahr auf der FBI-Akademie in Quantico übernahm Steve McCoy seinen ersten Fall. Und viele Weitere sollten folgen ...